Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer
10 Jahre Lehman-Pleite: Wo stehen wir?
Jörg Krämer ist Chefvolkswirt der Commerzbank. Foto: Commerzbank
Am 15. September ist es zehn Jahre her, dass die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers die Finanzmärkte und die Weltwirtschaft in ihren Grundfesten erschütterte. Solch eine Krise darf sich nicht wiederholen. Aber die Bilanz der seitdem ergriffenen Maßnahmen fällt gemischt aus. So ist der Hang zum Schuldenmachen noch nicht gebrochen, auch weil die Zentralbanken an den geldpolitischen Strategien der Vorkrisen-Zeit festhalten.
Unternehmen und Privathaushalte haben Schulden kaum abgebaut
Nicht nur die öffentlichen, sondern auch die privaten Schulden sind im Euroraum hoch. So sind die Verbindlichkeiten der nicht-finanziellen Unternehmen und privaten Haushalte seit der Lehman-Pleite kaum gefallen, obwohl sie in den Jahren zuvor stark gestiegen waren. Ein Grund dafür ist, dass die Schuldendienstlast (Zins- und Tilgungszahlungen) wegen der lockeren Geldpolitik der EZB massiv gefallen ist, was Druck von den Gläubigern nahm, ihre Bilanzen zu bereinigen (Grafik 4).
Das Problem der hohen privaten und öffentlichen Schulden, das auch zehn Jahre nach der Lehman-Pleite besteht,...
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Unternehmen und Privathaushalte haben Schulden kaum abgebaut
Nicht nur die öffentlichen, sondern auch die privaten Schulden sind im Euroraum hoch. So sind die Verbindlichkeiten der nicht-finanziellen Unternehmen und privaten Haushalte seit der Lehman-Pleite kaum gefallen, obwohl sie in den Jahren zuvor stark gestiegen waren. Ein Grund dafür ist, dass die Schuldendienstlast (Zins- und Tilgungszahlungen) wegen der lockeren Geldpolitik der EZB massiv gefallen ist, was Druck von den Gläubigern nahm, ihre Bilanzen zu bereinigen (Grafik 4).
Das Problem der hohen privaten und öffentlichen Schulden, das auch zehn Jahre nach der Lehman-Pleite besteht, lässt sich nur lösen, wenn die Privilegien fürs Schuldenmachen fallen:
Höhere Leitzinsen: Im Rahmen einer Strategie der umfassenden Stabilisierung (siehe oben) sollte insbesondere die EZB ihren Leitzins zügig anheben. Damit schärft sie das Risikobewusstsein der Anleger. Sie werden dann nicht mehr wie in den Jahren vor der Lehman-Pleite bereit sein, zu hohe Schulden von Banken, Hauskäufern und Staaten zu finanzieren.
Anleihenkäufe beenden: Außerdem sollte die EZB nicht nur ihre Nettokäufe von Anleihen beenden (erwarten wir für Ende 2018), sondern auch die Wiederanlage fällig werdender Anleihen. Nur so verlieren Staaten und Unternehmen einen preisinsensitiven Investor und verspüren wieder mehr Anreize, sich durch maßvolle Schuldenstände für private Investoren attraktiver zu machen.
Schuldenbremsen mit Biss: Einige Staaten haben mittlerweile Schuldenbremsen beschlossen – auch Italien. Aber sie bieten zu viele Ausnahmen. Außerdem begrenzen sie in der Regel das um konjunkturelle Schwankungen bereinigte Haushaltsdefizit, und bei dessen Berechnung gibt es große Ermessensspielräume. Deshalb sollte diese Aufgabe an eine Institution delegiert werden, die unabhängig ist von Weisungen der Finanzministerien. Schuldenbremsen brauchen mehr Biss, damit sie wirken.
Eigenkapital für Staatsanleihen: Die Bankenaufsicht sollte den Geldinstituten vorschreiben, Staatsanleihen wie andere risikoreiche Anlagen zu behandeln und mit Eigenkapital zu unterlegen. Darüber hinaus sollten die Regeln für Großkredite auf Staatsschulden angewendet werden. Banken hätten dann weniger Anreize, Staatsanleihen zu halten, so dass die Finanzminister nicht mehr privilegiert wären.
Steuerliche Gleichbehandlung: Unternehmen können die Kosten für Fremdkapital, nicht aber für Eigenkapital vom zu versteuernden Einkommen abziehen. Die Bevorzugung des Schuldenmachens sollte beendet werden, ohne die gesamte Steuerlast für Unternehmen zu erhöhen.
Grafik 4: Euroraum: Niedrige Zinsen machen Schulden für private Gläubiger leichter tragbar
Schuldenstand und Schuldendienstlast (Zins- und Tilgungszahlungen) des privaten nicht-finanziellen Sektors, in Prozent des Bruttoinlandsproduktes
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