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„Vermögensverwaltung ist keine Performance-Rally“

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Aktives Management ist wohl aber gerade aufgrund der Störgrößen gefragt, die diese politischen Beeinflussungen im Markt auslösen.


Manuela Thies, Allianz Global Investors: Das ist richtig, wobei man aus meiner Sicht einiges auseinanderhalten muss. Etwa: Was sind die politischen Entwicklungen, wie interpretieren wir diese, wie interpretiert sie der Markt?

Auch für uns war zum Beispiel die vergangene FOMC-Sitzung keineswegs so negativ, wie sie der Markt zunächst aufgefasst hat. Wir investieren in unterschiedlichen Kapitalmärkten und müssen wissen, welche Einflussfaktoren zu beachten sind.

Neben der Politik beziehen wir eine große Zahl weiterer Aspekte ein, etwa die Bewertung der Anlageklassen, technische Faktoren, Marktzyklusmodelle und Liquidität. Zur Bestimmung unserer Investmentstrategie brauchen wir eine konkrete Einschätzung, wohin ein bestimmter Markt in näherer Zukunft tendieren könnte.

Markus Zipperer, Credit Suisse:
Wir investieren ja alle zukunftsorientiert. Das kann man ohne klare Einschätzung der Situation schwerlich tun – man braucht also eine Marktmeinung. Diese ist nicht nur für die strategische Allokation wichtig, um zum Beispiel eine Vorstellung zu haben, wo die Zinsen in fünf Jahren stehen könnten. Oder wie die Weltwirtschaft oder Unternehmensgewinne sich entwickeln. Sondern sie ist auch wichtig für die jeweilige kurzfristig angelegte Taktik.

Behnke:
Einspruch. Wenn man sich die Entwicklung der Märkte der vergangenen Jahre ansieht, kann man zu einer anderen Einschätzung kommen. Wer hätte erwartet, dass phasenweise alle Assetklassen so eng miteinander korreliert sind? Da gab es dann viele Marktmeinungen, die auf klassische Konzepte setzten – die leider nicht aufgingen. Insofern wird der Ruf nach Alternativen laut. Und wir vertreten den Standpunkt, dass da eine systematische, prognosefreie Strategie weiterhilft.

Erdmann: Aber wir haben auch gesehen, dass auch prognosefreie Ansätze ihre Probleme haben. Etwa 2011, als die Trends im Markt fehlten. Klassische Ansätze machten da eine bessere Figur. Darum treten wir dafür ein, unterschiedliche Strategien zu kombinieren.

Mir ist aber noch ein anderer Punkt wichtig: Bei vielen Anlegern ist angekommen, dass es in diesem Marktumfeld schwierig ist, ein Portfolio selbst managen zu wollen. Ich sehe aber schon wieder Wolken aufziehen, wenn etwa die Stiftung Warentest sogenannte Pantoffelportfolios empfiehlt, die sich Kunden aus Indizes selbst zusammensetzen sollen. Das ist wenig hilfreich. Wir müssen die Stärken von VV-Fonds also noch besser als bislang vermitteln.

Champigneulle: Und wir müssen es schaffen, Modethemen zu widerstehen. Vor einem Jahr standen viele Anleger der Eurozone sehr skeptisch gegenüber und wollten nur in Schwellenländer oder in die USA investieren. Wenn man jetzt aber die Situation in den Emerging Markets sieht, ist das Ergebnis enttäuschend.

Sind die Emerging Markets für Sie nicht mehr das gelobte Land?

Lecher:
Relativ zu den entwickelten Ländern sind die Emerging Markets ökonomisch gesehen sicherlich immer noch das gelobteste Land. Doch bekam man vor 10 oder 15 Jahren eine Risikoprämie für die besondere Unsicherheit der Schwellenländer, diese wurde mittlerweile über den Boom weggepreist.

