Fragilität der Euro-Zone als spieltheoretisches Problem
Heinz-Werner Rapp Aktualisiert am 25.10.2018 - 12:06 Uhr
Heinz-Werner Rapp: Der Vorstand und Chief Investment Officer (CIO) ist seit 1995 für das unabhängige deutsche Investmenthaus Feri tätig. Foto: Feri
Die Fragilität in der Eurozone nimmt zu – entsprechende Risiken werden jedoch nach wie vor unterschätzt. Traditionelle ökonomische und politische Analysen der aktuellen Situation reichen nicht aus, um die komplexe Dynamik innerhalb der Europäischen Währungsunion zu erfassen. Mit Ansätzen aus der Spieltheorie lassen sich die latenten Risiken eines „Euro Break Up“, also eines Zerfalls oder einer Auflösung, aus einem anderen Blickwinkel analysieren, überzeugend erklären und realistisch einschätzen.
Die Kalküle der Euroländer
Das jeweilige Kalkül der einzelnen Mitgliedsländer kann sich allerdings schnell verändern. So hat etwa die massive Intervention der EZB seit 2012 das Kosten- und Risikokalkül einzelner EMU-Länder wie Deutschland deutlich gesenkt (Risiken wurden faktisch auf die EZB „abgewälzt“), während sich für andere Länder wie Italien oder Griechenland ein deutlich positiveres Kalkül ergeben hat – insbesondere durch die Aussicht auf massive Erleichterungen bei der Finanzierung überhöhter Staatsschulden (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Kosten-/Nutzen-Kalküle und deren Veränderung für unterschiedliche EMU-Teilnehmer
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Das jeweilige Kalkül der einzelnen Mitgliedsländer kann sich allerdings schnell verändern. So hat etwa die massive Intervention der EZB seit 2012 das Kosten- und Risikokalkül einzelner EMU-Länder wie Deutschland deutlich gesenkt (Risiken wurden faktisch auf die EZB „abgewälzt“), während sich für andere Länder wie Italien oder Griechenland ein deutlich positiveres Kalkül ergeben hat – insbesondere durch die Aussicht auf massive Erleichterungen bei der Finanzierung überhöhter Staatsschulden (vgl. Abb. 2).
Abb. 2: Kosten-/Nutzen-Kalküle und deren Veränderung für unterschiedliche EMU-Teilnehmer
Aus diesen Vorüberlegungen lässt sich ein klares spieltheoretisches Bild ableiten:
Der bestehende politische und ökonomische Rahmen der EMU bildet das „Spielfeld“.
Die jeweiligen Ausprägungen der Kosten-/Nutzen-Kalküle aus Sicht individueller Teilnehmerländer („Spieler“) definieren den „Spielplan“.
Die bestehenden Verträge, Übereinkünfte und etablierten Handlungsmuster, sowohl der „Spieler“ als auch der „Institutionen“, stehen für die „Spielregeln“.
Die erwarteten Aktions-/Reaktions-Muster der „Spieler“ sind die „Spielzüge“.
Mögliche Eingriffe von Institutionen (wie etwa der EZB) haben das Potential zur grundlegenden Veränderung des „Spielplans“ und der „Spielregeln“.
Das tatsächliche Zusammenwirken dieser Parameter und die dabei entstehende Dynamik definieren dann ein komplexes, spieltheoretisch geprägtes System. Die laufende Entwicklung der EMU lässt sich auf dieser Basis dann wie ein Spiel zwischen unterschiedlich motivierten Spielern darstellen:
Die Spielzüge werden bestimmt durch individuelle Anreize und Anreizsysteme der Spieler.
Die jeweiligen Ziele sind nicht immer transparent; einzelne Spieler können sich für fragwürdige oder subversive Spielzüge entscheiden.
Die Regeln des Spiels sind nicht immer eindeutig oder sie werden unterschiedlich interpretiert; im Zweifel sind sogar Eingriffe von außen in das Spielgeschehen denkbar.
Der mögliche Gewinn liegt aus Sicht der Spieler darin, aus dem Spiel einen möglichst hohen individuellen Vorteil (für die von ihnen vertretenen Bürger) zu ziehen.
Sofern das Spiel kein „Nullsummenspiel“ ist, können theoretisch alle Spieler ihre Position verbessern; im umgekehrten Fall impliziert der Gewinn einzelner Spieler zwingend einen Verlust anderer Spieler.