Am 22. Juli 2024 erschütterte Varta den deutschen Aktienmarkt. Der Aktienkurs des einst gefeierten Batterieherstellers brach um rund 80 Prozent ein und vernichtete fast eine Milliarde Euro Börsenwert an einem einzigen Tag. Das Unternehmen kündigte an, ein Sanierungsverfahren nach dem Unternehmensstabilisierungs- und -restrukturierungsgesetz (Starug) einzuleiten. 

Der Sanierungsplan sieht eine Kapitalherabsetzung auf null vor, gefolgt von einer Kapitalerhöhung. An dieser sollen sich nur der österreichische Großaktionär Michael Tojner und möglicherweise der Autobauer Porsche beteiligen dürfen. Kleinaktionären droht ein Totalverlust. Die Schulden von Varta, die sich auf fast 500 Millionen Euro belaufen, sollen im Rahmen des Verfahrens deutlich reduziert werden. 

Vom MDAX-Aufstieg zum Kurssturz - Gründe für das Dilemma

Die Varta-Aktie erlebte seit ihrem Börsencomeback im Oktober 2017 eine Achterbahnfahrt. Vom Ausgabepreis von 17,50 Euro stieg sie bis Januar 2021 auf über 180 Euro. Getrieben vom Boom bei kabellosen Kopfhörern, insbesondere Apple Airpods, erreichte die Aktie allein im Jahr 2019 eine Wertentwicklung von fast 400 Prozent. Dieser Fortschritt katapultierte Varta in den MDax und machte das Unternehmen zum Liebling vieler Anleger. Ab 2022 setzte jedoch ein steiler Abwärtstrend ein. Preisdruck durch chinesische Konkurrenz und sinkende Nachfrage ließen den Kurs bis Mitte 2023 auf etwa 20 Euro fallen. Die Starug-Ankündigung drückt den Aktienkurs des einstigen Börsensterns schließlich erstmals unter zwei Euro.

Chartbild von Varta
Aktienkurs von Varta (in Euro) seit dem Börsen Comeback 2017 © TradingView
Absturz bei geschlossener Börse
Absturz bei geschlossener Börse: erstmal unter der Zwei-Euro-Marke © TradingView

Mehrere Faktoren führten zur aktuellen Krise. Neben den Marktveränderungen im Mikrobatterie-Segment und dem Nachfragerückgang bei kabellosen Kopfhörern belasteten hohe Schulden durch massive Investitionen in Produktionskapazitäten die Bilanz. Varta hatte allein 2021 und 2022 über 200 Millionen Euro in den Ausbau der Produktion investiert. Zudem blieb die Entwicklung der V4Drive-Batterien für Elektroautos hinter den Erwartungen zurück. Diese Hochleistungszellen sollten ursprünglich ab 2024 in größeren Stückzahlen produziert werden, doch die Nachfrage der Automobilindustrie blieb verhalten.

Kleinanleger vs. Großinvestoren: Mehr Verlierer als Gewinner

Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) kritisiert das Verfahren scharf als „kalte Enteignung“ der Kleinanleger und fordert eine Reform des Starug-Gesetzes. DSW-Vizepräsidentin Daniela Bergdolt warnt: „Es kann nicht sein, dass sich große Investoren und Mehrheitsaktionäre auf dem Rücken der Privatanleger sanieren und diese kalt enteignet werden.“

 

Vartas Schieflage gefährdet nicht nur 4.000 Arbeitsplätze, sondern stellt auch einen Rückschlag für die Ambitionen Deutschlands und Europas im Batterie-Sektor dar. Das Unternehmen galt als wichtiger Technologieträger in der strategisch bedeutsamen Batterieproduktion. Leerverkäufer profitierten hingegen von dem Kurseinbruch. Hedgefonds, die auf fallende Kurse gewettet hatten, konnten durch den Absturz hohe Gewinne verbuchen.

Porsche als möglicher Retter für deutsche Batterietechnologie?

Aktuell verhandelt Varta mit Porsche über eine mögliche Beteiligung. Der Sportwagenhersteller zeigt Interesse an der V4Drive-Technologie und erwägt ein finanzielles Engagement zur Standortsicherung in Deutschland. Porsche benötigt die Hochleistungszellen für seinen geplanten Hybrid-Antrieb im 911 GTS und möchte die Technologie im Land halten.

Der Erfolg der Sanierung hängt maßgeblich von der Zustimmung der Gläubiger zu einem substanziellen Schuldenschnitt und der Stabilisierung des operativen Geschäfts ab. Varta muss beweisen, dass seine Technologien auch in Zukunft wettbewerbsfähig sind. Scheitert die Restrukturierung, droht die Zerschlagung des Traditionsunternehmens.