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Restschuldversicherungen
Verbraucherschützer und Versicherer streiten vor Gericht um Psycho-Klausel
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Restschuldversicherungen Verbraucherschützer und Versicherer streiten vor Gericht um Psycho-Klausel

Depression
Depression: Die Verbraucherzentrale NRW hat wegen einer problematischen Klausel zu psychischen Krankheiten in der Restschuldversicherung gegen die Société Générale geklagt. | Foto: Gioele Fazzeri / Pixabay

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen hat vor Gericht einen juristischen Sieg in der nicht unumstrittenen Sparte der sogenannten Restschuldversicherungen erstritten. Diese auch als Ratenschutzversicherungen bekannten Policen werden Privatkunden sehr häufig bei Abschluss eines Darlehensvertrages mit vermittelt. Sie sollen etwa im Fall von Arbeitsunfähigkeit die Raten für einen laufenden Kredit übernehmen – je nach Vertrag für einen bestimmten Zeitraum, meistens für ein Jahr. Dabei gilt aber oft ein Ausschluss für psychische Krankheiten. Betroffen von diesen Leiden ist aber mehr als ein Drittel aller Menschen, die vorzeitig aus dem Beruf ausscheiden. 

Klage gegen die Société Générale 

Ganz konkret klagten die Düsseldorfer Verbraucherschützer jetzt gegen die Société Générale (Sogecap) mit Niederlassung in Hamburg. Denn deren Vertragsbedingungen stünden beispielhaft für ein „verbreitetes Problem“, erklärt Rita Reichard. „Wir halten die Ausschlussklausel für psychische Erkrankungen in Restschuldversicherungsverträgen des Versicherers Sogecap für unwirksam“, so die zuständige Mitarbeiterin der Verbraucherzentrale NRW weiter. „Alle Versicherten, die in der Vergangenheit Ansprüche wegen psychischer Erkrankungen geltend gemacht haben, bekamen vermutlich eine Ablehnung.“ 

 

Gericht hält Klausel für unwirksam 

Auch das Landgericht Hamburg hält diesen Ausschluss für unwirksam, berichtet Reichard. Demnach sei die bisherige Ausschlussklausel „psychische Erkrankungen“ zu weit gefasst. Sie greife auch bei nicht behandlungsbedürftigen psychischen Krankheiten. Anders sei es beim Ausschluss für „behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen“. Nach der beanstandeten Klausel reicht zudem eine sogenannte Mitursächlichkeit aus. Das heißt: Bereits wenn das psychische Leiden nur eine Begleiterkrankung einer anderen Krankheit ist, kann der Versicherer die Leistung verweigern. Dies benachteilige die Verbraucher unangemessen, entschieden die Hamburger Richter. 

Kunden können rechtlich vorgehen 

Ihr Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig; die deutsche Niederlassung des französischen Konzerns hat Berufung eingelegt. „Damit muss die Versicherung den von uns geltend gemachten Folgenbeseitigungsanspruch zunächst nicht umsetzen“, sagt Reichard. Das Unternehmen „kommt also erst mal umhin, alle Versicherten zu informieren, dass der Risikoausschluss nicht wirksam ist und vergangene Leistungsverweigerungen keinen Bestand haben.“ Die betroffenen Versicherten könnten trotz der eingelegten Berufung durch die Sogecap aber schon jetzt aktiv werden und rechtlich gegen die Ablehnung vorgehen. 

Verjährungsfrist wichtig für Betroffene 

Moritz Schumann
Moritz Schumann © GDV

Ende dieses Jahres verjähren die Ansprüche von Kunden, die ihre Ansprüche 2021 gegenüber dem Versicherer geltend gemacht und im selben Jahr eine Ablehnung erhalten haben. „In diesem Fall können Betroffene entweder den Versicherer erneut zur Leistung unter Berufung auf das Urteil des Landgerichts Hamburg auffordern oder anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen“, erklärt Reichard. „Wer eine Leistungsablehnung 2022 oder später erhielt, kann noch die Entscheidung des Berufungsverfahrens vor dem Oberlandesgericht Hamburg abwarten, sollte das Gericht bis Ende 2025 entscheiden.“ Erst dann verjähren abgelehnte Ansprüche aus dem Jahr 2022. 

