BLI-Investmentchef Guy Wagner
Es ist noch zu früh für eine Rückkehr der Inflation
Guy Wagner: Der Investmentchef der Banque de Luxembourg Investments (BLI) blickt auf ein negatives Börsenjahr 2018 zurück und gibt Tipps für die richtige Anlagestrategie 2019. Foto: BLI - Banque de Luxembourg Investments
Bei der Wahl ihrer Anlagestrategie für das Börsenjahr 2019 sollten Anleger eine weltweite Konjunkturschwäche berücksichtigen, empfiehlt Guy Wagner, Investmentchef der Banque de Luxembourg Investments (BLI). Das sollte beispielsweise langfristigen US-Staatsanleihen zugutekommen.
Angst vor US-Rezession ist verfrüht
Wenn die aktuelle Konjunkturabschwächung nicht zu heftig ausfiele und mehr die Form einer weichen Landung hin zu einem moderaten Wachstum wie in den Jahren 2011 bis 2016 annähme, und wenn die Federal Reserve gleichzeitig ihre Zinserhöhungspolitik beendete, würden die Märkte ausgesprochen positiv reagieren. Die Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in den USA ist derzeit zumindest verfrüht.
Festzuhalten ist jedoch, dass die Konjunkturzyklen heute immer stärker das Ergebnis der Entwicklung auf den Finanzmärkten sind. Auch die Rezessionen von 2001/2002 und 2008/2009 waren schließlich Folge von einbrechenden Aktienmärkten....
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Angst vor US-Rezession ist verfrüht
Wenn die aktuelle Konjunkturabschwächung nicht zu heftig ausfiele und mehr die Form einer weichen Landung hin zu einem moderaten Wachstum wie in den Jahren 2011 bis 2016 annähme, und wenn die Federal Reserve gleichzeitig ihre Zinserhöhungspolitik beendete, würden die Märkte ausgesprochen positiv reagieren. Die Angst vor einer unmittelbar bevorstehenden Rezession in den USA ist derzeit zumindest verfrüht.
Festzuhalten ist jedoch, dass die Konjunkturzyklen heute immer stärker das Ergebnis der Entwicklung auf den Finanzmärkten sind. Auch die Rezessionen von 2001/2002 und 2008/2009 waren schließlich Folge von einbrechenden Aktienmärkten. So könnte ein Kursverfall skurrilerweise zu einer Rezession führen, die wiederum rechtfertigen würde, warum die Kurse gefallen sind.
Bewertungen insgesamt noch hoch
Trotz des gesunkenen Bewertungsniveaus 2018 bleiben die Bewertungen an den meisten Märkten insgesamt hoch, vor allem, wenn man die weit über dem Durchschnitt liegenden Gewinnmargen der Unternehmen betrachtet. Zwei Dinge sind mit Blick auf die Hausse seit 2009 festzuhalten: Zum einen stiegen die Kurse deutlich stärker als die Unternehmensgewinne, so dass sich das Bewertungsniveau der Aktienmärkte erhöht hat. Zum anderen übertraf das Gewinnwachstum bei weitem das Umsatzwachstum, was sich in deutlich höheren Gewinnmargen widerspiegelt.
Vor allem in den USA war noch ein dritter Trend zu beobachten: In dem Maße, wie Unternehmen massiv eigene Aktien vom Markt zurückkauften, überstieg der Gewinnanstieg je Aktie deutlich das Gewinnwachstum. Häufig wurden Aktienrückkäufe durch Verschuldung finanziert. In der Folge ist das Verschuldungsniveau von US-Unternehmen gestiegen und liegt heute auf beunruhigend hohem Niveau – vor allem, wenn man die wenigen Technologieriesen aus der Rechnung herausnimmt, die enorm viel Liquidität halten und sehr gesunde Bilanzen aufweisen.
Bewertungsniveau bestimmt Rendite
Letztlich ist es das Bewertungsniveau der Aktien, das über die künftige Rendite bestimmt. Nehmen wir zum Beispiel eine Aktie wie Nestlé, die heute mit dem etwa 20-Fachen ihres Gewinns gehandelt wird, und stellen wir uns vor, das Unternehmen schaffe es, seinen Gewinn in den kommenden zehn Jahren um 5 Prozent jährlich zu steigern. Wäre der Markt in zehn Jahren immer noch bereit, das 20-Fache der Gewinne zu zahlen, so läge der Kurs der Aktie bei 135 Schweizer Franken (CHF), und ein Anleger hätte eine jährliche Rendite von 5 Prozent erzielt (zuzüglich der jährlichen Dividende).
