Carsten Klude, Chefvolkswirt bei M.M.Warburg
Droht das Ende der Hausse an den Aktienmärkten?
Carsten Klude, Chefvolkswirt M.M.Warburg & Co. Foto: M.M.Warburg & Co.
Negativrekord! Im Mittel reagieren im Laufe einer Berichtssaison 52 Prozent der Kurse positiv auf die vorgelegten Quartalszahlen, wobei der bislang geringste Wert bei 43 Prozent lag. Auch dies spricht dafür, dass die Aktienmärkte in den USA über ein deutliches Aufholpotenzial verfügen, sofern auch die nächsten Berichte mehrheitlich positiv ausfallen und vor allem die Ausblicke nicht enttäuschen.
In Europa sind dagegen die konjunkturellen Risiken größer als in den USA. Dies liegt an der stärkeren Exportabhängigkeit, aber auch an den Unsicherheiten die vom bevorstehenden Brexit ausgehen. Zudem drücken die eigenwilligen Budgetpläne der italienischen Regierung sowie die Verwerfungen in der Automobilindustrie, die mit der Umstellung auf den neuen Abgastest WLTP zu tun haben, auf die Stimmung der Anleger. Die ökonomischen Risiken eines ungeordneten Brexits, aber auch einer weiteren Eskalation des Streits zwischen Italien und dem Rest der Eurozone beziehungsweise der EU lassen sich jedoch im Moment kaum bemessen.
Diese Unsicherheiten haben sich zum einen auf die Gewinnschätzungen, zum...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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In Europa sind dagegen die konjunkturellen Risiken größer als in den USA. Dies liegt an der stärkeren Exportabhängigkeit, aber auch an den Unsicherheiten die vom bevorstehenden Brexit ausgehen. Zudem drücken die eigenwilligen Budgetpläne der italienischen Regierung sowie die Verwerfungen in der Automobilindustrie, die mit der Umstellung auf den neuen Abgastest WLTP zu tun haben, auf die Stimmung der Anleger. Die ökonomischen Risiken eines ungeordneten Brexits, aber auch einer weiteren Eskalation des Streits zwischen Italien und dem Rest der Eurozone beziehungsweise der EU lassen sich jedoch im Moment kaum bemessen.
Diese Unsicherheiten haben sich zum einen auf die Gewinnschätzungen, zum anderen auf die Bewertungen der europäischen Aktienmärkte ausgewirkt. So haben die Unternehmensanalysten ihre Gewinnschätzungen für die Dax-Unternehmen seit dem Sommer deutlich gesenkt. Für 2018 wird mittlerweile von einer Gewinnstagnation ausgegangen, 2019 sollen die Erträge dann aber um rund zehn Prozent ansteigen. Auf EPS-Basis sollen die Gewinne von 13 der 30 Dax-Unternehmen im Jahr 2018 sinken, dennoch wird erwartet, dass 16 Unternehmen einen neuen Rekordwert beim EPS erreichen.
2019 wird dagegen nur für zwei Firmen ein sinkendes EPS prognostiziert, während 19 Rekordwerte erreicht werden sollen. Zwar könnten sich die Einschätzungen für das kommende Jahr von der Größenordnung her als zu optimistisch erweisen, dennoch sollten die Gewinne ansteigen, solange es nicht zu einer Rezession kommt. Diese erwarten wir auch für Deutschland nicht. Zudem signalisiert das niedrige Kurs-Gewinn-Verhältnis von 11,5, dass ein Sicherheitsabschlag für niedrigere Gewinne vorhanden ist.
Für den Anleger bedeutet dies, dass man sich temporär defensiver positionieren und die Aktienquote zugunsten von Kasse reduzieren sollte.
Denn es wird noch eine Zeit dauern, bis sich die derzeitige große Unsicherheit wieder legt. Äußerungen der US-Notenbank, dass man nicht auf eine vorgefasste Richtung festgelegt sei, wären ebenso hilfreich wie eine positiv verlaufende Berichtssaison. Bleiben diese Dinge aus, könnte sich der Kursrutsch fortsetzen. Unsere Modelle, die wir zur Steuerung der Asset Allocation verwenden, signalisieren jedoch nicht, dass im Moment eine zu starke Vorsicht angebracht ist. Für ein allgemeines „Game over“ an den Aktienmärkten ist es also hoffentlich zu früh.
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