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Vermasselnde Briten So bewerten Anlage- und Wirtschaftsprofis das Brexit-Desaster

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Neil Dwane, globaler Stratege bei Allianz Global Investors, schickte einen englischsprachigen Kommentar, allerdings gibt es auch eine Zusammenfassung in Stichpunkten

  • Theresa May hat die Brexit-Abstimmung im britischen Parlament überraschend deutlich verloren. Den Misstrauensantrag wird sie jedoch vermutlich überstehen.
  • Eine Verschiebung des Austrittsdatums Großbritanniens aus der EU – 29. März 2019 – ist wahrscheinlicher geworden.
  • Anleger und Unternehmen müssen sich auf eine Vielzahl von Szenarien und anhaltende Unsicherheit einstellen.
  • Wie auch immer ein Brexit am Ende vonstattengehen wird, mehr Reibungen im Handel mit Europa scheinen unvermeidlich. Dies wird sich auf die EU-Mitgliedstaaten, das Vereinigte Königreich und die verschiedenen Sektoren unterschiedlich auswirken. Großbritannien wird Zeit und eine aktive Handelspolitik benötigen, um die Auswirkungen der Handelsverluste mit der EU abzumildern, vollständig auszugleichen wird dies aber wohl nicht sein.
  • Brexit bedeutet eine holprige Fahrt für britische Vermögenswerte. Der britische Aktienmarkt ist aber nicht die britische Wirtschaft. 70 Prozent des Umsatzes der FTSE-100-Unternehmen werden im Ausland erzielt. Daher könnte sich die Dichotomie der Aktienentwicklung zwischen international und national orientierten britischen Unternehmen fortsetzen.

Achim Berg, Präsident beim Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom)

Mit der Ablehnung des Brexit-Deals droht Europa ein Datenchaos. Sollte die EU-Kommission die Austrittsfrist nicht verlängern, gilt jetzt das Worst-Case-Szenario. Ab dem 30. März 2019 müssen deutsche Unternehmen ihre britischen Geschäftspartner und Kunden, dortige Rechenzentren oder IT-Dienstleister behandeln, als säßen sie außerhalb der EU. Schlimmer noch: Der Datenverkehr mit einem Land wie zum Beispiel Uruguay ist ab dem 30. März einfacher als mit dem Vereinigten Königreich. Wer dies missachtet, und zum Beispiel Kunden- oder Auftragsdaten im Vereinigten Königreich verarbeiten oder speichern lässt, verstößt gegen die Datenschutzgrundverordnung – mit den bekannten hohen Bußgeldrisiken. Es sei denn, die Unternehmen haben die explizite Einwilligung jedes einzelnen Betroffenen eingeholt, unzählige Verträge mit sogenannten Standardvertragsklauseln angepasst oder sich als Konzern verbindliche interne Datenschutzvorschriften genehmigen lassen. Diese Umstellungen sind enorm aufwendig und in der kurzen verbliebenen Zeit vor allem für KMU kaum zu schaffen. Wer sich auf diesen Fall nicht vorbereitet hat, für den heißt es: In den Notfall-Modus schalten und umgehend sämtliche Datenströme überprüfen, die in das Vereinigte Königreich führen könnten.

Karen Watkin, Portfoliomanagerin bei Alliance-Bernstein (AB)

Die größer als erwartet ausgefallene Niederlage der Regierung von Theresa May signalisiert den Anfang einer Entscheidung für die Brexit-Frage. Auch wenn das Abkommen, das May mit der Europäischen Union (EU) ausgehandelt hat, abgelehnt wurde: Die meisten Parlamentarier sind bestrebt, einen ungeregelten Austritt zu vermeiden. Damit sind ein geänderter Deal und sogar gar kein Brexit durchaus immer noch das realistischste Ergebnis.

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