Volkswirt Andreas Busch
Amerika droht eine Rezession

Volkswirt Andreas Busch
Wenn es um die Perspektiven der US-Wirtschaft geht, sehen Beobachter zwar Rezessionsrisiken, machen sich jedoch mehrheitlich keine großen Sorgen. Erklären lässt sich diese gelassene Sicht unter anderem mit den zumeist guten Unternehmensergebnissen im ersten Quartal, die ein weiterhin stabiles wirtschaftliches Umfeld widerspiegeln. In die gleiche Richtung zeigt der brummende Arbeitsmarkt, der de...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Wenn es um die Perspektiven der US-Wirtschaft geht, sehen Beobachter zwar Rezessionsrisiken, machen sich jedoch mehrheitlich keine großen Sorgen. Erklären lässt sich diese gelassene Sicht unter anderem mit den zumeist guten Unternehmensergebnissen im ersten Quartal, die ein weiterhin stabiles wirtschaftliches Umfeld widerspiegeln. In die gleiche Richtung zeigt der brummende Arbeitsmarkt, der dem privaten Konsum als wichtigster Wachstumsstütze in den USA weiterhin Rückenwind beschert.
In Anbetracht dessen halten die meisten Analysten lediglich einen moderaten Abschwung beziehungsweise ein Soft Landing für wahrscheinlich. Angst vor einem scharfen Wachstumseinbruch stellt sich mithin nicht ein. In unseren Augen ist diese Sorglosigkeit allerdings fehl am Platz.
Für den weiteren Konjunkturverlauf spielen die Unternehmensinvestitionen eine ganz entscheidende Rolle. Und hier wird das Fahrwasser immer rauer. Allein in der jüngsten BIP-Statistik zeigt sich für den Bereich der besonders konjunktursensiblen Kapitalgüterausgaben für Maschinen und Anlagen, dass diese bereits zwei Quartale nacheinander geschrumpft sind.
Gegenwind erzeugt vor allem die massive Verschlechterung der Finanzierungskonditionen. Der schärfste Zinserhöhungszyklus der US-Notenbank Federal Reserve (Fed) seit vier Jahrzehnten sorgt mit der üblichen langen Verzögerung von zwölf bis 18 Monaten dafür, dass Investitionsvorhaben unrentabel werden. Wie unsere weit vorauslaufenden Frühindikatoren anzeigen, dürften Unternehmen bis ins kommende Jahr hinein ihre Kapitalgüterausgaben immer mehr einschränken. Offizielle Statistiken wie die von der Fed ermittelten Kreditvergabestandards der Geschäftsbanken, die einen etwas kleineren Vorlauf vor der Investitionstätigkeit haben, deuten exakt in die gleiche Richtung.
Wenn Unternehmen ihre Investitionen zurückfahren, kommt unweigerlich auch der Arbeitsmarkt unter Druck. Zunächst nimmt die Zahl der Neueinstellungen ab, anschließend kommt es zu umfangreichen Entlassungen. Eine Reihe von Beschäftigungsindikatoren deuten darauf hin, dass dieser Prozess inzwischen in Gang gekommen ist.
So befindet sich beispielsweise die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit im Abwärtstrend, die vorauslaufende Beschäftigung von temporär Beschäftigten sinkt und die Zahl der angekündigten Entlassungen geht steil in die Höhe.
Angesichts dieser Signale muss davon ausgegangen werden, dass auch bald der aktuell noch als Stütze fungierende private Konsum ins Wanken gerät, was die konjunkturellen Abschwungskräfte zusätzlich verstärkt.
Alles in allem dürfte die US-Wirtschaft damit in eine ausgewachsene Rezession rutschen, bei der das BIP wahrscheinlich schon ab dem laufenden Quartal bis mindestens zum Jahresende schrumpft. Die Risiken sind dabei unseres Erachtens klar abwärtsgerichtet – nicht zuletzt, weil es zu weiteren Finanzmarktschocks kommen könnte. Das aktuell von den meisten Analysten unterstellte Szenario einer harmlosen Wachstumsdelle dürfte vor diesem Hintergrund ein Irrtum sein.
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