


Vera Claas kennt das Gefühl, die einzige Frau im Raum zu sein. Als Geschäftsführerin des Krypto-Start-ups NXT Assets hat sie sich in einer „doppelt männerdominierten“ Welt durchgesetzt: Finanzbranche trifft auf Krypto-Sektor. Im Interview spricht Claas offen über die Herausforderungen ihrer Karriere.
DAS INVESTMENT: Frau Claas, Sie haben langjährige Erfahrung in der Finanzbranche und sind heute Geschäftsführerin des Krypto-Start-ups NXT Assets. Was waren die größten Herausforderungen auf Ihrem persönlichen Karriereweg?
Vera Claas: Eine der größten Herausforderungen auf meinem Karriereweg war für mich, meine eigenen Grenzen zu erkennen und zu respektieren. Gerade in der Finanzbranche habe ich anfangs sehr viel gearbeitet und mich einer steilen Lernkurve gestellt – das hat mir körperlich und emotional viel abverlangt. Nach und nach habe ich gelernt, meinen Akku rechtzeitig wieder aufzuladen, um langfristig leistungsfähig und fokussiert zu bleiben. Diese Erkenntnis ist für mich – unabhängig vom Geschlecht – besonders wichtig.
Zudem war es für mich immer eine Herausforderung, mich als Frau in einer überwiegend männlichen Branche und Umgebung „irgendwie anders“ zu fühlen. Es gibt nur wenige Frauen. Da begleitet mich das Bewusstsein, anders zu sein, ständig. Ich versuche, diese Rolle bewusst anzunehmen – mit all den Chancen und Herausforderungen, die das mit sich bringt. Das ist nicht immer einfach, da Erwartungen und Umgangsformen oft anders sind.
Was haben Sie daraus für sich mitgenommen?
Claas: Die Erfahrung hat mich dazu gebracht, meinen eigenen Stil zu finden und authentisch zu bleiben. In vielen Meetings war und bin ich auch heute noch die einzige Frau. Und ich treffe immer wieder auf Menschen, die zeigen, dass es egal ist, die teilweise sogar bewusst integrieren. Und die helfen zu erkennen, dass wir alle dasselbe Ziel verfolgen: den Erfolg eines Produkts, einer Idee oder einer Zusammenarbeit.
Durch diese Vorbilder habe ich gelernt, mich auf das Wesentliche zu konzentrieren und meinen Beitrag so einzubringen, dass er zählt – unabhängig von Geschlecht oder Rollenklischees. Und ich habe gelernt, auch andere, die „irgendwie anders sind“ darin zu bestärken. Das gelingt mir immer öfter, je länger ich in der Branche bin.
Welche Kompetenzen und Erfahrungen aus Ihrer Zeit bei klassischen Finanzinstituten helfen Ihnen heute in der Krypto-Industrie am meisten?
Claas: Viele meiner Erfahrungen aus der klassischen Finanzwelt sind heute in der Krypto-Industrie Gold wert. Vor allem, weil wir mit unseren ETPs eine Brücke schlagen: zwischen regulierter Finanzinfrastruktur und einer neuen Assetklasse. Unsere Produkte funktionieren wie klassische Wertpapiere, nur eben mit einem digitalen Basiswert. Deshalb sind Themen wie Mifid, Transparenzanforderungen oder Schnittstellenprozesse genauso relevant wie früher. Mein Background hilft mir, diese Komplexität sicher und pragmatisch zu steuern.
Und: Ich spreche die Sprache institutioneller Anleger – nicht nur auf dem Papier. In meiner Bankausbildung bei der Sparkasse Krefeld wurde mir zum Beispiel eingebläut, dass ein Telefon maximal dreimal klingeln darf. Diese Haltung zur Verbindlichkeit begleitet mich bis heute. Sie schafft Vertrauen – und genau das zählt auch in einem neuen Umfeld wie dem Krypto-Markt.
Gibt es ein persönliches Erlebnis, das Sie besonders geprägt hat – etwa als Frau in Führungspositionen oder im Umgang mit Innovationen im Finanzsektor?