Verbraucherzentrale rät allgemein ab 

„Auf jeden Fall können Versicherte der Sogecap versuchen, unter Berufung auf das Urteil den Versicherer zum Verzicht auf die sogenannte Einrede der Verjährung aufzufordern, bis die rechtliche Frage geklärt ist“, erklärt Reichard. „Wenn der Versicherer sich darauf einlässt und den Verzicht schriftlich bestätigt, bedeutet dies, dass er sich auf die an sich eingetretene Verjährung nicht berufen darf.“ Von neuen Restschuldversicherungen rät die Verbraucherzentrale NRW in jedem Fall ab. Denn sie seien in der Regel sehr teuer und schließen Leistungen in vielen Fällen aus; sie zahlen zudem nur für einen begrenzten Zeitraum und haben oft Wartezeitklauseln. 

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Restschuldversicherungen als Kostenfalle 

„Wir kritisieren diese Angebote seit Jahren“, berichtet Reichard. „Denn statt in eine Absicherung führen Restschuldversicherungen viele Menschen in die Verschuldung bis hin zur Insolvenz.“ Der Grund: In der Regel werde eine solche Police durch einen hohen Einmalbeitrag mit dem Darlehen mitfinanziert – und erhöhe damit die Schuldensumme. Zudem werden die Kosten für die mitfinanzierte Restschuldversicherung bei der Angabe des effektiven Jahreszinses nicht berücksichtigt. Der tatsächliche Effektivzins werde also nicht genannt. Die höhere monatliche Ratenbelastung führe häufig nach kurzer Laufzeit zu finanziellen Engpässen. 

Gefahrenhinweise verunsichern Unversicherte 

Die Betroffenen wendeten sich dann wieder an ihre Bank und erhielten das Angebot, ein höheres Darlehen mit neuer Restschuldversicherung abzuschließen, um den alten Kredit abzulösen. Diese „Kettenratenkredite“ mit immer wieder neuer Restschuldversicherung führten dann über die Jahre zu hohen Schulden. Die Banken hingegen erhielten als Vermittler der Versicherungen teilweise sehr hohe Provisionen. Sie versuchten daher, Verbraucher zum Vertragsabschluss zu bewegen. Reichard nennt als Beispiel hierfür: Bei Abwahl der Versicherung erscheint der verunsichernde Hinweis „Ich trage alle Kosten und Risiken selbst“. Letzteres sei aber oft die kostengünstigere Wahl.  

 

Verfassungsbeschwerde gegen Cooling-off 

 Doch die Assekuranz wehrt sich juristisch dagegen, das lukrative Geschäft mit Restschuldversicherungen stärker einzuschränken und warnt wieder vor Überregulierung. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat daher aktuell zusammen mit 22 Unternehmen eine Verfassungsbeschwerde gegen das temporäre Abschlussverbot eingereicht, das Verbraucher vor subtil erwirkten Abschlüssen schützen soll. Nach den Vorgaben des Zukunftsfinanzierungsgesetzes dürfen Restschuldversicherungen ab Januar frühestens eine Woche nach den entsprechenden Darlehensverträgen abgeschlossen werden. 

GDV: „Cooling-Off-Phase europarechtswidrig” 

„Diese Cooling-Off-Phase ist aus unserer Sicht europarechtswidrig”, kritisiert Moritz Schumann, stellvertretender GDV-Hauptgeschäftsführer. Denn laut der EU-Verbraucherkreditrichtlinie  sollen Versicherer ihren Kunden eine Restschuldversicherung zeitgleich zum Abschluss eines Darlehensvertrages anbieten können. Die in Berlin einflussreiche Dachorganisation der privaten Versicherer hierzulande weist zudem auf die 30-tägige Widerrufsfrist hin. Binnen 30 Tagen können Versicherte bereits heute ihren Vertrag rückgängig machen, wenn sie sich umentscheiden haben. Das einwöchige Abschlussverbot in der Restschuldversicherung sei daher gar nicht erforderlich. 

Versicherer reichen Verfassungsbeschwerde ein 

Der GDV-Vertreter kritisiert am geplanten Abschlussverbot außerdem: Autokäufer werden ihren neuen Wagen zukünftig erst eine Woche später versichern können, wenn sie ihn per Bankkredit finanziert haben. Den Kunden werde somit die Wahl genommen, sich sofort nach dem Kauf zu versichern, argumentiert der GDV. Das Problem: Erst mit einer elektronischen Versicherungsbestätigung (eVB) ist es möglich, ein Fahrzeug in Deutschland an- oder umzumelden. Insgesamt bewertet der Gesamtverband der deutschen Versicherer das Abschlussverbot als unverhältnismäßig starken Eingriff des Gesetzgebers.  

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