Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Die Zinserhöhungen der EZB kommen spät und dürften schnell vorbei sein

Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt bei Bantleon. Foto: Bantleon
Es ist gar nicht so einfach, die aktuellen EZB-Aussagen zu steigenden Zinsen zu deuten. Wann steigen sie denn nun? Und welcher Leitzins wäre eigentlich wirklich angemessen? Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann erklärt die Lage.
Die EZB hat im Juni den Ausstiegsplan aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik grob umrissen. Im Mittelpunkt stehen die beiden folgenden Maßnahmen: Im Dezember 2018 soll der Nettoerwerb an zusätzlichen Anleihen eingestellt werden. Der bis dahin erworbene Bestand an Wertpapieren (2.600 Milliarden Euro) wird zunächst konstant gehalten. Gleichzeitig will die Notenbank die Leitzinsen mindestens bis zum nächsten Sommer auf dem aktuell tiefen Niveau belassen.
Das Ende des QE-Programms steht unter dem Vorbehalt, dass sich das Inflationsumfeld bis zum Jahresende nicht verschlechtert. Auch der Zinsausblick ist datenabhängig und kann (nach vorne oder hinten) verschoben werden.
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Die EZB hat im Juni den Ausstiegsplan aus ihrer ultraexpansiven Geldpolitik grob umrissen. Im Mittelpunkt stehen die beiden folgenden Maßnahmen: Im Dezember 2018 soll der Nettoerwerb an zusätzlichen Anleihen eingestellt werden. Der bis dahin erworbene Bestand an Wertpapieren (2.600 Milliarden Euro) wird zunächst konstant gehalten. Gleichzeitig will die Notenbank die Leitzinsen mindestens bis zum nächsten Sommer auf dem aktuell tiefen Niveau belassen.
Das Ende des QE-Programms steht unter dem Vorbehalt, dass sich das Inflationsumfeld bis zum Jahresende nicht verschlechtert. Auch der Zinsausblick ist datenabhängig und kann (nach vorne oder hinten) verschoben werden.
Mit der Forward Guidance bei den Zinsen hat die EZB allerdings ohnehin mehr Verwirrung als Klarheit gestiftet. Die englische Formulierung, die Leitzinsen sollen mindestens »through the summer 2019« auf dem jetzigen Niveau behalten werden, ist mehrdeutig. Selbst die Dolmetscher kamen ins Schleudern. So wurde die deutsche Fassung im Nachhinein korrigiert: aus »bis zum Ende des Sommers 2019« wurde »über den Sommer 2019«. Auch innerhalb des EZB-Rats wird die Formulierung unterschiedlich gedeutet. Einige Währungshüter gehen nach wie vor davon aus, dass eine erste Leitzinserhöhung bereits im Juli 2019 möglich ist. Die Mehrheit des EZB-Rats (darunter Mario Draghi) sieht indes erst ab September/Oktober Spielraum für eine geldpolitische Straffung.
Diese Interpretation hat sich auch an den Finanzmärkten durchgesetzt (vgl. Abb. 1). Demnach ist im September 2019 eine erste Leitzinserhöhung um 10 Basispunkte (Bp) eingepreist, der im Dezember ein weiterer Schritt um 10 Bp folgt. Für 2020 geht der Markt von nochmals drei Trippelschritten um 10 Bp aus, sodass der Leitzins erst Ende 2020 leicht im Plus läge (+0,10 Prozent). Ist dieser extrem flache und spät einsetzende Leitzinserhöhungszyklus realistisch?
Die Empfehlung von Taylor
Wo müssten die Leitzinsen eigentlich im aktuellen Umfeld liegen? Erste Anhaltspunkte dafür gibt die Taylor-Regel, die als universale Daumenregel der Geldpolitik gilt.
Laut Taylor-Regel sind für die Entwicklung der Leitzinsen drei Größen massgeblich: der »gleichgewichtige« Leitzins, die Inflationslücke und die Outputlücke. So wird der Leitzins in der Regel unter den Gleichgewichtszins gesenkt, wenn die Inflation das Inflationsziel unterschreitet und/oder die Kapazitäten der Wirtschaft nicht ausgelastet sind (negative Outputlücke).
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