Wirecard-Spezialist Markus Eichinger
Voice Commerce – wann verschwindet die Benutzeroberfläche?
Markus Eichinger ist Executive Vice President Group Strategy beim Technologieunternehmen Wirecard. Foto: Wirecard
„Omnichannel“ ist im Handel derzeit in aller Munde. Das wundert nicht, denn für Kunden von heute spielt das Einkaufs-Erlebnis eine immer stärkere Rolle – mehr als Produkt, Preis, Ort oder Werbemaßnahmen. Markus Eichinger von Wirecard hat sich auf die Spur des Phänomens begeben.
„Omnichannel“ ist derzeit in aller Munde. Das wundert nicht, spielt doch für Kunden heute das Einkaufs-Erlebnis eine immer gößere Rolle – mehr als Produkt, Preis, Ort oder Werbemaßnahmen. Verschiedene Studien zeigen, dass die vier „P“ (product, pricing, promotions, place) für das Marketing ihre Allgemeingültigkeit verloren haben, insbesondere durch die veränderten Kaufgewohnheiten der Generation Z, also der nach 1997 Geborenen.
Aber was sind diese Omnichannel-„Kanäle“ eigentlich? Ich möchte es hier einmal mit der technischen Darstellung versuchen und Kanäle als Benutzeroberfläche darstellen. Man könnte auch den englischen, treffenderen Begriff „User Interface“ (UI) verwenden. Meine Beobachtung...
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„Omnichannel“ ist derzeit in aller Munde. Das wundert nicht, spielt doch für Kunden heute das Einkaufs-Erlebnis eine immer gößere Rolle – mehr als Produkt, Preis, Ort oder Werbemaßnahmen. Verschiedene Studien zeigen, dass die vier „P“ (product, pricing, promotions, place) für das Marketing ihre Allgemeingültigkeit verloren haben, insbesondere durch die veränderten Kaufgewohnheiten der Generation Z, also der nach 1997 Geborenen.
Aber was sind diese Omnichannel-„Kanäle“ eigentlich? Ich möchte es hier einmal mit der technischen Darstellung versuchen und Kanäle als Benutzeroberfläche darstellen. Man könnte auch den englischen, treffenderen Begriff „User Interface“ (UI) verwenden. Meine Beobachtung ist, dass UIs zumindest im elektronischen Handel immer unsichtbarer werden. Dies schafft völlig neue Möglichkeiten für die Gestaltung dieser „unsichtbaren UI“ (Stichwort: Voice Commerce), aber auch für die Gestaltung der „physischen UI“ (Stichwort: In-Store-Erlebnis).
Aber fangen wir von vorne an: Im Computerbereich ist UI definiert als der Ort, an dem Interaktionen zwischen Mensch und Maschine stattfinden – zum Beispiel der Bildschirm Ihres Smartphones, eine Fernbedienung, eine Maschinenschalttafel oder die Computertastatur mit -Bildschirm.
Hier möchte ich die Bedeutung konzeptionell erweitern und die UI als jene „Schnittstelle“ definieren, die für den Kauf von und die Information über Waren benötigt und verwendet wird. Eine UI in diesem Sinne wäre also auch das klassische Schaufenster im traditionellen Handel.
Handel früher: sehr umfangreiche UIs
Händler im Mittelalter in Europa und auch heute noch, z.B. in traditionellen Souks, bieten wohl die reichhaltigste „Benutzeroberfläche“: Die Qualität von Lebensmitteln oder anderen Handelswaren fühlen, sie berühren oder zu riechen ist vermutlich die reichhaltigste Form von Interaktion, die nur vorstellbar ist. Die Interaktion ist dabei auch sehr direkt: Der Ladenbesitzer verkauft und berät seine Kunden persönlich in einem 1:1-Verhältnis.
Es gibt praktisch keinen Standard für diese Art von UI in traditionellen Märkten: Jeder Ladenbesitzer entwirft und präsentiert die Waren so, wie es für sein Unternehmen am sinnvollsten ist und auch die Preisgestaltung liegt völlig in den Händen der einzelnen Händler. Suche und Transparenz sind deshalb natürlich ein Problem für den Kunden – etwa auf einem Flohmarkt gezielt etwas zu suchen, ist einfach nicht möglich. Dennoch ist diese Form des Handels in vielen Ländern wie Indien, China oder Russland noch immer die weitverbreitetste (Quelle: The Atlas).
