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Vermögensverwalter Uwe Günther Aktienmärke entkoppeln sich von der Realwirtschaft

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Rechnet man diese heraus, stellt sich ein anderes, teilweise recht düsteres Bild dar. Selbst mit FAANG & Co. hat der S&P 500 seit März 2000 bis heute mit bescheiden anmutenden 5,6 Prozent pro annum rentiert. Das dürfte den einen oder anderen Börsen-Optimisten überraschen. Und Achtung: Um diese Wertentwicklung in die Zukunft fortschreiben zu können (einige bekannte Branchenkollegen sind noch deutlich optimistischer), müssten Rahmenbedingungen vorliegen, die selbst den größten Optimisten zweifeln lassen sollten. 

Blick in den Rückspiegel ist gefährlich

Die Strategie, einfach auf die Gewinner der Vergangenheit und deren Trend zu setzen, könnte sich in der näheren Zukunft als schwerer Irrtum erweisen. Waren es doch insbesondere Aktienrückkäufe, scheinbar grenzenlos zur Verfügung gestellte Notenbankliquidität, Hedgefonds- und Notenbankkäufe sowie ein verzerrter Zinsmarkt, die die Kurse in immer luftigere Höhen hievten. Aus den reinen Umsatz- und Ergebniszahlen sowie dem real zu erwarteten künftigen Unternehmenswachstums lässt sich die aktuelle und auch die erhoffte künftige positive Börsendynamik wohl kaum noch herleiten.

Auch die von vielen Fachkollegen oft bemühte Begründung der ewig niedrigen Zinsen könnte sich schnell als falsch entpuppen. Selbst die Notenbanken bestreiten in der Regel ihre Verantwortlichkeit für das niedrige Zinsniveau. Wenn dem so ist, geben die aktuellen Kapitalmarktzinsen vielleicht doch einen Vorgeschmack auf das künftige extrem geringe Wirtschafts-Wachstum, das der Markt à la Kosto früher oder später einpreisen dürfte. Damit wären die heute bereits in den Börsenkursen enthaltenen zukünftigen erhofften Gewinne im Märchenreich zu verorten.

Vielleicht gibt es aber dennoch ein bisher nicht ausreichend beachtetes Argument für extreme Unternehmensbewertungen und Börsenkurse. Sind es doch gerade die oben genannten Unternehmen, die seit langem einen Rohstoff in ihren Lagern anhäufen, der künftig von immer größerer Bedeutung sein wird: Daten. Doch es bleibt vorerst offen, inwieweit sich diese Schätze in der Zukunft - auch unter politisch-regulatorischer Sicht - in bare Münze wandeln lassen.     

Was bleibt ist wieder einmal die eher platte Erkenntnis, dass kaum jemand die Party beziehungsweise die Beraterherde zu früh verlassen möchte, um nicht als Verlierer dazustehen. Und dies trotz Kenntnis der historischen Fakten und oft simpler mathematischer Zusammenhänge. Die Börse ist und bleibt der wohl einzige Marktplatz, wo Menschen besonders gerne zu hohen und Höchstpreisen kaufen. „Geiz ist geil“ spielt sich nur im Supermarkt ab.

Vor diesem Hintergrund sollten insbesondere Anleger von Standard-Index-ETFs die Abhängigkeit ihrer Investitionen von wenigen gepushten Werten hinterfragen. Anhänger der Marketingthese, dass Aktienanlage trotz heftiger Rückschläge immer erfolgreich ist, wenn man nur genug Zeit mitbringt, könnten noch einmal mit spitzem Bleistift die verbleibende Zeit bis zum Rentenbeginn ins Verhältnis zur benötigten Durchschnittsrendite setzen. 

Und sind Aktien wirklich immer ein Investment wert? Oder spielt der zu zahlende Kaufpreis im Verhältnis zum künftig erwarteten Unternehmensgewinn vielleicht doch eine wichtigere Rolle als so mancher glaubt? Natürlich kann diese Schere noch deutlich weiter aufgehen. Schon heute sind erste Anzeichen eines Crack-Up Booms zu beobachten.

Doch wer glaubt, dass nach alter Kaufmannsregel der zukünftige Gewinn immer noch im günstigen Einkauf liegt, darf und sollte dementsprechend suchen und handeln. Wie sagte Kostolany? Wer an der Börse nicht an Wunder glaubt, der ist ein Realist.

Autor Uwe Günther ist Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer der BPM - Berlin Portfolio Management.

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