Claas: Ein Erlebnis, das mich besonders geprägt hat, war ein „Neuer-Produkte-Prozess“ in einer Investmentbank, bei dem ich als Externe dabei war. Am Vorabend war eine konkrete Kundenanfrage eingegangen – und statt sie durch die üblichen, zähen Abstimmungsschleifen zu schicken, holte die Head of Markets, übrigens eine Frau, direkt als Erstes frühmorgens die relevanten Entscheidungstragenden und Verantwortlichen in einen Raum. Nach dem Meeting war klar, wer was macht und an wen übergibt. Für mich hieß das: KID-Erstellung und Konfiguration des Vertriebsprozesses. Alle Aufgaben waren verteilt, der Fokus lag auf Umsetzung.
Am Nachmittag folgte ein kurzes virtuelles Catch-up. Das war ein fokussiertes Abstimmungsmeeting mit klarer Agenda und offenen Punkten. Die letzten To-dos wurden verteilt, und am Abend war das Produkt abnahmebereit – am nächsten Tag bereits handelbar.
Diese Geschwindigkeit, diese Umsetzungsstärke – das hat mich nachhaltig beeindruckt. Es ging nicht um Titel, sondern ums Anpacken. Um Verantwortung, um Geschwindigkeit, um sauberes Umsetzen. Und genau diese Haltung prägt meine Arbeit bis heute.
Was würden Sie jungen Frauen raten, die eine Karriere in der Finanz- oder Kryptobranche anstreben?
Claas: Mein wichtigster Rat: Baut früh ein starkes Netzwerk auf und investiert in eine fundierte Ausbildung – das ist die Basis. Sammelt möglichst viele praktische Erfahrungen, etwa durch verschiedene Praktika. Traut euch immer ein bisschen mehr zu wollen, als ihr euch eigentlich zutraut. Sei es bei Aufgaben, Projekten oder Gehaltsverhandlungen. Wenn eine Stelle oder Herausforderung auf den ersten Blick eine Nummer zu groß wirkt, bewerbt euch trotzdem unbedingt. Und ganz wichtig: Tauscht euch regelmäßig mit vertrauten Kolleginnen und Kollegen aus – sowohl Frauen als auch Männer. So lernt ihr, bekommt Rückhalt und könnt gemeinsam wachsen.
Können Sie Beispiele nennen, wie Diversität in Ihrem Unternehmen und in der Krypto-Branche insgesamt gefördert wird?
Claas: Als Frau in einer sonst eher männerdominierten Branche weiß ich, wie wichtig Diversität ist. Unser Team ist aktuell noch klein, und wir arbeiten noch an einem klaren Konzept zur Förderung von Vielfalt. Bei der Auswahl unserer Kooperationspartner legen wir aber großen Wert darauf, Initiativen zu unterstützen, die Diversität und Inklusion aktiv voranbringen. In der Krypto-Branche gibt es bereits einige gute Ansätze, etwa „Women in Crypto“. Aber insgesamt besteht noch viel Potenzial, um die Vielfalt spürbar zu erhöhen.
Mehr dazu, wie Vera Claas den Krypto-Standort Deutschland stärken will und warum sie „rosa Produkte“ für den falschen Weg hält, um mehr Frauen für Krypto zu begeistern, lesen Sie hier.
Über Vera Claas und NXT Assets
Vera Claas ist Geschäftsführerin von NXT Assets. Die erfahrene Diplom-Betriebswirtin und Strukturspezialistin engagiert sich für mehr Sichtbarkeit und Teilhabe von Frauen in der Investmentbranche.
NXT Assets ist ein Emittent physisch besicherter Krypto-ETPs. Zu den Partnern zählen unter anderem Crypto Finance und 360T (Konzernunternehmen der Gruppe Deutsche Börse), Vontobel, Bergos und Interactive Brokers, sowie seit März 2025 auch Flatex Degiro. Alle Produkte sind Bafin-reguliert und an Börsen in Deutschland und der Schweiz gelistet. Die hinterlegten Krypto-Assets sind vollständig physisch gesichert und in Cold Wallets bei lizenzierten Partnern in Deutschland verwahrt. Das Angebot richtet sich an private, professionelle und institutionelle Anleger.