BLI-Investmentchef Guy Wagner
Es ist noch zu früh für eine Rückkehr der Inflation
Guy Wagner: Der Investmentchef der Banque de Luxembourg Investments (BLI) blickt auf ein negatives Börsenjahr 2018 zurück und gibt Tipps für die richtige Anlagestrategie 2019. Foto: BLI - Banque de Luxembourg Investments
Bei der Wahl ihrer Anlagestrategie für das Börsenjahr 2019 sollten Anleger eine weltweite Konjunkturschwäche berücksichtigen, empfiehlt Guy Wagner, Investmentchef der Banque de Luxembourg Investments (BLI). Das sollte beispielsweise langfristigen US-Staatsanleihen zugutekommen.
Das Jahr 2018 war an den Finanzmärkten gewissermaßen das Gegenteil des Vorjahres: Vor zwölf Monaten hatten die Märkte gerade ein außergewöhnliches Jahr hinter sich, die meisten Indizes waren 2017 in lokaler Währung über 10 Prozent gestiegen. Ein Jahr danach hat sich die Situation völlig umgekehrt: Heute lässt sich kaum ein Index finden, der nicht mindestens 10 Prozent verloren hat.
Dabei haben sich die Unternehmensgewinne gleichzeitig deutlich verbessert. In den USA hieß das, dass die Gewinne der im Standard & Poor‘s vertretenen Unternehmen zwar um 20 Prozent wuchsen, der Index selbst aber 6 Prozent verlor. Das Ergebnis war einer der stärksten Rückgänge des...
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Das Jahr 2018 war an den Finanzmärkten gewissermaßen das Gegenteil des Vorjahres: Vor zwölf Monaten hatten die Märkte gerade ein außergewöhnliches Jahr hinter sich, die meisten Indizes waren 2017 in lokaler Währung über 10 Prozent gestiegen. Ein Jahr danach hat sich die Situation völlig umgekehrt: Heute lässt sich kaum ein Index finden, der nicht mindestens 10 Prozent verloren hat.
Dabei haben sich die Unternehmensgewinne gleichzeitig deutlich verbessert. In den USA hieß das, dass die Gewinne der im Standard & Poor‘s vertretenen Unternehmen zwar um 20 Prozent wuchsen, der Index selbst aber 6 Prozent verlor. Das Ergebnis war einer der stärksten Rückgänge des Bewertungsniveaus der vergangenen 30 Jahre. Er erklärt sich zum Teil durch harte Faktoren wie die Zinsstraffungspolitik in den USA; doch auch weiche Faktoren spielten eine Rolle, wie zum Beispiel die Einschätzung des Wirtschaftsumfelds durch die Anleger.
Geopolitische Ereignisse
Der Optimismus vom Jahresbeginn 2018 ist zum Jahresende einer eher düsteren Einschätzung der wirtschaftlichen Perspektiven gewichen. Am Ende des Sommers war der Markt der Ansicht, auch die USA stünden unausweichlich vor einer Konjunkturabschwächung, was dann den starken Kursrückgang des US-amerikanischen Marktes im vierten Quartal 2018 erklärte. Zudem haben geopolitische Ereignisse, wie vor allem der Handelskonflikt zwischen den USA und China, nicht zur Entspannung der Situation beigetragen.
Entwicklung der Aktienmärkte seit Januar 2018 (in lokaler Währung, asiatische Märkte in USD)
Das Jahr 2019 beginnt mit großen Unsicherheiten. Diese betreffen sowohl die Entwicklung der Weltwirtschaft als auch die Politik der Zentralbanken und die geopolitische Situation. Anleger sollten daher keine allzu rigide Strategie verfolgen, sondern bereit sein, ihren Kurs im Laufe des Jahres gegebenenfalls anzupassen. Der kräftige Aufschwung der Aktienkurse in den ersten drei Wochen des Jahres hat zahlreiche Anleger überrascht. Da die Anlegerstimmung häufig von der aktuellen Performance der Märkte beeinflusst wird, litt das Vertrauen der Anleger in die Aktienmärkte zum Jahresende 2018, und so starteten sie vielleicht zu pessimistisch ins neue Jahr.
Verzicht auf Zinserhöhungen
Trotz des aktuellen Kursanstiegs sollte das Gebot der Stunde zum Jahresbeginn jedoch vor allem der Kapitalerhalt sein und weniger die Suche nach Kursgewinnen. Die erste Jahreshälfte dürfte davon gekennzeichnet sein, dass Wirtschafts- und Unternehmensgewinnprognosen nach unten korrigiert werden. Solange dieser Trend anhält, wird es schwerlich zu einer nachhaltigen Erholung der Aktienmärkte kommen. Eine weniger aggressive Zinsstraffungspolitik der Federal Reserve (beziehungsweise der Verzicht auf weitere Zinserhöhungen) könnte den Märkten Auftrieb verleihen – doch nur dann, wenn sie nicht mit einer übermäßig starken Wirtschaftsabschwächung einhergeht.
Allgemein gesprochen befinden wir uns in einem Stadium, in dem die Bereitschaft der Zentralbanken zur Normalisierung ihrer Geldpolitik auf ein erstes großes Hindernis trifft, nämlich die zyklische Abschwächung der Wirtschaft. Dies wird zu höherer Volatilität an den Finanzmärkten führen. Der veränderte Ton der Federal Reserve zeigt, dass die Zentralbanken die Finanzmärkte weiterhin aufmerksam verfolgen.
Es wird für die Notenbanken jedoch immer schwieriger, auf Kursabschwünge zu reagieren, da sich das makroökonomische Umfeld zwischenzeitlich verändert hat. Da die negative Produktionslücke (Differenz zwischen realem und potenziellem Wachstum) schwindet und die Deflationsgefahr nachlässt, wird es schwerer, nicht-konventionelle geldpolitische Maßnahmen zu rechtfertigen.
Bilanzen der Notenbanken aufgebläht
Und welche Instrumente blieben den Währungshütern, falls sich die wirtschaftliche Lage deutlich verschlechtern würde? Die Leitzinsen liegen schon heute weit unter dem Stand von vor der Krise von 2008, die Bilanzen der Notenbanken sind enorm aufgebläht, und die Staatsverschuldung ist noch viel höher als vor zehn Jahren. Daher ist es möglich, dass die Zentralbanken bei einem deutlichen Konjunkturabschwung zu weitergehenden nicht-konventionellen Maßnahmen greifen würden.
Unklar ist jedoch, ob diese die gleiche positive Wirkung auf die Finanzmärkte hätten. Denn: Wenn es mit nicht-konventioneller Zinspolitik nicht gelungen ist, die Weltwirtschaft auf einen nachhaltigen Wachstumsweg zurückzuführen – wie sollten es andere, noch weniger konventionelle Maßnahmen dann schaffen?
Es wäre jedoch kontraproduktiv, eine allzu negative Haltung gegenüber den Märkten einzunehmen. Wie oben erwähnt, ist das Bewertungsniveau im vergangenen Jahr erstaunlich stark gesunken. Ein schwierigeres Umfeld scheint also zumindest teilweise schon in den aktuellen Kursen berücksichtigt. Gleichzeitig bleiben die Zinsen auf einem extrem niedrigen Niveau und manche der Faktoren, die die Konjunkturabschwächung bedingt hatten, haben sich zwischenzeitlich umgekehrt: Der Rückgang des Ölpreises und sinkende Anleiherenditen im vierten Quartal 2018 könnten insbesondere den privaten Konsum in den USA stimulieren.
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