Chefökonom Shamik Dhar
Die italienische Wirtschaft ist eine größere Bedrohung als der Brexit
Shamik Dhar, Chefökonom von BNY Mellon Investment Management Foto: BNY Mellon IM
Es gibt im Moment fast keine Nachrichten mehr ohne das Wort “Brexit”. Zweifellos wird ein harter Brexit die Eurozone treffen. Ist das jedoch das größte europäische Risiko für die Weltwirtschaft?
Die Europäische Zentralbank unter der Leitung von Mario Draghi hat ein “Doom-Loop-Szenario” bisher verhindert. Mario Draghi hat sich auf sein Quantitative-Easing-Programm gestützt, um sein Versprechen einzuhalten, "alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Allerdings könnte 2019 das letzte Jahr dieses Programms sein, da Mario Draghis Amtszeit im Oktober des Jahres endet, was die weitere Entwicklung etwas unsicher macht.
Wir können uns darauf einstellen, dass die neue populistische Regierung in Rom auf dem Prüfstand steht und die Märkte besorgt auf ihre geplanten fiskalischen Impulse reagieren. Die italienische Staatsverschuldung beträgt mehr als das Doppelte der 130 Prozent...
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Die Europäische Zentralbank unter der Leitung von Mario Draghi hat ein “Doom-Loop-Szenario” bisher verhindert. Mario Draghi hat sich auf sein Quantitative-Easing-Programm gestützt, um sein Versprechen einzuhalten, "alles zu tun, was nötig ist, um den Euro zu retten". Allerdings könnte 2019 das letzte Jahr dieses Programms sein, da Mario Draghis Amtszeit im Oktober des Jahres endet, was die weitere Entwicklung etwas unsicher macht.
Wir können uns darauf einstellen, dass die neue populistische Regierung in Rom auf dem Prüfstand steht und die Märkte besorgt auf ihre geplanten fiskalischen Impulse reagieren. Die italienische Staatsverschuldung beträgt mehr als das Doppelte der 130 Prozent des Bruttosozialproduktes, das in der Eurozone erlaubt ist. Hinzu kommt, dass Italien die Zinssätze nicht unter der nominalen Wachstumsrate der Wirtschaft halten kann – anders als beispielsweise Japan, das seine Schulden auf diese Weise hätte abtragen können.
Es ist verständlich, wenn Italien seine Wirtschaft ankurbeln möchte. Allerdings könnten steigende Renditen für italienische Staatsanleihen eine erneute italienische Krise auslösen und deutsche und französische Banken schwächen. Eine mögliche Folge: Die gesamte Eurozone könnte in den Sog der Italien-Krise geraten.
Solche Bedenken sind nicht unbegründet, da die wirtschaftliche Situation in Europa ohnehin mit Sorge betrachtet wird: Der Stimmungsindikator der Europäischen Kommission zur Wirtschaftslage in Europa sorgte im Dezember für schlechte Nachrichten, nachdem das Jahr 2018 schon schwach endete. Es zeigte eine enttäuschte Stimmung über alle Wirtschaftsektoren hinweg mit einer Ausnahme: Dem Einzelhandel. Die Hoffnung, dass die Wirtschaft in Europa die Euro-Krise zwischen 2011und 2013 endlich überwinden kann, wurde enttäuscht.
In Anbetracht der potenziellen Risiken, die von der angeschlagenen italienischen Wirtschaft ausgehen, ist es aus meiner Sicht geboten, das Gewicht zu überdenken, das die Medien dem Brexit beimessen und zu fragen, was mit Italien und der Eurozone geschehen soll.
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