Robert Habeck zur Hartz-IV-Debatte
Die Wirtschaft von der Gesellschaft her denken
Robert Habeck ist Bundesvorsitzender von Bündnis 90/ Die Grünen.
Ein Plädoyer für ein neues Garantiesystem, das ermutigt, den Wandel in der Arbeitswelt zu bestehen. Unser Problem ist nicht mehr die Massenarbeitslosigkeit, sondern der Fachkräftemangel.
Das Hartz-IV-System, begründet vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder mit dem Satz „Es gibt kein Recht auf Faulheit“, verkehrt den Leistungsgedanken jedoch ins Gegenteil. Der Staat legt ausgerechnet jenen Steine in den Weg, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und versuchen, durch eigene Anstrengung einen Aufstieg zu schaffen.
Während hohe Einkommen in Deutschland mit höchstens 42 Prozent Spitzensteuersatz der Einkommensteuer herangezogen werden, müssen diejenigen, die am wenigsten verdienen, 80, 90 oder 100 Prozent abgeben – nämlich Bezieher des Arbeitslosengeldes, die aber zusätzlich arbeiten. Welch ein Frust, welche Entmutigung. Um das zu ändern, sollten wir dafür sorgen, dass...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Das Hartz-IV-System, begründet vom damaligen Kanzler Gerhard Schröder mit dem Satz „Es gibt kein Recht auf Faulheit“, verkehrt den Leistungsgedanken jedoch ins Gegenteil. Der Staat legt ausgerechnet jenen Steine in den Weg, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und versuchen, durch eigene Anstrengung einen Aufstieg zu schaffen.
Während hohe Einkommen in Deutschland mit höchstens 42 Prozent Spitzensteuersatz der Einkommensteuer herangezogen werden, müssen diejenigen, die am wenigsten verdienen, 80, 90 oder 100 Prozent abgeben – nämlich Bezieher des Arbeitslosengeldes, die aber zusätzlich arbeiten. Welch ein Frust, welche Entmutigung. Um das zu ändern, sollten wir dafür sorgen, dass jede und jeder mindestens 30 Prozent des verdienten Geldes behalten kann.
Wenn Menschen mehr von ihrem Zuverdienst behalten dürfen, steigt logischerweise die Zahl der Berechtigten, so dass mehr Menschen einen Anspruch auf staatliche Unterstützung hätten als bislang. Das mag auf den ersten Blick irritieren, aber Tatsache ist, dass damit die Geringverdiener entlastet werden – also die hart arbeitenden Leistungsträger, die für sehr wenig Geld nachts die Flure der Großbanken wischen und von deren Arbeit wir alle profitieren.
Es ist eben gerade nicht – wie häufig behauptet wird – so, dass eine solche Veränderung des Arbeitslosengeldes durch die Steuern der hart arbeitenden Krankenschwester bezahlt würde. Im Gegenteil: Genau diese Krankenschwester wird selbst einen Anspruch erhalten und so indirekt von Steuern und Abgaben entlastet. Das kostet natürlich. Die dadurch entstehenden Kosten würden aber durch eine ohnehin erforderliche Erhöhung des Mindestlohns und ein starkes Arbeitsrecht geringer ausfallen, weil sich die Löhne dadurch erhöhen werden.
Dem Hartz-IV-System liegt der Gedanke zugrunde, dass der Mensch ohne Druck nicht arbeiten würde. Das wird aber schon allein durch die Tatsache widerlegt, dass etwa 1,1 Millionen Menschen arbeiten, obwohl sie im Hartz-System durch die Anrechnungsregelungen nur 20 Prozent oder weniger dieses Arbeitseinkommens behalten dürfen. Diese sogenannten „Aufstocker“ arbeiten oft für weniger als 2 Euro netto die Stunde – und sie arbeiten trotzdem.
Menschen sind viel produktiver, kreativer und leistungswilliger, wenn man sie ermutigt, anstatt mit Zwang zu drohen. Deshalb schlagen wir vor, einen
Anreizmechanismus an die Stelle der Sanktionen zu setzen: Arbeitslose, die sich besonders bemühen, sollten eine Leistungsprämie erhalten. Die Sanktionen dagegen – und der Sanktionsparagraph, ist einer der längsten und ausführlichsten der Hartz-IV-Regelungen und löst Unmengen an Bürokratie aus – sollten abgeschafft werden.
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