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Aktualisiert am 27.01.2020 - 15:28 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 5 Minuten

UWG-Novelle/Kundenberatung am Telefon: „Der Vertrieb hat die Brisanz noch nicht erkannt“

Martin Aye, ASF
Martin Aye, ASF

DAS INVESTMENT.com: Wie generiert man konkret ein Opt-in? Martin Aye: Telefonisch und mit einem digitalen Archivierungsverfahren: Die Kunden unserer Auftraggeber werden in einem in der Regel nichtwerblichen Call nach ihren bevorzugten Kommunikationskanälen für die Zukunft befragt. Dabei kann der Kunde dann selbst entscheiden, wie er künftig betreut und angesprochen werden möchte. Das Gesprächsergebnis wird dabei mit Wissen des Kunden aufgezeichnet und das Sprachfile doppelt digital archiviert. Einige Konzerne, die wir betreuen, schreiben im Anschluss den Kunden zusätzlich an und bestätigen ihm noch einmal schriftlich, was am Telefon vereinbart wurde. Da in diesem Gespräch nichts verkauft oder angeboten wird, empfinden die Kunden diesen Anruf als Service. DAS INVESTMENT.com: Dazu müssen Sie die Kunden ihrer Kunden ja ebenfalls anrufen. Wie ist das mit dem UWG vereinbar? Aye: Nach der Gesetzesnovelle könnte man auch diesen Anruf als werblichen Call interpretieren, sofern man davon ausgeht, dass durch ihn spätere Vertriebsaktionen vorbereitet werden sollen. Im Grunde geht es aber genau um das Gegenteil: Kunden, die ihre Kommunikationswege selbst wählen können, sind per se zufriedener. Streit gibt es ja in der Regel nur dann, wenn Kunden sich durch unerwünschte Werbeanrufe belästigt fühlen. Und genau das wird durch das hier eingesetzte Opt-In-Verfahren vermieden. Die meisten Kunden haben nichts gegen ehrliche, individuelle Produktinformation im Vertrieb. Sie möchten nur, dass man ihr Kommunikationsverhalten kennt und sich danach richtet. Insofern dienen die Kampagnen genau dem Zweck, den das neue UWG verfolgt: Die Rechte und Wünsche der Verbraucher zu schützen. DAS INVESTMENT.com: Wie wird eine Ansprecherlaubnis „rechtlich abgesichert“? Aye: Die genaue rechtliche Absicherung im neuen UWG steht noch gar nicht fest. Manche Hardliner präferieren zwar noch immer die echte Unterschrift eines Kunden als Grundlage für die werbliche Ansprache. Wir gehen aber davon aus, dass die Archivierung von Sprachfiles als Vertragsgrundlage auch weiterhin ausreichen wird. Andernfalls wird man künftig telefonisch ja nicht mal mehr eine Pizza bestellen dürfen - das kann kaum im Sinne des Gesetzgebers und der Verbraucher sein. Unser Verfahren hat trotz mehrerer Millionen Opt-In-Calls noch keine Beschwerde geschweige denn eine Klage eines Verbrauchers nach sich gezogen. DAS INVESTMENT.com: In wie weit ist dieses Verfahren individualisierbar? Aye: Im Grunde lässt es sich auf jede Branche und jedes Angebotsportfolio anwenden. Die Kommunikationswege sind bei den meisten Anbietern ähnlich - unabhängig von Angebot und Kundensegment. Wir empfehlen allerdings in jedem Fall die Begleitung durch einen Fachjuristen bei der Erstellung der Gesprächsleitfäden und der Archivierungslogik, damit die rechtliche Absicherung möglichst effektiv ist. Die Individualisierbarkeit ist von besonderer Bedeutung - denn das Opt-In wird nach der UWG-Novelle in jedem Kundenbestand erforderlich sein, egal ob B2C oder B2B, ob gewinnorientierter Anbieter oder nicht-gewinnorientiertes Geschäft wie zum Beispiel bei gesetzlichen Krankenkassen. Hier haben sehr viele Unternehmen noch Nachholbedarf: Manche großen Konzerne haben mit der Einholung von Opt-Ins noch nicht einmal begonnen. DAS INVESTMENT.com: Wie sind die Reaktionen von Bestandskunden auf Ihre Anrufe, gibt es beispielsweise Bedenken in Sachen Datenschutz, etwa Befürchtungen dass die Adresse quasi als „Lead“ noch für andere Zwecke dienen könnte? Aye: Wir sprechen hier von Bestandskunden. Eine ehrliche Ansprache ist  niemals kontraproduktiv. Weiterhin geben unsere Kunden ihre Bestandskunden nicht einfach als „Lead" an potenzielle