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Vermögensverwalter-Kolumne Aktienrückkäufe in den USA – ein zweischneidiges Schwert?

Thomas Heidel, Leitung Research bei Fidal: „Dividendenkürzungen führen häufig zu einer Missstimmung der Anleger
Thomas Heidel, Leitung Research bei Fidal: „Dividendenkürzungen führen häufig zu einer Missstimmung der Anleger
Eine aktuelle Reuters-Studie belegt, dass seit 2010 von fast 3.300 öffentlich gehandelten Aktiengesellschaften (ohne Finanzunternehmen) in den USA circa 60 Prozent eigene Aktien zurückgekauft haben. In den letzten Quartalen gaben die S&P 500-Unternehmen immer mehr Geld für Rückkäufe eigener Aktien als für Dividendenzahlungen an die Aktionäre aus. Im letzten Quartal 2015 wurden 104 Milliarden US-Dollar als Dividenden ausbezahlt und 137 Milliarden US-Dollar für die Rückkäufe von Unternehmensanteilen ausgegeben.

Vor- und Nachteile: Rückkauf versus Dividendenzahlungen

Es gibt viele Gründe, warum US-Unternehmen den Rückkauf eigener Aktien der Zahlung oder Erhöhung von Dividenden vorziehen. Weil besonders bei Substanzwerten die Kontinuität und die Höhe der Dividendenzahlungen wichtig sind, schränkt der „Gewöhnungseffekt“ der Anleger an das regelmäßige Dividenden-Einkommen die Flexibilität der Unternehmen bezüglich der Verwendung ihrer Gewinne ein.

Dividendenkürzungen führen häufig einerseits zu einer Missstimmung der Anleger über die Fähigkeit des Managements und andererseits zu einer Enttäuschung der Ertragserwartungen und damit zu Kursverlusten, was eine Verringerung des Marktwertes der Unternehmen bedeutet. Dagegen ist es kein Problem für die Unternehmen, bei genehmigten Aktienrückkäufen den Zeitpunkt (meist nach der Bekanntgabe negativer Geschäftsergebnisse), den Preis und das Volumen der Rücknahme der Unternehmensanteile selbst zu bestimmen.

Die Anleger werten Aktienrückkaufprogramme normalerweise als positives Signal, da das Unternehmen neben den normalen Anlegern zusätzlich selber als Nachfrager auftritt, was preisunterstützend wirkt. Niedrige Aktienkurse wirken oft als Anreiz für die Konkurrenz, den günstig gewordenen Mitbewerber aufzukaufen. Die kurs- und damit wertsteigernde Wirkung eigener Aktienrückkäufe kann damit als Schutz vor der billigen Übernahme durch einen Konkurrenten dienen. Die zurückgekauften Aktien können als Kompensation für die Manager der eigenen Firma oder für Akquisitionen oder Fusionen mit Fremdfirmen genutzt werden.

Als weiterer positiver Nebeneffekt sinkt durch den Rückkauf die Zahl der ausstehenden Aktien, wodurch der Gewinn pro Aktie steigt, der für Anleger eine wichtige Orientierungsgröße darstellt. Seit 2012 sind die Gewinne pro Aktie um jährlich 6,2 Prozent gestiegen, ein Fünftel davon ist Aktienrückkäufen zu verdanken.

Viele Analysten stehen den Rückkaufaktionen der Unternehmen kritisch gegenüber. Zum einen bemängeln sie, dass die kurssteigernde Wirkung der Aktienrückkäufe nicht nur den „normalen“ Aktionären, sondern auch den führenden Managern des Unternehmens selbst zu Gute kommt, da diese einen Großteil ihres Gehalts über Aktienoptionen des Unternehmens generieren.



Die Geschäftsführung der Hälfte der S&P 500-Unternehmen verdient persönlich an Steigerungen des Gewinns pro Aktie; circa 60 Prozent profitieren von der Kursperformance der Aktien (einschließlich der Dividende). Die wertmäßig höchste Kurspflege für die Aktienkurse findet im Technologiesektor statt. Zum anderen wird oft kritisch gesehen, dass bei 30 Prozent der S&P 500-Firmen das Volumen der Aktienrückkäufe über dem freien Cash Flow der Unternehmen liegt, das heißt über Schuldenaufnahme finanziert wird. Zwar mag man es den Firmen beim aktuellen Niedrigzinsumfeld nicht verdenken, wenn sie sich bei den Gläubigern billig bedienen. Wenn eigene Aktien mit relativ hohen Dividendenrenditen erworben werden, entsteht eventuell sogar ein Netto-Überschuss.



Das wichtigste Problem der immensen Geldverwendung für Aktienrückkäufe – wie allerdings auch für hohe Dividendenzahlungen – ist, dass eventuell dadurch dringend notwendige Investitionen in neue Geschäftsfelder, Mitarbeiter oder Forschung unterbleiben. Seit 2010 betrugen die Aktienrückkäufe und die Dividendenzahlungen der US-Unternehmen 113 Prozent der Investitionen. In den USA mangelt es schon seit Jahren an der Investitionsbereitschaft der Unternehmen; aktuell stecken die S&P 500-Unternehmen nur elf Prozent ihres Cash Flows in die Forschung und weitere 29 Prozent in längerfristige Investitionen. Mit geringeren Ausschüttungen der Unternehmen und verstärkten Investitionen könnten die Wettbewerbsfähigkeit und die langfristige Gewinnerzielung der Unternehmen besser gesichert werden.

Allerdings sind neben den negativen Aspekten auch die positiven Effekte der Aktienrückkäufe für die allgemeine Markttendenz nicht zu vernachlässigen. Gerade bei einem Ausfall der Aktienkäufer, wie es am Jahresanfang geschehen ist, sind die „Buybacks“ der Unternehmen die stabilisierende Kraft am Aktienmarkt. Die US-Investment Firma Goldman Sachs sieht sogar die konzerneigene Nachfrage nach Aktien als treibende Kraft der letzten Markterholung.

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