„Gefahr, dass Sie Ihren Kredit nie ablösen können“ Verbraucherschützer warnen vor Angeboten von Immobilien-Influencern
Die Vorwürfe gegen den als „Immo Tommy“ bekannte Influencer Tomislav Primorac haben in den vergangenen Tagen für Aufsehen gesorgt. Inzwischen hat sich Immo Tommy selbst zu Wort gemeldet und Fehler eingeräumt. Die Zusammenarbeit mit einigen Firmen habe er schon vor Monaten beendet, heißt es in einem über die Plattformen Youtube, Instagram und Tiktok veröffentlichten Video. Die Verantwortung sieht er teils auch bei den Käufern selbst. Beim Immobilienkauf gehöre schließlich auch ein Stück Eigenverantwortung dazu.
Verbraucherschützer warnen indes eindringlich davor, sich auf die Versprechen von Immobilien-Influencern zu verlassen. „Am Ende profitieren oft allein das Netzwerk der Influencer und die finanzierenden Banken und Sparkassen“, schreibt die Verbraucherzentrale Hamburg, ohne den Influencer Immo Tommy beim Namen zu nennen. „Gelockt werden die Interessenten oft mit einem All-Inklusive-Service“, heißt es in der Veröffentlichung weiter. Geworben werde mit einem Netzwerk von Experten, die sich von der Immobilienauswahl über die Finanzierung bis zur Mietersuche um alle Belange kümmern würden. „Tatsächlich ist darauf aber nur wenig Verlass“, heißt es weiter.
Kritik an „hohen und intransparenten Zahlungen“ an Influencer
Hinzu komme, dass der Wert der Immobilie oft nicht der Höhe des Kaufpreises entspreche. Käufer müssten zudem „hohe und intransparente Zahlungen“ an Influencer leisten. Auch vor den Finanzierungsverträgen warnen die Verbraucherschützer: „Es besteht die Gefahr, dass Sie mit der Ablöse des Kredits nie fertig werden“. Die Verbraucherzentrale habe mehrere solcher Verträge geprüft, bei denen der gesamte Kaufbetrag über einen Bausparvertrag finanziert werden sollte. „Eine sehr unübliche Praxis“, heißt es in der Veröffentlichung.
Vorgesehen sei, dass der Käufer jahrelang nur die Zinsen für den Bankkredit zahle, in die Tilgung des Darlehens fließe kein Cent. Erst nach vielen Jahren werde der Kredit vom Bausparvertrag abgelöst und erst dann beginne die eigentliche Rückzahlung des Darlehens. Sehr unüblich und mit hohem Risiko für den Käufer verbunden sei auch die Praxis, das Gespräch mit der Bank erst nach Unterschrift unter den Kaufvertrag zu suchen. Ein Fall, in dem es so gelaufen sei, sei den Verbraucherschützern bekannt. „Platzt die Finanzierung, besteht der Vertrag über den Hauskauf natürlich weiterhin“, so die Warnung.
Die Verbraucherzentrale fordert, Influencer für ihre Aussagen haftbar zu machen: „Es darf nicht sein, dass sie Menschen von für sie nachteiligen Geschäften überzeugen und dafür keine Verantwortung übernehmen.“
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Betroffene können Schadensersatz verlangen
Die auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei AKH-H vertritt nach eigener Aussage Mandanten, die über das Netzwerk von „Immo Tommy“ Immobilien gekauft haben. Die Wohnungen seien in sehr schlechtem Zustand, versprochene Sanierungsarbeiten wurden nicht durchgeführt. Der Fall erinnere an den Skandal um die sogenannten Schrottimmobilien in den 90er Jahren, heißt es von der Kanzlei. Auch damals hätten Privatanleger „ohne oder mit wenig Eigenkapital völlig überteuerte Wohnungen hunderte Kilometer von ihrem Wohnort entfernt inklusive Finanzierung“ erworben.
Betroffene haben laut AKH-H verschiedene Möglichkeiten, Schadensersatz zu verlangen oder sogar eine Rückabwicklung des Kaufvertrags zu erwirken. So sei es möglich, dass der Verkäufer seine Aufklärungspflicht verletzt habe. Auch Vermittler und Berater könnten haftbar gemacht werden, wenn sie den Käufer nicht ordnungsgemäß beraten hätten. In Einzelfällen komme sogar ein Widerruf des Darlehensvertrags in Betracht. Betroffene sollten sich von einem Anwalt beraten lassen, um prüfen zu lassen, welche Schritte sinnvoll seien.
Verbraucheranwalt rät von Klage gegen „Immo Tommy“ ab
Auch Rechtsanwalt Claus Goldenstein von der gleichnamigen Kanzlei, die unter anderem im Abgasskandal und bei Online-Wetten tausende Verbraucher vertritt, sieht eine rechtliche Grundlage für Schadensersatz-Forderungen: „Betroffene Immobilienkäufer wurden offensichtlich getäuscht und haben grundsätzlich die Möglichkeit, Schadensersatzansprüche geltend zu machen.“ Aus juristischer Perspektive seien entsprechende Klagen erfolgversprechend.
Dennoch rät der Verbraucheranwalt von Klagen ab: „Solche Klagen sind mit einem vergleichsweise hohen Risiko verbunden, denn die Anwalts- und Verfahrenskosten können sich aufgrund der sechs- bis siebenstelligen Streitwerte schnell auf mehrere Zehntausend Euro belaufen.“ Zwar müsse die Gegenseite diese Kosten im Erfolgsfall einer Klage übernehmen. „Doch erfahrungsgemäß melden Einzelunternehmer und Privatpersonen Insolvenz an, sofern sie mit einer derartigen Klagewelle konfrontiert sind“, sagt Goldenstein. Dann würden die betroffenen Kläger im schlimmsten Fall trotz eines positiven Urteils nicht nur kein Geld zurückerhalten, sondern auch auf den hohen Prozesskosten sitzen bleiben.