Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann
Die Zinserhöhungen der EZB kommen spät und dürften schnell vorbei sein
Daniel Hartmann ist Chefvolkswirt bei Bantleon. Foto: Bantleon
Es ist gar nicht so einfach, die aktuellen EZB-Aussagen zu steigenden Zinsen zu deuten. Wann steigen sie denn nun? Und welcher Leitzins wäre eigentlich wirklich angemessen? Bantleon-Chefvolkswirt Daniel Hartmann erklärt die Lage.
Bis Ende 2017 schwebte die Wirtschaft der Eurozone auf Wolke sieben. Angetrieben von einer kräftigen Binnen- und Auslandsnachfrage erreichte das Wachstum 2,8 Prozent (im Vorjahresvergleich) – das höchste Niveau der letzten zehn Jahre. Seit Anfang 2018 sind die Aufschwungskräfte in der Eurozone indes erlahmt. Die Wachstumsdynamik hat sich im 1. Halbjahr 2018 nahezu halbiert. Dies spiegelt sich exemplarisch im Einkaufsmanagerindex der Industrie wider, der von 60,6 auf 55,1 Punkte gefallen ist. Unsere Frühindikatoren legen nahe, dass die konjunkturelle Eintrübung noch mindestens bis Anfang 2019 anhält (vgl. Abb. 6). Ursache ist primär die sich abkühlende Weltkonjunktur. In UK, China und zahlreichen...
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Bis Ende 2017 schwebte die Wirtschaft der Eurozone auf Wolke sieben. Angetrieben von einer kräftigen Binnen- und Auslandsnachfrage erreichte das Wachstum 2,8 Prozent (im Vorjahresvergleich) – das höchste Niveau der letzten zehn Jahre. Seit Anfang 2018 sind die Aufschwungskräfte in der Eurozone indes erlahmt. Die Wachstumsdynamik hat sich im 1. Halbjahr 2018 nahezu halbiert. Dies spiegelt sich exemplarisch im Einkaufsmanagerindex der Industrie wider, der von 60,6 auf 55,1 Punkte gefallen ist. Unsere Frühindikatoren legen nahe, dass die konjunkturelle Eintrübung noch mindestens bis Anfang 2019 anhält (vgl. Abb. 6). Ursache ist primär die sich abkühlende Weltkonjunktur. In UK, China und zahlreichen anderen Schwellenländern hat das Expansionstempo bereits nachgelassen. In den USA dürfte der zyklische Hochpunkt zur Jahresmitte durchschritten worden sein.
Eine Fortsetzung der Abschwächung ist also sehr wahrscheinlich. Die nächste Frage ist, mit welchem Tempo sie vonstattengeht. Hier spricht vieles dafür, dass es bei einem moderaten Abwärtstrend bleibt, mithin ein konjunktureller Absturz vermieden wird. Unter anderem wirken Teile der Binnenwirtschaft (z.B. das Baugewerbe) nach wie vor als Stützfaktor. In unserem Basisszenario gehen wir entsprechend davon aus, dass das Wachstum der Eurozone zwar auf 1,5 Prozent abschmilzt, damit aber noch über der potentiellen Wachstumsrate bleibt (ca. 1,0 Prozent).
Mit etwas Glück sollte sich die Konjunktur Mitte 2019 wieder fangen und bis Ende nächsten Jahres neue Kraft tanken. Übertragen auf den Einkaufsmanagerindex bedeutet dies, dass er im Frühjahr 2019 oberhalb der Expansionsschwelle seinen unteren Wendepunkt durchschreitet (vgl. Abb. 5 und 6). In diesem Idealszenario würde die EZB – trotz des konjunkturellen Durchhängers im laufenden Jahr – im Spätsommer 2019 den Leitzinserhöhungszyklus einleiten.
Mehr noch als die Konjunktur dürfte dafür jedoch die Inflation ausschlaggebend sein. Sie hinkt traditionell dem Konjunkturzyklus hinterher. Diesmal dauert es besonders lange, bis die Wachstumsimpulse auf die Teuerung überschwappen. Ein Grund war der Ölpreiseinbruch in den Jahren 2014/2015 (Absturz von 115 USD auf 26 USD), von dem enorme disinflationäre Wirkungen ausgingen. Mittlerweile hat sich der Ölpreis gefangen und alle vorauslaufenden Indikatoren deuten auf steigenden Preisdruck hin. Dazu passt, dass die Unternehmen immer häufiger über lange Lieferzeiten und teure Rohstoffe klagen.
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