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Bantleon-Analyst Andreas Busch
Geldpolitische Wende bedroht aufstrebende Volkswirtschaften
Andreas Busch
Andreas Busch, leitender Analyst bei Bantleon Foto: Bantleon
Nach der Flut kommt nun die Ebbe: Die großen Zentralbanken verabschieden sich allmählich von der lockeren Geldpolitik. Wenn die Geldschwemme versiegt, werden die aufstrebenden Volkswirtschaften Probleme bekommen, darunter auch Argentien.
Die aufstrebenden Volkswirtschaften befinden sich derzeit in einem Gezeitenwechsel. Die Leitzinserhöhungen der Fed und die Reduktion der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan lassen den jahrelang ungebremsten Zufluss billigen Geldes in die Schwellenländer abebben. Hinzu kommt, dass der Hochpunkt im globalen Konjunkturzyklus durchschritten sein dürfte, was die Risikobereitschaft der Anleger dämpft. In der Folge befinden sich die Währungen und Aktienmärkte der aufstrebenden Volkswirtschaften seit einigen Monaten auf Talfahrt. Länder mit hausgemachten fundamentalen Problemen leiden dabei besonders. Neben der Türkei sind die beiden größten Volkswirtschaften Südamerikas...
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Die aufstrebenden Volkswirtschaften befinden sich derzeit in einem Gezeitenwechsel. Die Leitzinserhöhungen der Fed und die Reduktion der Anleihekäufe durch die Europäische Zentralbank (EZB) und die Bank of Japan lassen den jahrelang ungebremsten Zufluss billigen Geldes in die Schwellenländer abebben. Hinzu kommt, dass der Hochpunkt im globalen Konjunkturzyklus durchschritten sein dürfte, was die Risikobereitschaft der Anleger dämpft. In der Folge befinden sich die Währungen und Aktienmärkte der aufstrebenden Volkswirtschaften seit einigen Monaten auf Talfahrt. Länder mit hausgemachten fundamentalen Problemen leiden dabei besonders. Neben der Türkei sind die beiden größten Volkswirtschaften Südamerikas in den Fokus gerückt. Der argentinische Peso wertete seit Oktober vergangenen Jahres um mehr als 50 Prozent gegenüber dem US-Dollar ab, beim brasilianischen Real waren es immerhin mehr als 20 Prozent (siehe Grafik 1).
Grafik 1: Schwellenländer unter Druck – einige besonders stark
In beiden Ländern bereitet die politische Entwicklung gehöriges Kopfzerbrechen. In Brasilien sind es die Präsidentschaftswahlen im Oktober, die mangels klarer wirtschaftspolitischer Programme der Kandidaten den Ausblick trüben. In Argentinien steht derweil der marktwirtschaftlich orientierte Präsident Mauricio Macri in der Schusslinie. Der einstige Hoffnungsträger löste vor drei Jahren Christina Kirchner im Amt ab, die auf internationale Abschottung und die Verteilung von sozialen Wohltaten gesetzt und damit die Wirtschaft von einer Rezession in die nächste getrieben hatte. Er vollzog eine dezidierte Kehrtwende, sowohl in Form wirtschaftspolitischer Reformen als auch im Umgang mit den ausländischen Gläubigern, die von der Vorgängerregierung geprellt worden waren. Begünstigt durch den internationalen Anlagenotstand im globalen Niedrigzinsumfeld gelang es der Regierung in diesem Sommer sogar, eine 100-jährige Anleihe zu begeben, die Argentinien förmlich aus der Hand gerissen wurde.
Jetzt, da die geldpolitische Großwetterlage aber dreht, schauen die Anleger wieder genauer hin. Und dabei zeigt sich, dass Macris Reformen bislang nur ansatzweise die gewünschte Wirkung entfaltet haben. Trotz staatlicher Sparmaßnahmen ist das Haushaltsdefizit weiter gewachsen, wodurch nicht zuletzt auch die Inflation angeheizt wurde, die inzwischen bei 35 Prozent im Jahr liegt. Angesichts geringer Devisenreserven nehmen gleichzeitig die Zweifel zu, ob Argentinien die laufenden Zinszahlungen der im Ausland emittierten Anleihen bedienen kann. Entsprechend fließt immer mehr Kapital aus dem Land, was den Abwertungsdruck auf die Währung verstärkt und über diesen Kanal die Inflation weiter anheizt. Nur der Hilferuf an den – von der argentinischen Bevölkerung wenig geliebten – Internationalen Währungsfonds (IWF) konnte zuletzt eine Eskalation verhindern.
Ungeachtet der jüngsten Stabilisierung ist eine Besserung der Lage nicht in Sicht. Am Grundproblem der weltweit restriktiveren Geldpolitik ändert sich so schnell nichts. Die strafferen Finanzierungskonditionen in den entwickelten Volkswirtschaften und der nachlassende globale konjunkturelle Rückenwind werden die Attraktivität von Anlagen in Schwellenländern noch geraume Zeit mindern – deren Währungen sollten entsprechend unter Druck bleiben (siehe Grafik 2). Argentinien dürfte im Zuge der vom IWF geforderten Sparmaßnahmen zunächst tiefer in die Rezession rutschen – schon im zweiten Quartal 2018 ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit minus 4 Prozent so kräftig gegenüber dem Vorquartal gesunken wie seit zehn Jahren nicht mehr.
Grafik 2: Gegenwind dürfte noch geraume Zeit anhalten
Damit steigt das Risiko, dass Macri bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2019 sein Amt verliert, was zu neuer Verunsicherung führen würde. In Brasilien ist die fundamentale Lage nicht ganz so kritisch. Das Leistungsbilanzdefizit wurde in den vergangenen Jahren merklich reduziert und beträgt aktuell nur noch 0,7 Prozent des BIP. Gleichzeitig bewegt sich die Inflationsrate mit rund 4 Prozent weiterhin leicht unter dem 4,5-Prozent-Ziel der Notenbank. Der Druck auf die Regierung, die Binnennachfrage zu bremsen, hält sich mithin in Grenzen. Damit besteht die Chance, dass das Wirtschaftswachstum im Zuge einer Stabilisierung des politischen Umfelds nach der Präsidentschaftswahl wieder in Richtung 2,0 Prozent anzieht – ausgehend von rund 1,0 Prozent im laufenden Jahr. An die goldenen Zeiten des vorangegangenen Jahrzehnts (durchschnittlich plus 4,0 Prozent Wachstum) wird Brasilien aber nicht anknüpfen können und steht damit beispielhaft für die Entzauberung der einst hochgelobten Schwellenländer (BRICS).
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