Folker Hellmeyer
Konjunkturzyklik, Zentralbankpolitik – Klartext!
Folker Hellmeyer ist Chefanalyst bei Solvecon Invest. Foto: Solvecon Invest
Ist der aktuelle Konjunkturzyklus und mit ihm der langjährige Bullenmarkt an seinem Ende angekommen? Es kommt darauf, welche Weltregion man betrachtet, sagt Folker Hellmeyer, Chefanalyst bei der Bremer Fondsboutique Solvecon.
Derzeit dominieren Diskussionen über die Reifegrade der Konjunktur insbesondere in den Industrienationen. Unterschwellig wird damit Risikoaversion in der Realwirtschaft und an den Finanzmärkten gesät. Den Diskurs bestimmen vornehmlich quantitative Ansätze. Qualitative Gesichtspunkte treten dagegen in den Hintergrund.
Die Ignoranz der qualitativen Gesichtspunkte war ein Katalysator der Krise 2008/2009. Diesbezüglich ist es mehr als irritierend, dass die Lernkurven aus den Fehlern vor 2008 unausgeprägt sind.
Fakt ist, dass der Aufschwung in den USA nach klassischer Lesart reif ist. Die Expansion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dauert seit 2010 an. Ein entscheidender Wachstumstreiber...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Derzeit dominieren Diskussionen über die Reifegrade der Konjunktur insbesondere in den Industrienationen. Unterschwellig wird damit Risikoaversion in der Realwirtschaft und an den Finanzmärkten gesät. Den Diskurs bestimmen vornehmlich quantitative Ansätze. Qualitative Gesichtspunkte treten dagegen in den Hintergrund.
Die Ignoranz der qualitativen Gesichtspunkte war ein Katalysator der Krise 2008/2009. Diesbezüglich ist es mehr als irritierend, dass die Lernkurven aus den Fehlern vor 2008 unausgeprägt sind.
Fakt ist, dass der Aufschwung in den USA nach klassischer Lesart reif ist. Die Expansion des Bruttoinlandsprodukts (BIP) dauert seit 2010 an. Ein entscheidender Wachstumstreiber war die öffentliche Hand, die das Wachstum mit hohen öffentlichen Defiziten subventionierte.
Die nachfolgende Tabelle weist die öffentlichen Defizite in Prozent des BIP der USA aus:
Nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung des US-BIP im identischen Zeitraum:
Allein diese Datenreihe muss Fragen nach den selbsttragenden Kräften der US-Wirtschaft forcieren. Es waren aber nicht nur öffentliche Defizite, die das US-Wachstum bedingten, sondern es war auch eine sportliche Kreditaufnahme im privaten Sektor, die sich unterstützend auf das Wachstum des BIP auswirkte. So legte die Konsumverschuldung in den USA seit Ausbruch der Lehman-Pleite nominal von 2.700 Milliarden US-Dollar auf 4.035 Milliarden US-Dollar um 49,4 Prozent zu. Die mittleren nominalen Einkommen stiegen in dieser Phase lediglich um circa 25 Prozent. Die US-Unternehmensverschuldung nahm von 2008 bis Ende 2018 von 3.550 Milliarden US-Dollar auf 6.240 Milliarden Dollar um 75,8 Prozent zu. Hier kommt zum Ausdruck, dass die Kreditexpansion und die Steuerentlastung Donald Trumps (Wirkung ab 2018) entscheidend für das US-Wachstum waren. Dieser markante US-Kreditzyklus hat mittlerweile einen hohen Reifegrad erreicht.
Die zuletzt erlebte Entschleunigung der US-Wachstumsdynamik darf in entscheidenden Teilen als Ausdruck dieser Entwicklung interpretiert werden. Die jetzt erkennbare Zurückhaltung der US-Notenbank, die den Zinserhöhungszyklus faktisch abgeschlossen hat, darf als Bestätigung dieses Umstands gewertet werden.
Darüber hinaus belasten die von den USA forcierten Handelskonflikte den Konjunkturzyklus in den USA, denn die Kosten fallen für US-Verbraucher und US-Unternehmen an und verschlechtern die Investitionsbedingungen vor Ort. Laut einer aktuellen Studie diverser US-Universitäten, unter ihnen Yale und Berkeley, summierten sich die Kosten per 2018 für US-Unternehmen und Verbraucher auf gut 68 Milliarden Dollar. Sollten die USA beispielsweise Zölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Importe aus China erheben, die ein Volumen von circa 500 Milliarden Dollar haben, läge eine Last für US-Unternehmen und US-Verbraucher in Höhe von bis zu 125 Milliarden Dollar vor.
Ergo ist die Sorge in Politik, Wirtschaft und an den Finanzmärkten bezüglich des Konjunkturzyklus der USA berechtigt.
Das Bild in der Eurozone sieht qualitativ vollständig anders aus. Strukturreformen haben den Wachstumsmodus zunächst verzögert. Unproduktive Teile der Wirtschaft der Eurozone wurden abgebaut. In der Folge der Veränderung der Strukturen ergab sich eine optimierte Funktion der Produktionsfaktoren. Daraus resultiert eine nachhaltigere Widerstandsfähigkeit des Zyklus. Ab 2014 setzte dann die Erholung des BIP ein.
Der Blick auf die öffentlichen Haushalte, die in der Eurozone saniert wurden, stellt einen wesentlichen Hintergrund der Divergenz zu den USA dar, die auf eine Anpassung der Strukturen verzichteten.
Nachfolgende Tabelle zeigt die Entwicklung des BIP der Eurozone im identischen Zeitraum:
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