Wussten Sie, dass in vielen Ländern wie Indien, China oder Russland der meiste Handel noch immer in diesen traditionellen Formen stattfindet (Quelle: The Atlas)?
Ladenketten und Einkaufszentren: „Die Standardisierung der physischen Benutzeroberfläche“
Die großen Warenhausketten, die ab Mitte des 19. Jahrhunderts in Frankreich entstanden sind, und die großen Einkaufszentren, die sich ab den 1940er Jahren in den USA meist an den Stadträndern entwickelt haben, schufen damals ein ganz neues Einkaufserlebnis.
Eine großzügige Umgebung, eine Fülle von Produkten und ein Hauch von Luxus und Exklusivität waren genau das, was die Nachkriegsbevölkerung brauchte. Der Höhepunkt großer Kaufhäuser und riesiger Einkaufszentren war sicherlich die Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis Mitte / späte 2000er Jahre, als der Internethandel begann.
Aus der "UI-Perspektive" bedeutet ein Warenhaus nichts anderes als eine Art Standardisierung – als Techniker könnte man sogar sagen, eine Warenhauskette ist ein „UI-Framework“. Nur durch eine solche Standardisierung war es möglich, große Mengen von Waren an einem Ort zu präsentieren. Dies geschah jedoch auf Kosten der Individualität, des Einkaufserlebnisses und der Markenbekanntheit. So ist es keine Überraschung, dass das Internet die klassischen Einkaufszentren und Warenhausketten überholt hat.
Um Kunden zurückzugewinnen, führen erfolgreiche Warenhäuser nun Shop-in-Shop-Konzepte, Markenstores und Erlebnisbereiche ein – sie bringen quasi den Souk zurück ins Einkaufszentrum.
Das Zeitalter des E-Commerce: Die Benutzeroberfläche reduziert sich weiter
In den 2000er Jahren begann das Zeitalter des E-Commerce. Was mit Hype und Insolvenzen begann, ist heute ein weltweiter Markt mit einem Umsatz von 2,8 Billionen US-Dollar, der bis 2021 auf 4,9 Billionen wachsen wird, schätzt Statista. Und wenn man sich ansieht, was in China mit Alibaba oder JD.com passiert, dann sieht man, wie schnell sich diese Entwicklung vollziehen kann.
Der Wandel zum E-Commerce ist ein viel größerer Umbruch als der Übergang vom Tante-Emma-Laden zu Kaufhäusern. Das schiere Online-Warenangebot in Kombination mit elektronischer Durchsuchbarkeit und Preisvergleichbarkeit hat zu einem starken Druck auf Hersteller, Logistikunternehmen und stationäre Geschäfte geführt.
Aber in Bezug auf die UI ist E-Commerce viel weniger vielfältig als physische Geschäfte: Es werden nicht nur weniger Sinne angesprochen (lediglich das Hören und das Sehen), sondern diese auch nur in eingeschränkter Form: Nur äußerst selten bereichert Audio das Online-Shopping-Erlebnis. Was die visuelle Darstellung betrifft, so ist die Größe eines Bildschirms viel kleiner als die Darstellungsmöglichkeiten der realen Welt. Das bedeutet, dass es viel schwieriger ist, Produkte richtig zu erleben – daher bin ich nicht überrascht von einer Rücklaufquote im E-Commerce von mehr als 30 Prozent gegenüber weniger als 9 Prozent beim stationären Handel.
Aber in Bezug auf die Benutzeroberfläche ist der E-Commerce viel weniger vielfältig als physische Geschäfte: Es werden nicht nur weniger Sinne angesprochen (nur das Hören und das Sehen), sondern auch nur in eingeschränkter Form: Selten bereichert Audio das Online-Shopping-Erlebnis (und wenn ja, gefällt es Ihnen wirklich?). Was die Sichtbarkeit betrifft, so ist die Größe eines Bildschirms viel kleiner als die der "realen" Welt. Das bedeutet, dass es viel schwieriger ist, Produkte richtig zu erleben - daher bin ich nicht überrascht von einer Rücklaufquote im E-Commerce von mehr als 30 Prozent gegenüber weniger als 9 Prozent beim stationären Handel.
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