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Verlierer des Jahres 2018 Deutschland am Gipfel

Ernst Konrad und Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer von Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement und Fondsmanager der Phaidros Funds
Ernst Konrad und Georg Graf von Wallwitz, Geschäftsführer von Eyb & Wallwitz Vermögensmanagement und Fondsmanager der Phaidros Funds

Eine alte Börsenweisheit besagt, dass es besser ist, in Ländern zu investieren, in denen Bier getrunken wird – Großbritannien, Deutschland und Nordeuropa, USA, Japan, China, Australien, Korea – als in weinlastigen Gegenden wie Italien, Frankreich, Spanien, Österreich, Ungarn, Argentinien oder gar in Ländern, die auf Schnaps schwören (weite Teile Osteuropas sowie der „Tequila-Gürtel“ in Mittelamerika). Offensichtlich muss man im Falle Großbritanniens heute ein großes Fragezeichen hinter die alkohol-konsum-abhängige Länderallokation machen. Zu irrational und unvorhersehbar ist die politische Klasse dort, mit unabsehbaren Folgen für das wirtschaftliche und soziale Gefüge des Landes. Es gibt aber noch einen zweiten Abstiegskandidaten aus der Bier-Liga: Deutschland.

Erster Glücksfall für Deutschland: Agenda 2010

Die letzten 20 Jahre waren zweifellos gut für Deutschland. Zunächst beendete das Land die bleierne Zeit unter Helmut Kohl, aus welcher keinerlei nennenswerte wirtschaftspolitische Reform in Erinnerung geblieben ist. Auf das ewige „Weiter so“ folgte die rot-grüne Agenda 2010, die den Arbeitsmarkt reformierte, die Überkreuzbeteiligungen in der Deutschland-AG teilweise auflöste sowie die Altersvorsorge und das Steuerrecht reformierte. Die Lohnstückkosten sanken und die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands innerhalb Europas nahm gewaltig zu.

Einführung des Euro – Deutschlands zweiter Glücksfall

Deutschlands zweiter Glücksfall war die Einführung des Euro. Zunächst hat das niemand gemerkt, denn die D-Mark wurde zu einem zu hohen Kurs in den Euro eingebracht. Aber das wuchs sich bald aus. Die Gemeinschaftswährung war aus guten Gründen bald erheblich schwächer als die D-Mark, allen anderslautenden Schwüren bei ihrer Einführung zum Trotz. Deutschlands Industrie war so stark wie in ihren besten Zeiten, aber dies ging nicht mit einer Aufwertung der Währung einher. Die deutschen Exporteure konnten – anders als etwa die Kollegen aus der Schweiz – ihre Gewinne ungeschmälert einstreichen und in eine immer effizientere Produktion investieren. Der natürliche Ausgleichsmechanismus zwischen erfolgreichen und weniger effizient produzierenden Ländern war außer Kraft gesetzt und kein Land profitierte davon so gewaltig wie Deutschland. Dass dieser Erfolg erkauft wurde durch die Akkumulation von Schulden des Europäischen Auslands, tat der guten Stimmung und dem Gefühl des neuen Wohlstands keinen Abbruch. Das Unglück der Italiener und Griechen, im Euro gefangen zu sein, ist nur das hässliche Spiegelbild des deutschen Glücks.

Die Euro-Mitgliedschaft brachte noch einen weiteren gewaltigen Vorteil: Für Deutschland waren die Zinsen spätestens seit 2012 deutlich zu niedrig. Der Preis des Geldes lag nahe Null, obwohl Deutschland einen Preisauftrieb von zwei Prozent zu verzeichnen hatte und die Wirtschaft florierte. Das führte zu erstaunlichen Immobilienpreisen und einer Sonderkonjunktur beim Bau. Auch diese Industrie hatte unverdientes Glück.

Dritter Glücksfall: China auf dem Weg zum Weltexporteur

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Drittens widerfuhr Deutschland seit Mitte der 1990er-Jahre ein unwiederbringliches Glück: China hatte beschlossen, die Werkbank der Welt zu werden. Für ihren Aufstieg benötigten die Chinesen nichts so sehr wie Rohstoffe (das war Australiens und Brasiliens Glück) und Maschinen. Letztere kamen meist aus Mitteleuropa, insbesondere aus Deutschland. Diese Sonderkonjunktur bescherte einer ganzen Generation von Mittelständlern ein unübersehbar großes Betätigungsfeld mit satten Gewinnen. Der Anteil des China-Geschäfts wuchs beispielsweise bei Unternehmen wie Knorr-Bremse oder BMW auf ein knappes Fünftel. Ohne China wären Umsatz und Ertrag in den letzten Jahren vermutlich kaum gestiegen. BMW etwa verkaufte im Jahr 2009 in China 91.000 Autos, im Jahr 2017 waren es bereits mehr als 594.000 Stück, setzte dort 18 Milliarden von 98 Milliarden Euro um. Deutschland befand sich wie kaum ein anderes Land am sweet spot der Weltkonjunktur.

Wie geht es mit Deutschland weiter?

Von den drei Glücksfällen war nur der erste geplant, und keiner der drei lässt sich wiederholen. Ohne die Sondereffekte wird sich Deutschland aber bald mit einigen unangenehmen Realitäten konfrontiert sehen. Die Reformen der Agenda 2010 werden in der Schlussphase der Ära Merkel langsam wieder zurückgedreht. Die Investitionen gehen – entgegen dem Rat aller ernstzunehmenden Ökonomen – im Bundeshaushalt sogar zurück. Die wieder anwachsende Bürokratie wird mittelfristig ebenso auf der wirtschaftlichen Entwicklung lasten wie die viel zu geringen Investitionen des Staates, dem eine „schwarze Null“ und hohe Renten wichtiger waren als eine leistungsfähige Infrastruktur.

Der Euro wird mittelfristig entweder auf ein tragfähiges Fundament gestellt (das heißt es wird ein fiskalisches Transfersystem geschaffen beziehungsweise der monetäre Ausgleich über die Target-Salden wird unendlich weitergeführt) oder er fällt auseinander. Beides wäre für Deutschland sehr teuer und würde die Wettbewerbsfähigkeit erheblich belasten zu einer Zeit, in der die Zinsen steigen und das Immobilien-Nirvana sich dem Ende zuneigt.

Und schließlich baut China mittlerweile seine Autos und Maschinen selbst und wird als Wachstumstreiber ausfallen. Im Gegenteil, es tritt zunehmend als Konkurrent auf. Die Globalisierung wird zurückgedreht und Deutschlands Exporteure werden auf immer weniger offene Märkte treffen. Das Land lebt von Industrien, die zunehmend alt aussehen. Das Automobil ist nicht die Schlüsselindustrie des 21. Jahrhunderts. Auch die Chemie-Industrie und der Maschinenbau machen keine großen Innovationssprünge. Bei Software, digitalen Diensten, Künstlicher Intelligenz oder Chiptechnologie sind andere Länder führend.

Der Deutsche Aktienindex deutete 2018 bereits an, wohin die Reise geht mit der wirtschaftlichen Entwicklung in Deutschland. Die Realität könnte bald nachziehen.

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