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Aktualisiert am 29.01.2020 - 17:43 Uhrin FinanzberatungLesedauer: 6 Minuten

Vertriebstrainer Lothar Stempfle: „Der Berater muss die Wunde öffnen und den Finger rein legen“

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DAS INVESTMENT.com: Die Grundmaxime der meisten Verkaufsratgeber lautet aber, dass man zunächst eine Beziehung zum Kunden aufbauen muss, bevor man etwas verkauft. Ihre Vorgehensweise klingt nicht gerade nach Beziehungsaufbau.

Stempfle: Eine gute Beziehung zum Kunden ist schon wichtig. Doch der Beziehungsaufbau kommt erst am Schluss des „PPV-Gesprächs“. Viel wichtiger ist jedoch, die Beziehung zum vorherigen Anbieter zu zerstören. Denn ein Kunde, der mit seinem Anbieter zufrieden ist, würde diesen nicht wechseln.

DAS INVESTMENT.com: Und wie schaffen Sie das?

Stempfle: Indem ich meinem potenziellen Kunden ganz subtil die Mängel seiner bereits gekauften Produkte und damit die schlechte Leistung seines bisherigen Beraters aufzeige.

DAS INVESTMENT.com: Kommt das beim Kunden nicht falsch an? Wer will schon in eine schmutzige Auseinandersetzung zwischen Konkurrenten hineingezogen werden.

Stempfle: Deshalb muss der Berater auch subtil vorgehen. Am besten nimmt er seinen Vorgänger sogar noch in Schutz, gemäß dem Sprichwort „Umarme deinen Feind, damit machst du ihn bewegungsunfähig“.

DAS INVESTMENT.com: Können Sie das an einem Beispiel verdeutlichen?

Stempfle:
Nehmen wir einen Finanzberater, der feststellen muss, dass sein Vorgänger dem Kunden ein zu riskantes Produkt verkauft hat. Der Berater schildert nun die Risiken, unterstellt seinem Vorgänger aber keine böse Absicht, sondern geht davon aus, dass diesem die Risiken nicht bekannt waren. So hat er beim Kunden Unzufriedenheit mit seinem bisherigen Produkt und dem bisherigen Finanzberater geweckt, ohne etwas Negatives über den Letzteren gesagt zu haben.

DAS INVESTMENT.com: Das klingt aber stark nach Manipulation. Haben Sie keine moralischen Bedenken?

Stempfle: Nein. Wir befinden uns gerade in einem Verdrängungsmarkt. Zerstöre ich die vorherige Beziehung nicht, nimmt sich der Kunde Bedenkzeit und geht zu meinem Vorgänger und Konkurrenten, um bei diesem das von mir empfohlene Produkt zu kaufen. Denn bei einer intakten Beziehung zu beiden Beratern wird sich der Kunde naturgemäß für denjenigen entscheiden, mit dem er länger zusammenarbeitet. Und was den Manipulationsvorwurf betrifft: Manipulation ist für mich Einflussnahme, die zum Nachteil des Manipulierten geschieht. Verkaufe ich dem Kunden jedoch ein Produkt, das er tatsächlich braucht, ist das absolut in Ordnung. Und außerdem werden Manipulation und Beziehungsstörung sehr oft im privaten Bereich betrieben – häufig sogar unbewusst. Da wird aber nicht viel Aufhebens darum gemacht.

DAS INVESTMENT.com: Was war für Sie der Auslöser, um das PPV-Konzept zu entwickeln?

Stempfle: Ich war längere Zeit selbst im Finanzvertrieb tätig. Dort hatte ich mit einem phänomenalen Verkäufer zu tun, der alle bisherigen Verkaufsregeln sprengte und trotzdem, oder gerade deshalb, Erfolg hatte. Er fragte seine potenziellen Kunden schon beim Erstkontakt, ob sie denn zuviel Geld hätten, ließ kein gutes Haar an den bisherigen Produkten – und den bisherigen Beratern, die ihnen diese Produkte aufgeschwatzt hätten. Einmal hatte er sogar die Unterlagen auf den Boden geschmissen.

DAS INVESTMENT.com: Und die Kunden nahmen es einfach so hin?

Stempfle: Die Kunden liebten ihn.

DAS INVESTMENT.com: Und dann?

Stempfle: Ich verkaufte zu dieser Zeit noch auf die nette Art und Weise. Irgendwann kam dann der Vertriebsvorstand zu mir und beschwerte sich, dass der klassische Vertrieb nicht mehr den gewünschten Erfolg bringt. Wir mussten bei potenziellen Kunden schneller zur Sache kommen, um Abschlüsse in kürzerer Zeit zu machen. In diesem Moment musste ich an meinen Kollegen denken. Ich hatte erkannt, dass er mit Provokationen arbeitete und damit Erfolg hatte. Daraus ist dann die Idee zum PPV entstanden.

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