Sollte der Markt jedoch nur noch bereit sein, das 15-Fache der Gewinne zu zahlen, läge der Kurs lediglich bei 100 CHF, und die jährliche Rendite betrüge nur etwa 2 Prozent (zuzüglich Dividende). Und umgekehrt: Wären Anleger bereit, das 25-Fache der Gewinne zu zahlen, so läge die jährliche Rendite für den Anleger bei 7,5 Prozent (zuzüglich Dividende). Dabei bleibt Nestlé in allen drei Szenarien dasselbe Unternehmen, und auch das Gewinnwachstum hätte sich nicht verändert.
Das Einzige, das sich ändert, ist der Preis, den Anleger für diesen Gewinn zu zahlen bereit sind. Wie beschrieben, hängt das Bewertungsniveau von harten Faktoren wie dem Zinsniveau ab, aber auch von weichen (und weniger vorhersehbaren) Faktoren wie der Stimmung der Marktteilnehmer und ihrer Einschätzung der Lage.
Unabhängig von Stimmungswechseln
Aus dem Gesagten folgt: Will man die meisten Trümpfe auf seiner Seite haben und unabhängig sein von einem möglichen Stimmungswechsel der Anleger, sollte man dann kaufen, wenn das Bewertungsniveau niedrig ist. Die große Hausse der 1980er- und 1990er-Jahre hatte 1982 mit sehr niedrigen Bewertungen begonnen.
Die Inflationsphase der 1970er-Jahre und der daraus folgende Zinsanstieg hatten zur Folge, dass Aktien von Anlegern massiv vernachlässigt wurden. Anschließend führten Inflationsrückgang und sinkende Zinsen zu einem Anstieg des Bewertungsniveaus.
Kalter Krieg und Globalisierung
Eine Rolle spielten hier auch günstige geopolitische Entwicklungen wie das Ende des Kalten Krieges und die Globalisierung. Hinzu kam die demografische Struktur der Bevölkerung in den Industrieländern, die das verfügbare Sparvermögen steigen ließ. Diese Entwicklung ist jedoch in Umkehrung begriffen.
Das Aufwärtspotenzial der Zinsen scheint erschöpft, die Rückkehr zu einer Politik der nationalen Interessen zu Lasten der internationalen Zusammenarbeit führt zu wirtschaftlichen und geopolitischen Risiken, und die demografische Struktur der Bevölkerung hat sich mittlerweile so verändert, dass sie negativ auf das verfügbare Sparvermögen zu wirken droht. Langfristig stehen die Chancen also nicht schlecht, dass das Bewertungsniveau sinkt; umso schwerer wird es dann, mit Aktienanlagen hohe Renditen zu erwirtschaften.
Kurs/Gewinn-Verhältnis und normalisiertes Kurs/Gewinn-Verhältnis des S&P 500 seit 1927
Auch in schwierigen Marktsituationen ist es jedoch möglich, intelligent in Aktien zu investieren, sofern man beim Prozess der Wertpapierauswahl einen ausreichend langen Anlagehorizont verfolgt. Unser Ansatz bestand und wird immer darin bestehen, dass wir Qualitätsunternehmen auswählen, die nachhaltige Wettbewerbsvorteile besitzen, durch die sie eine hohe Rendite auf das eingesetzte Kapital erzielen können, und die solide Bilanzen vorweisen können, die ihre Eigenfinanzierungskraft belegen.
Zahlreiche Beobachter scheinen zurzeit von Aktien dieser Art abzuraten mit dem Hinweis, sie seien zu teuer. Es ist richtig, dass das Bewertungsniveau dieser Unternehmen über dem Durchschnitt liegt. Richtig ist aber auch, dass ihre Bewertungen noch weiter steigen könnten, wenn sich die wirtschaftlichen Perspektiven eintrüben.
Im aktuellen Umfeld sollte die Priorität auf eher defensiven Unternehmen liegen, die klare Ertragsaussichten bieten und deren Kurse durch Dividenden unterstützt werden, bis man irgendwann auf zyklische Qualitätsaktien zurückkommt, deren Kurse in vielen Fällen bereits stark gefallen sind.
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