LinkedIn DAS INVESTMENT
Suche
in MärkteLesedauer: 4 Minuten

Volkswirt über den Börsen-Absturz „Wir gehen davon aus, dass sich die Märkte in den nächsten Tagen beruhigen“

Seite 2 / 2

Welche Gründe gibt es für den Kurseinbruch in den Industriestaaten?

Bell: Die entwickelten Märkte sind nach unserem Dafürhalten mittlerweile über das Ziel hinausgeschossen. Es besteht keine Inflationsgefahr, und auch Deflation zumindest durch sinkende Rohstoffpreise ist nicht zu erwarten. Die Bewertungen sind nicht übertrieben hoch, und die Geldpolitik bleibt nach wie vor extrem expansiv. Die USA und Europa, die zwei größten Wirtschaftsblöcke der Welt, wachsen – nicht schnell, aber doch schnell genug, um auch weiterhin für sinkende Arbeitslosigkeit zu sorgen. Die US-Notenbank hat mehrfach angekündigt, dass sie in der zweiten Jahreshälfte die Zinsen erhöhen will, sich bei dieser Entscheidung aber von der Datenlage leiten lässt. Da in den USA kaum etwas auf Inflation hindeutet, erfolgt der Zinsschritt nur bei realwirtschaftlichen Verbesserungen. In Europa und Japan ist nur die Frage, ob die Geldpolitik noch weiter gelockert werden soll.

Sie sehen also durchaus Potenzial für bestimmte Aktienmärkte?

Bell: Aus fundamentaler Sicht entwickeln sich die Aktienkurse in Abhängigkeit der Unternehmensgewinne, der Diskontsätze und der Risikoneigung. Selbst wenn die USA später dieses Jahr die Zinsen erhöhen, geht es mit den Anleihenrenditen nur langsam bergauf. Da die Geldpolitik in den übrigen Industrienationen nach wie vor extrem expansiv ist, bleibt der Diskontsatz niedrig. Die Gewinnprognosen für Europa und Japan sind gut. In Europa setzt sich der Konjunkturaufschwung fort, und die Gewinne übertrafen in den vergangenen zwei Quartalen die Erwartungen. Für die nächsten Jahre sind ausgehend vom heutigen Niveau durchaus Wachstumsraten von plus 20 Prozent denkbar. Japan erlebt echte Reformen mit stärkerer Konzentration auf den Shareholder Value. Umgekehrt sind die Gewinnprognosen für die USA wenig beeindruckend – bei den Margen besteht nur noch begrenztes Aufwärtspotenzial, und die Lohnstückkosten steigen trotz lediglich moderat höherer Löhne. Der US-Dollar bleibt besonders gegenüber den Schwellenländerwährungen stark.

Und gegenüber den Währungen der Industriestaaten?

Bell: Gegenüber dem Euro und dem japanischen Yen hat der US-Dollar in den vergangenen Tagen deutlich abgewertet. Grund hierfür sind Auflösungen bestehender Positionen und Sicherungsgeschäfte besonders im Aktiensegment. Beliebt sind bei Anlegern derzeit Übergewichtungen in europäischen Aktien, wobei das Währungsrisiko in Dollar abgesichert wird. Wenn die Kurse dieser Aktien fallen, müssen zur Anpassung der Sicherungsgeschäfte Euro gekauft werden.

Konnten Anleger sich auf eine Entwicklung, wie wir sie gerade an den Märkten beobachten, vorbereiten?

Bell: Der zentrale Multi-Asset-Fonds von F&Cs, der Diversified Growth Fund, wurde in Erwartung steigender Volatilität schon vor diesen Ereignissen vorsichtiger aufgestellt. Er hält Untergewichtungen in Aktien aus Asien ohne Japan und den Schwellenländern und präferiert Investment-Grade-Unternehmensanleihen gegenüber Hochzinsanleihen. Anders als in den USA, Großbritannien (rohstofflastig) und Asien ohne Japan, wo wir zurückhaltender aufgestellt sind, halten wir Übergewichtungen in japanischen und europäischen Aktien. Wir gehen davon aus, dass sich die Märkte in den nächsten Tagen beruhigen, und planen, unsere Übergewichtungen in europäischen Aktien – mit einer Euro-Währungssicherung – und allgemein in den Industriestaaten auszubauen. Die Währungen werden wir absichern. Über Aktien-Kaufoptionen halten wir eine Long-Position in Volatilität, die wir auch beibehalten wollen. Die jüngste Spitze bei der implizierten Volatilität halten wir allerdings für übertrieben. 

Wie hat Ihnen der Artikel gefallen?

Danke für Ihre Bewertung
Leser bewerteten diesen Artikel durchschnittlich mit 0 Sternen