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Aktualisiert am 28.01.2020 - 12:58 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 4 Minuten

Verkaufstipps für Berater: Manipulation gehört dazu

Frieder Gamm
Frieder Gamm

DAS INVESTMENT.com: Was bedeutet der Titel Ihres Buchs „Verhandlungen gewinnt man im Kopf“?

Frieder Gamm: Viele glauben, dass bei Verhandlungen vor allem Preise und ähnliche harte Fakten zählen. Das ist aber nur eine Seite der Wahrheit. Die Softfaktoren sind mindestens ebenso wichtig.

DAS INVESTMENT.com: Was meinen Sie mit Softfaktoren?

Gamm: Jeder Mensch konstruiert und interpretiert die scheinbar so reale Welt im eigenen Kopf. Man vergleicht zum Beispiel eine aktuelle Situation mit anderen, die man in der Vergangenheit erlebt hat. Oder man stellt Ähnlichkeiten zwischen Personen fest und trifft daraufhin Entscheidungen. All das findet – meist unbewusst - im Kopf statt. Wenn man weiß, was im eigenen Kopf abläuft und mit großer Wahrscheinlichkeit im Kopf der Verhandlungspartner, kann man dies berücksichtigen und besser verhandeln.

DAS INVESTMENT.com: Zum Beispiel?

Gamm: Es kann beispielsweise wichtig sein, das Belohnungssystem des Kunden zu stimulieren, indem man ihm schon vorab Wertschätzung entgegenbringt. Man braucht ihm bloß einen Parkplatz mit seinem Namen zu reservieren - und schon fühlt er sich gut behandelt Das spiegelt sich dann auch bei den Verhandlungen wider. Muss er hingegen beim Empfang warten, tritt das Gegenteil ein.

DAS INVESTMENT.com: Wie würden Sie die Kernaussage Ihres Buchs in einem Satz zusammenfassen?

Gamm: Strategie ist der Sieg der Einfälle in der Vorbereitung über die Zufälle in der Verhandlung. Ein guter Berater muss voraus denken, wie ein Verkaufsgespräch in den Köpfen der Beteiligten ablaufen wird, und entsprechend planen.

DAS INVESTMENT.com: In Ihrem Buch beschreiben Sie wissenschaftliche Experimente wie das Diktatorspiel oder das Gefangenendilemma, wo es um kooperatives Verhalten geht. Was haben diese Rollenspiele mit realen Verhandlungssituationen zu tun?

Gamm: Diese Experimente bilden Verhandlungen und ihre wichtigsten Elemente in ganz verdichteter Form ab. In beiden Fällen geht es um Entscheidungen, um Vertrauen und Fairness sowie um Geben und Nehmen. All dies ist bei Verhandlungen von grundlegender Bedeutung. Wir können daraus lernen, welche Systeme im Kopf beteiligt sind und welche nicht. Das erlaubt uns vorherzusagen, was passiert, wenn jemand sich unfair behandelt fühlt oder wenn sein Vertrauen missbraucht wird.

DAS INVESTMENT.com: Und was passiert?

Gamm: Die Menschen neigen dann zum altruistischen Bestrafen. Das bringt ihnen selbst zwar keine materiellen Vorteile, aber ihr eigenes Belohnungssystem wird dadurch stimuliert. Rational sind solche Verhaltensweisen nicht nachzuvollziehen.

DAS INVESTMENT.com: Können Sie das am Beispiel eines der Experimente erklären?

Gamm: Beim Diktatorspiel beispielsweise bekommt eine Versuchsperson eine hypothetische Geldsumme, die sie mit einer anderen Versuchsperson teilen muss. Welchen Anteil sie dem zweiten Versuchsteilnehmer abgibt, bleibt ihr dabei selbst überlassen. Die zweite Person kann diese Summe annehmen oder ablehnen. Lehnt sie ab, bekommt keiner von den beiden das Geld. Logisch müsste die zweite Versuchsperson jede Summe annehmen, da wenig ja immer noch besser als nichts ist. In der Praxis lehnen die Versuchspersonen jedoch häufig Summen, die sie als unfair empfinden, ab.

DAS INVESTMENT.com: „Man muss manipulieren und berechnend sein, um seine Ziele zu erreichen“, das ist ein Zitat aus Ihrem Buch. Wie haben Sie das gemeint?

Gamm: Mit „berechnend sein“ meine ich, dass man sein Ziele sowie den Weg dorthin kennen muss.

DAS INVESTMENT.com: Und Manipulieren?

Gamm: Das ist die kreative Umsetzung des Weges. Das landläufig negativ klingende Wort „Manipulation“ wird auch mit „beeinflussen“ definiert. Das ganze Leben besteht aus „Be-Einflüssen“, die auf uns ständig wirken. Bei einer Verhandlung oder einem Verkaufsgespräch kommt es darauf an, diese so zu gestalten, dass sie einem bei der Zielerreichung behilflich sind.

DAS INVESTMENT.com: Und wie schafft man das?

Gamm: Zum Beispiel indem man versucht, Gemeinsamkeiten mit dem Kunden herzustellen. Wenn man also weiß, dass der Kunde gerne Rad fährt, erzählt man beiläufig von einem schönen eigenen Fahrradausflug. Das schafft eine angenehme Atmosphäre und Sympathie.

DAS INVESTMENT.com: Sie finden es also moralisch nicht verwerflich, einen Kunden zu manipulieren, um die eigenen Ziele, also den Vertragsabschluss, zu erreichen?

Gamm: Wann immer wir den Mund aufmachen, manipulieren wir. Das fängt schon bei einem hungrigen Baby an, das durch Schreien seine Eltern dazu bringt, es zu füttern. Und was Ethik und Moral betrifft: Das sind sehr schöne Begriffe. Doch wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, ist Moral das erste, was auf der Strecke bleibt.

DAS INVESTMENT.com: Meinen Sie das ernst?

Gamm: Ja. Aber eigentlich steht es mir nicht zu, über Moral und Ethik zu richten. Jeder definiert es anders. Das Interpretieren von Wahrheit gehört mit zum Spiel. Wer beim Verhandeln nie schummelt und auch vom Gegenüber absolute Ehrlichkeit und Geradlinigkeit erwartet, an dem läuft das Spiel vorbei. Weitere Informationen über die Verhandlungstrainings von Frieder Gamm finden Sie hier.

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