Feri-Investmentchef Heinz-Werner Rapp
Fragilität der Euro-Zone als spieltheoretisches Problem
Aktualisiert am 25.10.2018 - 12:06 Uhr
Heinz-Werner Rapp: Der Vorstand und Chief Investment Officer (CIO) ist seit 1995 für das unabhängige deutsche Investmenthaus Feri tätig. Foto: Feri
Die Fragilität in der Eurozone nimmt zu – entsprechende Risiken werden jedoch nach wie vor unterschätzt. Traditionelle ökonomische und politische Analysen der aktuellen Situation reichen nicht aus, um die komplexe Dynamik innerhalb der Europäischen Währungsunion zu erfassen. Mit Ansätzen aus der Spieltheorie lassen sich die latenten Risiken eines „Euro Break Up“, also eines Zerfalls oder einer Auflösung, aus einem anderen Blickwinkel analysieren, überzeugend erklären und realistisch einschätzen.
Fragilität der Europäischen Währungsunion
Dieses spieltheoretisch definierte Setup lässt sich nachvollziehbar auf die aktuelle Situation in der Europäischen Währungsunion übertragen:
Die frühere Spielstrategie von Ländern wie Griechenland (partiell auch Frankreich und Italien) war „Cheating“, um sich Vorteile im Rahmen des EMU-Systems zu verschaffen.
Die frühere Rolle Frankreichs entsprach dem Prinzip der „Collusion“, durch das oftmals strategische Mehrheiten „des Südens“ gegen „den Norden“ organisiert wurden.
Die aktuelle Positionierung Italiens, mit Aufbau einer politischen Drohkulisse, folgt der Logik eines „Game of Chicken“, das sich gegen andere wichtige Spieler...
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Fragilität der Europäischen Währungsunion
Dieses spieltheoretisch definierte Setup lässt sich nachvollziehbar auf die aktuelle Situation in der Europäischen Währungsunion übertragen:
- Die frühere Spielstrategie von Ländern wie Griechenland (partiell auch Frankreich und Italien) war „Cheating“, um sich Vorteile im Rahmen des EMU-Systems zu verschaffen.
- Die frühere Rolle Frankreichs entsprach dem Prinzip der „Collusion“, durch das oftmals strategische Mehrheiten „des Südens“ gegen „den Norden“ organisiert wurden.
- Die aktuelle Positionierung Italiens, mit Aufbau einer politischen Drohkulisse, folgt der Logik eines „Game of Chicken“, das sich gegen andere wichtige Spieler (Deutschland) und relevante Institutionen (EU, EZB) richtet. Die Drohung mit dem (ökonomischen) Selbstmord soll dabei die Mitspieler zu weitreichenden Zugeständnissen bewegen.
- Die Haltung von Ländern wie Deutschland entspricht (noch) derjenigen eines gutmütigen Mitspielers, der zwar „Cheating“ und „Collusion“ zu seinen Lasten erkannt hat, aber dennoch das Spiel fortsetzen möchte (aus politischem und ökonomischen Kalkül). Gleichzeitig bemüht sich Deutschland als prinzipientreuer Spieler um eine laufende Verbesserung und verschärfte Kontrolle der Spielregeln.
- Im Hintergrund des Spiels agieren die spielbestimmenden Institutionen (EU, EZB), die sich bereits mehrfach zu gravierenden Änderungen der Spielregeln haben zwingen oder hinreißen lassen. So mangelt es der EU notorisch an der Ahndung von Regelverstößen, während die EZB – der Not gehorchend – seit 2015 ein Regime massiver monetärer Intervention installiert hat.
Für die Frage nach der aktuellen Fragilität der Währungsunion müssen somit fünf zentrale Parameter betrachtet werden, die in Abb. 3 im Systemkontext dargestellt sind:
Abb. 3: Spieltheoretische Parameter der EMU und deren Dynamik
Neue Verschärfung des spieltheoretischen Setup
Die spieltheoretische Dimension der Europäischen Währungsunion wird wohl in nächster Zeit deutlich an Brisanz gewinnen – einerseits durch das Auftreten „neuer Spieler“ und veränderte „Spielzüge“, andererseits auch durch Veränderungen im „Spielaufbau“:
Die populistische Regierung in Italien – als „neuer Spieler“ – hat bereits deutlich erklärt, dass sie den Spielplan der EMU nicht länger für verbindlich hält und bisherige Spielregeln missachten wird. Dieses Bild von Konfrontation und Verweigerung ist als Aufbau einer harten Drohkulisse zu verstehen; es könnte letztlich in ein „Game of Chicken“ gegen den Rest der EMU münden.
Aus spieltheoretischer Sicht wird Italien so zum obstruktiven Spieler, der seine Mitspieler zu unfreiwilligen und schwierigen Spielzügen zwingt und dabei auch einen Spielabbruch („Euro Break Up“) in Kauf nehmen würde. Aus spieltheoretischer Sicht verhält sich Italien dabei keinesfalls irrational, sondern verfolgt im Gegenteil ein sehr klares Kosten-Nutzen-Kalkül.
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