ESG Machtverlagerung im Asset Management: Vanguard gibt Stimmrechte an Kleinanleger ab
Vanguard, der weltgrößte Anbieter von Indexfonds mit einem verwalteten Vermögen von 10,1 Billionen US-Dollar, gibt die Kontrolle über wichtige Abstimmungsentscheidungen zunehmend an seine Privatanleger ab. Fast vier Millionen Kleinanleger, die Aktien im Wert von bis zu 250 Milliarden US-Dollar halten, können künftig selbst entscheiden, wie ihre Stimmrechte ausgeübt werden sollen. Das berichtet die „Financial Times“ (FT).
Die Verdoppelung des bisherigen Pilot-Programms erfolgt in einer Phase intensiver Diskussionen. Der Vermögensverwalter steht nicht nur unter verstärkter Beobachtung der Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC), sondern sieht sich auch mit unterschiedlichen Anforderungen seiner Investoren konfrontiert. Die neue Initiative bietet fünf verschiedene Abstimmungsoptionen:
- Anleger können sich für eine reine Profitorientierung entscheiden,
- Vanguard die Entscheidung überlassen,
- mit dem Management stimmen,
- ESG-Faktoren priorisieren oder
- sich neutral verhalten.
„Es ist eine Reaktion auf das Feedback von Investoren“, erklärt John Galloway, Global Investment Stewardship Officer bei Vanguard gegenüber der FT. „Anleger haben unterschiedliche Perspektiven darauf, was den Shareholder Value maximiert.“ Diese Aussage zeigt die Herausforderungen, vor denen große Asset Manager stehen: Während Vanguard Anfang des Jahres von progressiver Seite kritisiert wurde, weil es gegen sämtliche Umwelt- und Sozialvorschläge bei US-Aktionärsversammlungen stimmte, werfen konservative Stimmen dem Unternehmen vor, durch ESG-Fokussierung „woke capitalism“ zu fördern.
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Die Ausweitung des Programms erfolgt schrittweise: Zunächst werden acht Vanguard-Fonds teilnehmen, drei mehr als in der Pilotphase 2023/24. Die großen Flaggschiff-Fonds, die den S&P 500 oder den Gesamtmarkt abbilden, sind noch nicht dabei.
Auch andere große Asset Manager folgen dem Trend
Die Initiative reiht sich in branchenweite Entwicklungen ein. Blackrock, der größte Konkurrent, bietet im Rahmen seines „Voting Choice“-Programms bereits 16 verschiedene Abstimmungspolitiken an. Von den berechtigten Vermögenswerten in Höhe von 2,8 Billionen US-Dollar haben Eigentümer von etwa einem Viertel (634 Milliarden Dollar) eine aktive Wahl getroffen. State Street Global Advisors verfolgt mit zehn Optionen einen ähnlichen Ansatz für Vermögenswerte von 1,7 Billionen US-Dollar.
Die praktischen Auswirkungen bleiben abzuwarten. Bislang haben sich knapp die Hälfte der Vanguard-Anleger, die eine Präferenz äußerten, dafür entschieden, dem Fondshaus die Abstimmungsentscheidung zu überlassen.