Interessenten weiter. Die Kunden empfinden den Service eher als Bereicherung. Wir ernten im Gegenteil oft sogar sehr positive Rückmeldungen. DAS INVESTMENT.com: Was kostet es, Opt-Ins zu generieren? Aye: Der Preis hängt ein wenig von der Dauer des Gesprächs ab, das für das Verfahren erforderlich ist - und natürlich vom Volumen des Kundenbestandes. Ein Basis-Opt-In kann dabei inklusive Archivierung für zirka 3 Euro pro Kunde gewonnen werden. Kostenintensiver wird es, wenn differenziert jeder nur mögliche Kommunikationskanal abgefragt, dokumentiert und gegebenenfalls auch noch schriftlich in Form eines Kundenanschreibens definiert und bestätigt wird. Allerdings ist das nach heutiger Auffassung auch der sicherste Weg. DAS INVESTMENT.com: Haben Interessenten die Möglichkeit, Ihr Angebot zu testen? Aye: Ja, Testverfahren sind dabei die Regel. Mit einem Volumen ab 5.000 Kundendaten kann man bereits einen sehr validen Test umsetzen. Der Test dient uns und unseren Kunden dann auch für die dezidierte Vorbereitung des Verfahrens im späteren Live-Betrieb, wozu übrigens zunehmend auch differenzierte Hotline- und Inbound-Konzepte, also die Entgegennahme von Anrufen und sonstigen Ereignissen durch ein Call-Center, gehören. DAS INVESTMENT.com: Sind Ansprecherlaubnisse denn wirklich nötig? Ein zufriedener Bestandskunde wird doch seinen Berater nicht abmahnen wollen, nur weil der ihn anruft, um eventuell über eine Veränderung seiner Absicherung zu sprechen? Ein Berater mit Maklerstatus ist ja als Sachwalter des Kunden dazu nachgerade verpflichtet. Aye: Da der Gesetzgeber es vorschreibt, geht jeder Anbieter, der keine Opt-Ins seiner Kunden hat, ein großes Risiko ein. Im Falle einer Beschwerde eines Kunden - die ja niemand auf Dauer ausschließen kann - drohen aus den dann folgenden Unterlassungsklagen hohe Geldbußen im Wiederholungsfall. Wir kennen auch heute schon große Unternehmen, die sich aus diesem Grund den telefonischen Vertrieb komplett blockiert haben. Im Massenkundengeschäft kann sich heute kein Unternehmen eine Nichtansprache per Telefon auf Dauer leisten, wenn es Marktanteile ausbauen oder zumindest erhalten will. Fakt ist: Wer heute auf die Definition der Ansprecherlaubnis seiner Kunden verzichtet, wird morgen nur noch einen Bruchteil des Vertriebes machen können. DAS INVESTMENT.com: Hat die deutsche Finanzvertriebsbranche die Brisanz des Themas UWG bereits in vollem Umfang erkannt? Aye: Nein. Wir arbeiten zwar bereits für einige größere Anbieter in dem Bereich, aber die Masse der großen Konzerne und Marken ebenso wie die Maklervertriebe haben hier noch großen Nachholbedarf. Wir spüren aber, dass die Sensibilität der Vertriebe sprunghaft wächst und man sich mit den Anforderungen aktiver auseinandersetzt. Zu unseren Kunden aus der Finanzdienstleistungs-Branche zählen beispielsweise Barclaycard, Deutscher Ring, Volksfürsorge oder die Postbank. DAS INVESTMENT.com: Was sagen Ihnen Vertriebe, wenn Sie sie auf das Manko aufmerksam machen? Aye: Das ist unterschiedlich. Manche kennen die Problematik, haben aber noch keine Entscheidung getroffen. Andere wiederum sind sich der Tragweite noch gar nicht bewusst. Oft ist man sogar der Meinung, die Neuregelung gelte nur für das Neukundengeschäft, nicht aber für die Ansprache von Bestandskunden. Dabei ist gerade das Bestandskundensegment der sensible Bereich – und insbesondere in der Finanzbranche zu Krisenzeiten ein wichtiger Erfolgsfaktor. Das Halten und die Entwicklung eines Kundenbestandes werden für viele Anbieter mittelfristig zum entscheidenden Marktfaktor werden. Intelligente und sensible Opt-In-Kampagnen sind dabei eine wichtige Grundlage für Stabilität und Rendite. Wichtiger ist aber zufriedener Kunde, der weiß, dass er im Rahmen von vorgegebenen und verbindlich abgestimmten Kommunikationswegen optimal betreut und informiert wird. Link zu Interview mit Fachanwalt Thomas Sassenberg zur UWG-Novelle Link zu ASF

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