Chefökonom Shamik Dhar
Die italienische Wirtschaft ist eine größere Bedrohung als der Brexit
Shamik Dhar, Chefökonom von BNY Mellon Investment Management Foto: BNY Mellon IM
Es gibt im Moment fast keine Nachrichten mehr ohne das Wort “Brexit”. Zweifellos wird ein harter Brexit die Eurozone treffen. Ist das jedoch das größte europäische Risiko für die Weltwirtschaft?
Wirft man einen Blick auf den Süden Europas, besteht in Italien eine potenziell größere Gefahr. Italien ist mit wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen konfrontiert und birgt größere Risiken für den Rest der Welt als ein Brexit.
In Italien liegt das Hauptproblem im Verhältnis zwischen der Staatsverschuldung und den italienischen Banken. Auf der einen Seite ist die Staatsverschuldung Italiens hoch, die Wirtschaft stagniert seit rund 20 Jahren und könnte auf eine Rezession zusteuern.
Auf der anderen Seite stehen die italienischen Banken, die finanziell schwach sind und hohe italienische Staatsschulden in ihren Bilanzen haben. Für sie ist es deshalb schwierig, ihre Anleihe-Emissionen...
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Wirft man einen Blick auf den Süden Europas, besteht in Italien eine potenziell größere Gefahr. Italien ist mit wirtschaftlichen und politischen Turbulenzen konfrontiert und birgt größere Risiken für den Rest der Welt als ein Brexit.
In Italien liegt das Hauptproblem im Verhältnis zwischen der Staatsverschuldung und den italienischen Banken. Auf der einen Seite ist die Staatsverschuldung Italiens hoch, die Wirtschaft stagniert seit rund 20 Jahren und könnte auf eine Rezession zusteuern.
Auf der anderen Seite stehen die italienischen Banken, die finanziell schwach sind und hohe italienische Staatsschulden in ihren Bilanzen haben. Für sie ist es deshalb schwierig, ihre Anleihe-Emissionen zu refinanzieren. Die Folge: Sie sind gezwungen, die Kreditvergabe für den ohnehin schon schwachen Privatsektor zu senken. In der Tat ist die Lage so ernst, dass die Europäische Zentralbank kürzlich die Kontrolle über die Banca Carige übernehmen musste. Für viele hat dieser Schritt die Erinnerung an die letzte Krise der Eurozone wachgerufen, die von Griechenland ausging.
Es scheint nun, dass Italien durch das fatale Abhängigkeitsverhältnis zwischen Staat und Banken in eine Abwärtspirale getrieben werden könnte – im Fachjargon als “Doom Loop” bezeichnet. Denn die hohe Staatsverschuldung Italiens wirkt sich unweigerlich auf seine Banken aus, die einen hohen Anteil an Staatschulden halten. Wenn die Märkte das Vertrauen in die Finanzkraft entweder des italienischen öffentlichen Sektors oder der Banken verlieren, dann könnten die schlimmsten Befürchtungen der Banken und Politiker in ganz Europa wahr werden.
Bedauerlicherweise hat Italien Übung in Sachen Rezession. Italiens schlechte Wirtschaftsleistung übertrifft regelmäßig nur knapp Griechenland. Warum allerdings Italien gegenüber Griechenland im Fokus des allgemeinen Interesses steht, liegt daran, dass die italienischen Staatsschulden ein Viertel aller Forderungsausfälle im Euroraum ausmachen und insbesondere französische und deutsche Banken diesen Risiken ausgesetzt sind.
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