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Vermögensverwalter Marco Herrmann: EZB setzt Euro unter Druck

Die EZB hat lange das Offensichtliche verneint, weil es nicht zum Wunschdenken passte: die Inflation. Doch seit dem Spätsommer 2022 stemmen sich jetzt auch die europäischen Währungshüter mit markanten Zinserhöhungen gegen die viel zu hohe Geldentwertung. Heute, rund ein Jahr später, liegt die Inflationsrate im Euroraum mit 4,3 Prozent noch immer deutlich über dem Zielwert von zwei Prozent. Trotzdem sieht die Notenbank keine Notwendigkeit für weitere Zinsanhebungen.
Im Gegenteil, einzelne Vertreter des EZB-Rats – primär aus Südeuropa – sprechen sogar schon von möglichen Zinssenkungen. Der politische Druck wird wohl allmählich zu groß, angesichts überbordender Staatsschulden und schwacher Konjunkturdaten.
Ganz anders sieht das in den USA aus, wo sich die Notenbank „hawkish“ gibt. Denn in ihrer Sitzung im September hat die Fed sehr deutlich klar gemacht, dass eine schnelle Abkehr von der restriktiven Geldpolitik unwahrscheinlich ist. Das Risiko einer zweiten Inflationswelle aufgrund höherer Energiepreise und steigenden Löhnen wird berechtigterweise als sehr hoch eingeschätzt. Das Motto für die Leitzinsen heißt „higher for longer“. Hoffnungen auf baldige Zinssenkungen erteilte die amerikanische Notenbank damit eine klare Absage.
Grenzen der EZB und Fed
Fairerweise muss man sagen, dass die Geldpolitik nur sehr begrenzten Einfluss auf einige der bedeutenden Inflationstreiber haben kann wie beispielsweise auf die Entwicklung von Nahrungsmittel- und Energiepreise. Hier sind vor allem Faktoren wie das Klima und die Geopolitik für die höheren Preise verantwortlich. Dennoch sendet es ein fatales Zeichen, wenn EZB-Notenbanker bereits jetzt laut über Zinssenkungen nachdenken.
Die vor rund einem Jahr begonnene Erholung des Euros gegenüber dem US-Dollar fand daher in den zurückliegenden Wochen ein abruptes Ende. Fast exakt vor einem Jahr war der Euro nur noch 0,95 US-Dollar wert, konnte sich dann aber wieder bis auf ein Niveau von 1,13 US-Dollar erholen. Mittlerweile bewegen wir uns wieder in der Mitte der Range der vergangenen zwölf Monate. Der langfristige Abwärtstrend, der seit dem Jahr 2008 besteht, bleibt damit intakt. Dafür spricht nicht nur die Markttechnik, sondern auch fundamentale Gründe lassen eine Trendumkehr unwahrscheinlich werden.
Seit Jahren verliert Europa an Wettbewerbsfähigkeit. In der Spitzentechnologie wie beispielsweise bei der Künstlichen Intelligenz spielt der alte Kontinent fast gar keine Rolle. Stattdessen fokussieren sich die Politiker in Brüssel und Berlin auf vermeintlich gut gemeinte Dinge wie den Green Deal und die Umverteilung von Wohlstand. So steht dann wohl auch die Vergemeinschaftung von Schulden vor dem nächsten Schritt. Es wäre keine Überraschung, wenn dadurch die Bonität der Eurozone und dem nicht mehr so leistungsfähigem Deutschland leiden würde.
Zudem besteht die Gefahr, dass Europa im Machtkampf zwischen USA und China zerrieben wird. Aufgrund der fehlenden Energieautarkie und der Unfähigkeit der Selbstverteidigung auf der einen Seite und der hohen Abhängigkeit vom chinesischen Markt auf der anderen Seite, kann Europa keinen der beiden Partner wirklich fallen lassen.
Sicherlich hat auch der US-Dollar mit vielerlei Problemen zu kämpfen. Die Staatsverschuldung ist auf den besten Weg italienische Verhältnisse zu erreichen. Gleichzeitig wollen die BRIC-Staaten die Dominanz der US-Währung im internationalen Handel brechen und mit einer eigenen, gold-gedeckten Währung, eine Alternative anbieten.
Dollar bleibt ohne ernsthafte Konkurrenz
Zudem werden zumindest die BRIC-Staaten aus politischen Gründen immer weniger ihrer Devisenreserven in den Greenback investieren. Doch noch fehlt es an echten Alternativen – der chinesische Yuan ist es derzeit noch nicht, da er auf keinem wirklich freien Markt gehandelt wird. Die
Gerüchte über den Tod des US-Dollar sind übertrieben. Und sehr wahrscheinlich gilt dies auch für den Euro. Denn das Währungsgeschäft ist ein relatives. Es gibt eigentlich kein Land, in dem alles rund läuft. Dem Ideal am nächsten kommt wohl nur der Schweizer Franken, auch wenn hier aufgrund der Fusion der Credit Suisse mit der UBS noch Risiken lauern.
Deshalb finden sich auch nur eine Handvoll Währungen, die über die Zeit gegenüber dem Euro aufwerten konnten. Doch nun nimmt mit den steigen Zinsbelastungen der Stress innerhalb der Staaten der Gemeinschaftswährung zu. Während die Südeuropäer in der Zeit vor dem Euro den Ausweg aus Krisen in Abwertungen sahen, war dies für die Nordländern keine Option. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im EZB-Rat, ist zu befürchten, dass die Südeuropäer den Ton angeben werden.

Fiduka-Depotverwaltung
Über den Autor:
Marco Herrmann ist seit 1992 für renommierte Banken und Fondsgesellschaften tätig. Seit 2010 verantwortet er als Geschäftsführer die Anlagestrategie der Fiduka.