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Aktualisiert am 27.05.2020 - 13:42 UhrLesedauer: 7 Minuten
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USA in der Krise Sechs Fragen zur US Politik und den Wirtschaftsaussichten

Capitol in Washington D.C.: In den USA streiten Demokraten und Republikaner über weitere milliardenschwere Staatshilfen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie,
Capitol in Washington D.C.: In den USA streiten Demokraten und Republikaner über weitere milliardenschwere Staatshilfen im Kampf gegen die Covid-19-Pandemie, | Foto: imago images / ZUMA Wire

Fed-Chef Jerome Powell verkündet jüngst, dass im zweite Quartal 2020 mit einem Konjunktureinbruch der amerikanischen Wirtschaft um 20 bis 30 Prozent zu rechnen sei. Wovon hängt es ab, dass sich die Wirtschaft schnell erholt und worauf sollten Anleger besonders achten?

Der US-Kongress hat unlängst die umfangreichsten Konjunkturprogramme in der Geschichte der Vereinigten Staaten verabschiedet. Was beinhalten diese, und was kommt als nächstes?

Während der zurückliegenden acht Wochen legte der Kongress vier separate Hilfsprogramme in einem Gesamtvolumen von knapp 2,9 Billionen US-Dollar auf – mehr als das Zweifache der Mittel, die nach der Finanzkrise 2008 zur Konjunkturbelebung mobilisiert wurden. Die Maßnahmen beinhalten rund 720 Milliarden US-Dollar an Finanzmitteln für kleine Unternehmen, 500 Milliarden US-Dollar für Privatpersonen, knapp 300 Milliarden US-Dollar für die Arbeitslosenunterstützung, mehr als 250 Milliarden US-Dollar für das Gesundheitswesen sowie 150 Milliarden US-Dollar für Bundesstaaten und Gemeinden. Alles in allem kommt die politische Antwort rund 14 Prozent des US-BIP gleich. Während diese Ausgaben exklusiv über das Haushaltsdefizit finanziert werden – das sich in diesem Kalenderjahr nach unseren Schätzungen auf mehr als 4 Billionen US-Dollar aufblähen dürfte – haben sich die US-Zinsen kaum bewegt. Dies ist zum Teil dem Ankauf von Wertpapieren durch die US-Notenbank Fed geschuldet ebenso wie der robusten Nachfrage nach US-Staatsanleihen von Anlegern auf der Suche nach einer vermeintlich sicheren Anlage.

Trotz dieser außerordentlichen Hilfsmaßnahmen wird im Kongress bereits das nächste Gesetzespaket zur wirtschaftlichen Entlastung („Phase 4“) diskutiert. Doch während Phase 4 auf größeren parteipolitischen Widerstand stoßen dürfte, insbesondere hinsichtlich der strittigen Frage um die staatliche Finanzierung, geht es in Bezug auf ein weiteres Hilfspaket wohl eher um die Frage wann und nicht ob – es könnte bereits im Juni so weit sein.

Phase 4 könnte zusätzliche Gelder für Bundesstaaten und Kommunen vorsehen, weitere Unterstützung für das übermäßig beanspruchte Darlehensprogramm für kleine Unternehmen (Paycheck Protection Program) sowie vermutlich eine weitere Runde von Hilfsschecks an Privatpersonen. Alles in allem könnte Phase 4, obschon das Programm unserer Einschätzung nach von geringerem Umfang sein dürfte als sein Vorgänger Phase 3 (mit einem Umfang von 2,2 Billionen US-Dollar), im Bereich von 1,0 bis 1,5 Billionen US-Dollar rangieren.

Wie sieht der Ausblick für die US-Wirtschaft über den weiteren Jahresverlauf aus?

Wegen der sich verlangsamenden Infektionsrate von Covid-19 in den USA hat sich der politische Fokus nun auf den Prozess verlagert, die Wirtschaft wiederhochzufahren. Der Wunsch, der behördlich verordneten Sozialen Distanzierung ein Ende zu setzen, wird durch die Konjunkturdaten noch bekräftigt, die das Wanken und den flächendeckenden Einbruch der Wirtschaftsaktivität seit Mitte März, als umfassende Ausgangsbeschränkungen verhängt wurden, bestätigen. Auch in Bundesstaaten, die eine verhältnismäßig geringere Anzahl von Virusinfektionen verzeichneten, nahmen die Anträge auf Arbeitslosenunterstützung zu, während hochfrequente Wirtschaftsindikatoren zusammenbrachen. Nach Angaben des US-Bureau of Labor Statistics stieg die US-Arbeitslosenquote im April auf über 14 Prozent.

Gleichwohl sind in vielen Regionen der USA noch keine adäquate Krankenhausversorgung oder Spitzenkapazität gesichert, und ein landesweites Testverfahren oder Nachverfolgungssystem ist auch nicht vorhanden. Mithin fahren viele bundesstaatliche und lokale Regierungen ihre Wirtschaft nun langsam wieder hoch, während die Maßnahmen der Sozialen Distanzierung in Kraft bleiben – in dem Versuch, einen Ausgleich zwischen dem Risiko eines längerfristigen wirtschaftlichen Schadens infolge der sich länger hinziehenden Geschäftsschließungen und dem Risiko eines weiteren schwerwiegenden Virus-Ausbruchs herzustellen. Eine Lockerung der Verordnungen würde womöglich auch keinen Wandel des Konsumentenverhaltens herbeiführen, solange es keine Impfstoffe oder andere therapeutische Behandlungsmethoden gibt. In jedem Fall wird es vielen Firmen zunehmend schwer fallen, sich zu behaupten – insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen (KMUs), die von dieser Krise in besonderem Maß betroffen sind. Einer Umfrage der US-Notenbank aus dem Jahr 2019 zufolge sähe sich eines von fünf gesunden KMUs zu einer Schließung gezwungen, wenn die Umsätze über zwei Monate ausbleiben.

Allgemein erwarten wir, dass die US-Konjunktur in der zweiten Maihälfte wieder anziehen wird, wenn die Ausgangsbeschränkungen in den meisten Bundesstaaten auslaufen. Allerdings wird das Wachstum vermutlich nicht unmittelbar auf sein Vorkrisenniveau zurückkehren. Die Erholung dürfte vielmehr schrittweise vonstattengehen und je nach Sektor und Region ungleichmäßig verlaufen. Dabei scheinen kleine und mittlere Unternehmen, die bereits mit rückläufigen Gewinnen und einer zunehmenden Verschuldung in diese Phase eingetreten sind, besonders gefährdet zu sein. Und obgleich der Kongress mit bis dato nie gesehenem Tempo reagiert hat, wird es womöglich weiterer Hilfsprogramme bedürfen, um eine relativ zügige Erholung herbeizuführen.