Asien-Experte Stefan Scheurer
Chinas neue Seidenstraße
Stefan Scheurer ist Asien-Experte und Direktor der Research-Abteilung bei Allianz Global Investors. Foto: Allianz GI
„One Belt, One Road“ – vor mehr als 2.000 Jahren ermöglichte die Seidenstraße einen grenzüberschreitenden Handel zwischen Menschen unterschiedlicher Kulturkreise über verschiedene Land- und Seewege hinweg. Ein Blick in die Geschichte könnte daher hilfreich sein, um Antworten auf die Herausforderungen der heutigen Zeit zu finden, die durch zunehmenden Protektionismus und wachsende Kritik an Globalisierung und Welthandel geprägt ist.
Langfristige Strategie
Auf ökonomischer Seite dürfte die chinesische Regierung, die derzeit den Schuldenabbau des Landes vorantreibt, bei Infrastrukturprojekten stärker auf Qualität statt Quantität setzen. Zwar werden mit diesen Projekten Erträge erzielt, es mehren sich jedoch Zweifel an einigen Aspekten der schuldenfinanzierten OBOR-Initiative. China war davon ausgegangen, die günstigen Konditionen seiner nationalen Infrastrukturprojekte 1:1 auf das Ausland übertragen zu können. Beispiel Venezuela: China ist einer der größten Gläubiger des Landes – mit Krediten, liquiden Mitteln und Investitionen im Volumen von 65 Mrd. USD im Zeitraum 2007–2016. Nach...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Langfristige Strategie
Auf ökonomischer Seite dürfte die chinesische Regierung, die derzeit den Schuldenabbau des Landes vorantreibt, bei Infrastrukturprojekten stärker auf Qualität statt Quantität setzen. Zwar werden mit diesen Projekten Erträge erzielt, es mehren sich jedoch Zweifel an einigen Aspekten der schuldenfinanzierten OBOR-Initiative. China war davon ausgegangen, die günstigen Konditionen seiner nationalen Infrastrukturprojekte 1:1 auf das Ausland übertragen zu können. Beispiel Venezuela: China ist einer der größten Gläubiger des Landes – mit Krediten, liquiden Mitteln und Investitionen im Volumen von 65 Mrd. USD im Zeitraum 2007–2016. Nach Angaben der RWR Advisory Group sind seit 2013 bei Projekten im Umfang von über 400 Mrd. USD (was mehr als 30 % des Gesamtwertes entspricht) Probleme mit Leistungsverzögerungen, öffentlichem Widerstand und Kontroversen über die nationale Sicherheit aufgetreten. Der Fokus auf Qualität ist umso wichtiger in einer Zeit, in der China die Öffnung seiner Kapitalmärkte vorantreibt und als „verlässlicher Investor“ wahrgenommen werden möchte. China hat daher kein Interesse daran, das in den vergangenen Jahren hart erarbeitete Vertrauen aufs Spiel zu setzen.
Auf politischer Seite könnte die OBOR-Initiative in Verbindung mit dem geplanten Freihandelsabkommen RCEP unter Federführung von China als Versuch betrachtet werden, einen grundlegenden Rahmen für den Handel in Asien festzulegen. Das chinesische Handelsministerium hat die beiden Initiativen mehrfach explizit miteinander verknüpft. OBOR dient hierbei der Infrastrukturentwicklung zur Förderung von Handels-und Investitionsaktivitäten mit China, während RCEP zur Etablierung einer Freihandelszone beiträgt. Da China in beiden Fällen im Mittelpunkt steht, ist in diesem Zusammenhang auch häufig vom „chinesischen Marshall-Plan“ die Rede. Für Präsident Xi Jinping, der auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos davon sprach, dass sich die Welt „weiterhin dazu bekennen muss, freien Handel und Investitionen zu fördern […] und sich gegen Protektionismus aussprechen muss“, ist die OBOR-Initiative eine zentrale Strategie, um den strategischen Wert ausländischer Investitionen zu steigern und neue Exportmärkte zu erschließen (siehe Schaubild 6).
Die Zentralregierung in Peking hat widerholt betont, dass OBOR eine Vision von „Harmonie, Frieden und Wohlstand“ sei und weder eine geopolitische oder diplomatische Offensive noch eine geopolitische Verschwörung oder einen Plan zur Veränderung der bestehenden internationalen Ordnung darstelle. Die weitere Liberalisierung von Handel und Investitionen sowie die finanzielle Zusammenarbeit im Zuge der OBOR-Initiative zielen jedoch auch darauf ab, den Renminbi als globale Währung für die internationale Zahlungsabwicklung zu etablieren, während parallel hierzu mittelfristig die Liberalisierung des Kapitalverkehrs vorangetrieben wird.
Active is: Chinas globale Ambitionen zu verstehen
Im Gegensatz zu den USA, die sich 2017 aus dem Transpazifischen Partnerschaftsabkommen zurückzogen, ihren protektionistischen Kurses gegenüber anderen Staaten unvermindert fortsetzen und damit dem Welthandel den Rücken kehren, arbeitet China am Ausbau seiner regionalen Handelsbeziehungen, indem es die Verhandlungen über das Freihandelsabkommen „Regional Comprehensive Economic Partnership“ forciert, mit dessen Unterzeichnung im November 2018 gerechnet wird. Neben seinem Bekenntnis zum Welthandel setzte China mit der „One Belt, One Road“-Initiative von Anfang an auf die Vernetzung und Zusammenarbeit mit eurasischen Ländern.
Die OBOR-Initiative zählt zu den wichtigsten nationalen Strategien Chinas, da sie dazu beitragen könnte, den Einfluss des Landes in der Region auszubauen, Überschusskapazitäten zu absorbieren, die Vernetzung des Handels zu verbessern, die Internationalisierung des Renminbi zu fördern, unterentwickelte chinesische Provinzen zu unterstützen und die Energieversorgung des Riesenreichs zu diversifizieren. Neben China könnten jedoch auch die Länder entlang der OBOR-Routen profitieren, da der im Rahmen der Initiative geplante Ausbau der Transportinfrastruktur zur deutlichen Senkung der Transportkosten führen würde, was wiederum die Ausweitung des grenzüberschreitenden Handels durch niedrigere Zölle und höhere Investitionen begünstigt. All dies würde sich letztlich positiv auf das langfristige Wirtschaftswachstum auswirken, woraus Wohlstandseffekte für die gesamte Region entstünden (siehe Schaubild 7).
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