Degussa-Goldhandel-Chefvolkswirt Torsten Polleit
Die chronische Inflation durch die Vermehrung der Geldmenge
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel.
Das so genannte ungedeckte Papiergeld, wie zum Beispiel der Euro, ist kein verlässliches Wertaufbewahrungsmittel, sagt Thorsten Polleit. „Es verliert seine Kaufkraft im Zeitablauf, und zwar stärker, als viele meinen“, so der Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel.
Beginnen wir mit einer Beobachtung: Im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem wächst die Geldmenge chronisch schneller als die Güterproduktion; das lässt sich in allen Währungsräumen, in denen ungedecktes Papiergeld verwendet wird, beobachten. Abb. 1 zeigt die Verhältnisse für den Euroraum. In der Zeit 1996 bis Ende 2018 ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt um 1,5 Prozent pro Jahr gewachsen.
Das nominale Bruttoinlandsprodukt – das heißt das reale Bruttoinlandsprodukt bewertet zu laufenden Preisen – ist durchschnittlich um 3,1 Prozent pro Jahr gestiegen. Die Euro-Geldmenge ist am stärksten gewachsen: um 5,2 pro Jahr im Durchschnitt der Betrachtungsperiode. Wie...
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Beginnen wir mit einer Beobachtung: Im heutigen ungedeckten Papiergeldsystem wächst die Geldmenge chronisch schneller als die Güterproduktion; das lässt sich in allen Währungsräumen, in denen ungedecktes Papiergeld verwendet wird, beobachten. Abb. 1 zeigt die Verhältnisse für den Euroraum. In der Zeit 1996 bis Ende 2018 ist das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Durchschnitt um 1,5 Prozent pro Jahr gewachsen.
Das nominale Bruttoinlandsprodukt – das heißt das reale Bruttoinlandsprodukt bewertet zu laufenden Preisen – ist durchschnittlich um 3,1 Prozent pro Jahr gestiegen. Die Euro-Geldmenge ist am stärksten gewachsen: um 5,2 pro Jahr im Durchschnitt der Betrachtungsperiode. Wie erklärt sich das Auseinanderklaffen der Linien in der voranstehenden Graphik? Das chronische Anwachsen der Geldmenge lässt die Güterpreise im Zeitablauf ansteigen.
Die Geldmengenvermehrung sorgt also dafür, dass trotz eines zunehmenden Güterangebots die Preise nicht sinken (was man ja eigentlich erwarten würde!), sondern vielmehr im Zeitablauf in die Höhe klettern. Die „Lücke“ zwischen dem „BIP real“ und dem „BIP nominal“ ist folglich der preistreibenden Wirkung der Geldmengenausweitung zuzurechnen. Und wie ist die „Lücke“ zwischen der Geldmenge und dem „BIP nominal“ zu erklären? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten. Zum einen schlägt sich die Ausweitung der Geldmenge in einer erhöhten „Kassenhaltung“ nieder.
Konkret heißt das: Die Marktakteure haben in der Betrachtungsperiode bei einen Güterzuwachs von 1 Euro mehr als 1 Euro zusätzlich zur Kassenhaltung nachgefragt (beziehungsweise als Termin- und Spareinlage bei den Euro-Banken deponiert). Diese zusätzliche Kassenhaltung, für die ein Teil der Geldmengenausweitung verwendet wurde, hat so gesehen bislang keine preistreibende Wirkung gehabt.
Preisentwicklung auf den Vermögensmärkten
Zum anderen fängt die voranstehende Graphik nicht die Preisentwicklung auf den Vermögensmärkten ein. Das heißt, die Preisentwicklung auf den Häuser-, Grundstück- und Aktienmärkten wird nicht abgebildet. Das Bruttoinlandsprodukt erfasst nämlich nur die Güter der laufenden Produktion, nicht aber die Vermögensbestände. Die Geldmengenausweitung hat jedoch nicht nur die Preise der laufenden Güterproduktion, sondern auch die Preise auf den Vermögensmärkten in die Höhe befördert. Das heißt, die Geldmengenausweitung hat nicht nur die Güterpreise, sondern auch die Vermögenspreise inflationiert.
Dazu betrachte man Abb. 2. Bis etwa Ende 2007 stiegen die Aktienkurse und die Geldmenge an, die Aktienkurse im Durchschnitt stärker als die Geldmenge. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 sind die Kurse auf den Euro-Aktienmärkten dann stark gefallen, die Geldmenge ist hingegen weiter angestiegen. Dieser Befund lässt sich wie folgt erklären: Die Krise hat zu dauerhaften Kapitalverlusten bei Unternehmen geführt; das Eigenkapital vieler Firmen wurde verringert. Nun sollte man jedoch nicht schlussfolgern, die Geldmengenausweitung hätte ab 2009 keine Wirkung mehr auf die Aktienkurse gehabt! Das Gegenteil ist der Fall: Die weitere Ausweitung der Geldmenge hat dazu beigetragen, dass die Aktienkurse „hochgehalten“ wurden, dass sie nicht noch stärker gefallen sind – und sie wären stärker gefallen, wäre die Geldmenge nicht weiter angestiegen.
Steigende Preise – ob nun steigende Preise der Konsumgüter oder Vermögensgüter – bedeuten Kaufkraftverlust des Geldes. Bei erhöhen Preisen bekommt man weniger Güter für sein Geld. Auf Basis der Euro-Konsumgüterpreise hat der Euro bis heute (wenn er unverzinslich gehalten wurde) fast 30 Prozent seiner Kaufkraft seit 1999 eingebüßt (Abb. 3). Die Kaufkraft des Euro, ausgedrückt in den Kursen der Weltaktien, ist sogar (unter großen Schwankungen) um fast 46 Prozent gefallen: Das heißt, vereinfacht gesprochen, mit 1 Euro konnte man 1999 noch 1 Weltaktienmarktindex kaufen, Ende 2018 bekam man für 1 Euro nur noch 0,54 Weltaktienmarktindex.
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