Vom Wachstum in den Emerging Markets profitieren im Übrigen auch globale Unternehmen der entwickelten Welt stark. So sehen wir, dass diese globalen Multis im heutigen Umfeld eigentlich besser zurechtkommen, das Wachstum der Schwellenländer auszunützen. Diese Trendwende wird noch weitergehen, darum sind wir bei Schwellenländern aktuell vorsichtig positioniert.

Von Wallwitz:
In den Schwellenländern findet das Wachstum auf andere Weise statt als bei uns. Dort kommen immer mehr Leute in die Wertschöpfungskette. Es werden immer mehr Maschinen eingesetzt, alles wird immer kapitalintensiver. Das sind aber alles Dinge, die einem Aktionär bei dem Gewinn pro Aktie überhaupt nicht weiterhelfen. Die Wertentwicklung der Aktienmärkte hängt damit zusammen, ob etwas billig oder teuer ist.

Wenn Korea 1998 ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 3 oder 4 pro Aktie bot, war das attraktiver als der zeitgleich mit einem KGV von 30 oder 40 gepreiste Dow Jones oder Dax, und so musste die anschließende Outperformance der asiatischen Märkte nicht verwundern. Von daher ist es sicher schlauer, nicht pauschal vorzugehen, sondern auf die Fundamentaldaten zu schauen und wie einzelne Firmen von einer Entwicklung profitieren.

Lecher:
Interessant ist, dass die Schwellenländer neue Mitbewerber bekommen haben. Wenn der japanische Yen um 20 oder 30 Prozent abwertet, hat man plötzlich einen effektiven japanischen Konkurrenten mehr hier in Europa. Und die USA sind gerade wieder dabei, billig Energie zu erzeugen und sich zu reindustrialisieren. Das leitet Geldflüsse um, die vorher Schwellenländern zugutekamen.

Barthels:
Wobei wir auch mal klären sollten, was ein Emerging Market konkret ist. Wir tun so, als wüssten wir das alle. Aber zählt Singapur dazu? Oder Südkorea? Die Märkte haben kürzlich Singapur als Emerging Market behandelt, aber wenn man mal dort war, wird man das anders sehen. Anderes Beispiel: In der seriösen Tagespresse standen jetzt ghanaische Aktien auf Platz eins der Performance-Liste – wer will behaupten, dass diese in Anlegerportfolios wirklich eine Rolle spielen?

Zudem sollte man differenzieren, ob man in Emerging Markets auf der Aktien- oder Rentenseite investiert. Aktien kann man besser mit Siemens oder VW darstellen, andernfalls braucht man ausgeprägte Kenntnisse. Aber auf der Rentenseite sieht das etwas anders aus. Gerade wenn man staatsnahe Unternehmen nimmt, kann man vor allem im OECD-Raum mit den vorhandenen Wirtschaftsdaten arbeiten, um ein Gefühl dafür zu bekommen, welche Zinsen zu erwarten sind.

Thies:
Und wir sollten nicht nur auf kurzfristige Entwicklungen schauen. Wir haben auch einen Emerging-Markets-Balanced- Fonds aufgelegt, bei dem man für Anleger einen Investitionszeitraum von mindestens 5 Jahren zugrunde legen sollte – trotz der Möglichkeit, Renten hoch zu gewichten.

Denn hier kommt ja noch das Währungsrisiko hinzu. Seit Fondsauflage im vierten Quartal 2011 entwickelten sich Schwellenländeraktien- und -rentenmärkte sehr gut, aber in diesem Jahr gibt es eine Korrekturphase, und da muss man die Zeit haben, dies durchzuhalten.

Zipperer: In der Beratung arbeiten wir ebenfalls mit Fünf-Jahres-Annahmen, um den Kunden ein Gefühl zu geben, was er im Schnitt erwarten und mit welchem Risiko und welcher Volatilität er rechnen kann. Dass das dann von einer taktischen Komponente überlagert werden kann und man in einem Jahr wie 2011 auch mal von seinen langfristigen Prognosen abweicht, steht auf einem anderen Blatt.
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