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Asien-Experte Stefan Scheurer
Chinas neue Seidenstraße
Stefan Scheurer ist Asien-Experte und Direktor der Research-Abteilung bei Allianz Global Investors. Bildquelle: Allianz GI
„One Belt, One Road“ – vor mehr als 2.000 Jahren ermöglichte die Seidenstraße einen grenzüberschreitenden Handel zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise über verschiedene Land- und Seewege hinweg. Ein Blick in die Geschichte könnte daher hilfreich sein, um Antworten auf die Herausforderungen der heutigen Zeit zu finden, die durch zunehmenden Protektionismus und wachsende Kritik an Globalisierung und Welthandel geprägt ist.
Mit der von China angestoßenen „One Belt, One Road“-Initiative (OBOR) soll der Geist der Zusammenarbeit und Vernetzung der historischen Seidenstraße wiederbelebt werden. Doch inwieweit wird diese vom chinesischen Präsidenten Xi Jinping als „Jahrhundertprojekt“ bezeichnete Initiative in der Lage sein, die Konjunkturflaute zu überwinden und das Wachstum der Weltwirtschaft anzukurbeln? Und welche globalen Ambitionen verfolgt China mit der Forcierung einer neuen Seidenstraße?
Handel – Vorstoß in neue Märkte
Nach der Aufnahme in die Welthandelsorganisation (WTO) im Jahr 2001 hat sich China unterstützt durch Globalisierung und günstige demografische Rahmenbedingungen zum globalen Produktionsstandort und -drehkreuz entwickelt. Die Alterung der chinesischen Gesellschaft, der Rückgang der Erwerbsbevölkerung und der zunehmende Protektionismus wirken sich jedoch zusehends negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit im unteren Preissegment aus. China ist somit gezwungen, die Wertschöpfungskette nach oben zu klettern und eine Neuausrichtung seines Wachstumsmodells einer investitions- und exportgetriebenen Ökonomie hin zu einer stärker binnenmarktorientierten Volkswirtschaft voranzutreiben. In Anbetracht des eskalierenden Handelskonflikts zwischen China und den USA rückt außerdem die Erschließung neuer Exportmärkte in den Fokus.
Angesichts der Spannungen in den Handelsbeziehungen sucht China nach Alternativen, um dem Ziel seines globalen Führungsanspruchs näherzukommen und zugleich seine Binnenwirtschaft zu stärken. In seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsforum 2017 in Davos sprach der chinesische Präsidenten Xi Jinping diese Ambitionen erstmals deutlich an: „Ja, die Globalisierung hat neue Probleme geschaffen; dies ist jedoch keine Rechtfertigung, sie als Ganzes abzuschreiben. Stattdessen sollten wir uns an die Globalisierung anpassen und sie lenken, ihre negativen Auswirkungen abfedern und ihre Vorteile allen Ländern zugute kommen lassen.“ In seinen Augen sei die „Integration in die Weltwirtschaft ein historischer Trend“.
Alternativen zum Transpazifischen Partnerschaftsabkommen
Die USA zogen sich 2017 aus dem geplanten Abkommen zur Transpazifischen Partnerschaft (Trans-Pacific Partnership, TPP) zurück. Die Verhandlungen zu diesem Handelsabkommen wurden 2008 aufgenommen und in den darauffolgenden acht Jahren maßgeblich von den USA geprägt. Nach einer Studie des Peterson Institute for International Economics (PIIE) hätte TPP bis zum Jahr 2030 durch Steigerung des BIP der Teilnehmerländer zu Einkommensgewinnen von insgesamt 465 Mrd. USD beigetragen. Nun entstehen neue globale Lieferketten ohne die USA:
− Die asiatisch-pazifische Freihandelszone FTAAP (Free-Trade Area of the Asia-Pacific),
− Das transpazifische Freihandelsabkommen CPTPP (Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership) aus den elf verbliebenen Ländern des ursprünglichen TPP-Abkommens. Weitere Pazifikanrainerstaaten haben ihren Beitrittswillen bekundet, darunter Indonesien, Philippinen, Südkorea, Taiwan und Thailand.
− Die regionale Wirtschaftspartnerschaft RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) zwischen den zehn ASEAN-Staaten und sechs weiteren Ländern der Asien-Pazifik-Region (Australien, China, Indien, Japan, Neuseeland und Südkorea). Dieser Wirtschaftsraum mit 3,4 Mrd. Menschen und einer Wirtschaftsleistung von 21 Bio. USD macht 30 % des globalen BIP und fast 40 % des gesamten Welthandels aus. (siehe Schaubild 1).
