Wem gehört der Kundenbestand? „Nicht allzu negativ über den Ex-Vertrieb sprechen“
DAS INVESTMENT: Vor kurzem gab Königswege seine Pläne für einen neuen Handelsvertretervertrag bekannt. Der Finanzvertrieb will künftig jedem nach Paragraf 34d Gewerbeordnung registrierten Handelsvertreter das Recht einräumen, seinen Kundenstamm mitzunehmen, wenn er Königswege verlässt. Der Maklerpool Blaudirekt, der mit Königswege zusammenarbeitet, bezeichnet dieses Vorgehen als einzigartig in Deutschland. Ist Königswege wirklich der erste deutsche Strukturvertrieb, der seinen Vertriebspartnern das Recht an eigenen Kunden einräumen will?
Jens Reichow: Er wäre nach meinem Kenntnisstand wohl zumindest eine Ausnahme.
Ansonsten verbleibt der Kundenbestand, der vom Vertriebspartner akquiriert und jahrelang betreut wurde, ja beim Vertriebsunternehmen. Dabei stammen viele der Kunden aus dem sozialen Umfeld des Beraters, es sind also seine Verwandten, Freunde, Bekannte oder Menschen, die dem gleichen Verein angehören oder die ein gemeinsames Hobby mit dem Berater ausüben. Nun hat der Berater noch Kontaktdaten von Kunden in seinen Unterlagen, beispielsweise im Smartphone gespeichert. Darf er nach Beendigung des Handelsvertretervertrages die Kunden kontaktieren, über seinen neuen Vertrieb oder seinen Schritt in die Selbstständigkeit als freier Makler erzählen und sie unverbindlich fragen, ob sie wechseln möchten?
Reichow: Der Paragraf 90 HGB verbietet dem Handelsvertreter die Nutzung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach Beendigung des Handelsvertretervertrages, soweit dies nach den gesamten Umständen der Berufsauffassung eines ordentlichen Kaufmannes widersprechen würde. Der Bundesgerichtshof hat daher in diesem Zusammenhang die sogenannte Gedächtnisrechtsprechung entwickelt. Demnach darf der Handelsvertreter nur diejenigen Daten verwenden, die ihm noch im Gedächtnis geblieben sind oder die sich in Quellen befinden, auf die er in befugter Weise zugreifen kann. Die Verwertung von Kundendaten aus persönlichen Unterlagen ist jedoch unzulässig.
Gibt es Unterschiede, ob der Berater die Ex-Kunden persönlich, telefonisch oder schriftlich beziehungsweise per E-Mail kontaktiert?
Reichow: Auch die Art und Weise der Kontaktaufnahme ist durchaus wichtig. Hier gilt es, die Regelung des Paragraf 7 UWG zur Frage der unzumutbaren Belästigung zu beachten. Gerade bestimmte Fernkommunikationsmittel wie E-Mail, Fax und Telefon sind dabei problembehaftet.
Hallo, Herr Kaiser!
Nun nehmen wir folgenden Fall an: Der Berater hat sich nach Beendigung des Handelsvertretervertrages als freier Makler selbstständig gemacht. Nun trifft er bei einer privaten Veranstaltung, zum Beispiel der Hochzeit eines Angehörigen, seinen Ex-Kunden, der ebenfalls eingeladen war. Dieser fragt ihn, ob er nicht mehr bei seinem Ex-Vertrieb ist und was er jetzt macht. Der Berater erzählt begeistert von seiner neuen Tätigkeit und der großem Produktauswahl, die er als freier Makler hat. Der Ex-Kunde möchte nun zu ihm wechseln. Bekommt er rechtliche Probleme mit dem Ex-Vertrieb?
Reichow: Zumindest die Art der Kontaktaufnahme ist in diesem Fall wohl unproblematisch. Allerdings kommt es auch hier auf die genauen Inhalte des Gespräches an. Allzu negativ sollte der Handelsvertreter also nicht über den ehemaligen Vertrieb sprechen.
Ist es dem Strukturvertrieb im umgekehrten Fall erlaubt, Stornoschutzbriefe an Kunden des ausgeschiedenen Beraters zu verschicken, in denen er ausdrücklich erwähnt, welche negativen Folgen dem Kunden drohen, wenn er seine Verträge beim Strukturvertrieb kündigt und seinem Berater zu deren neuen Vertrieb oder in die Selbstständigkeit folgt?
Reichow: Solche „Stornoschutzbriefe“ sind mir in der Praxis tatsächlich bislang noch nicht begegnet. Auch hier dürfte es aber auf den Inhalt der Schreiben ankommen. Besonders wichtig wäre hierbei die Frage, ob es sich bei den dort enthaltenen Angaben um eine richtige beziehungsweise unrichtige Tatsachenbehauptung handelt oder ob sie eine gegebenenfalls zu tolerierende Meinungsäußerung darstellen.