Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater
Geldpolitik ohne Orientierung
Zweifelt an der Wirkung dauerhafter Rettungspolitik: Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank Foto: Dekabank
Nach mehr als einem Jahrzehnt unermüdlicher „Rettungspolitik“ gerät die Geldpolitik der Notenbanken zunehmend in die Diskussion.
Zwar schieben die Notenbanken nun schon seit Jahren erfolgreich die ökonomische Aktivität an und haben damit wesentlich zu einem der längsten Aufschwünge im Nachkriegseuropa beigetragen.
Es ist jedoch ein mühsames Geschäft: Die Wachstumsraten liegen weit unter dem, was bei einem vergleichbaren Expansionsgrad der Geldpolitik zwei oder drei Jahrzehnte zuvor zu erwarten gewesen wäre. Und noch dramatischer: Trotz extremer Stimulation kommt die Inflation nicht in Gang, sodass selbst auf dem Höhepunkt des gegenwärtigen Konjunkturzyklus in den Augen der Finanzmärkte im Euroraum eher Deflations- als Inflationsgefahren herrschen.
Diese Freiheit von Inflationsgefahr ist eine völlig...
Märkte bewegen Aktien, Zinsen, Politik. Und Menschen. Deshalb präsentieren wir dir hier die bedeutendsten Analysen und Thesen von Top-Ökonomen - gebündelt und übersichtlich. Führende Volkswirte und Unternehmensstrategen gehen den wichtigen wirtschaftlichen Entwicklungen clever und zuweilen kontrovers auf den Grund.
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Zwar schieben die Notenbanken nun schon seit Jahren erfolgreich die ökonomische Aktivität an und haben damit wesentlich zu einem der längsten Aufschwünge im Nachkriegseuropa beigetragen.
Es ist jedoch ein mühsames Geschäft: Die Wachstumsraten liegen weit unter dem, was bei einem vergleichbaren Expansionsgrad der Geldpolitik zwei oder drei Jahrzehnte zuvor zu erwarten gewesen wäre. Und noch dramatischer: Trotz extremer Stimulation kommt die Inflation nicht in Gang, sodass selbst auf dem Höhepunkt des gegenwärtigen Konjunkturzyklus in den Augen der Finanzmärkte im Euroraum eher Deflations- als Inflationsgefahren herrschen.
Diese Freiheit von Inflationsgefahr ist eine völlig neue Situation und eine wesentliche Ursache dafür, dass alle gängigen Regeln für die Geldpolitik nicht mehr greifen, in denen das Auftauchen der Inflation bei bestimmten Voraussetzungen fester Bestandteil ist. Kein Wunder, dass in Politik und Wissenschaft die Rufe nach neuen Ausrichtungen lauter werden.
Wie so häufig assistiert hier auch die Wissenschaft. Nach der neuen US-amerikanischen Denkschule der Neuen Monetären Ökonomik sind die Möglichkeiten der Geldpolitik zur Stimulierung der Wirtschaft eingeschränkt, so dass sich die Notenbanken eher auf die Unterstützung der Finanzpolitik konzentrieren sollten.
Dort, wo in demografisch düsteren Zeiten der private Sektor nicht mehr genügend investiert, könne nur noch der Staat einspringen. Und nur die damit einhergehende staatliche Verschuldung ermöglichte den viel zu zahlreichen Sparern überhaupt noch eine Anlage der Spargelder, nämlich in Staatsanleihen. Auf diese Weise stiege zwar die Staatsverschuldung in schwindelerregende Höhen, aber wenigstens würden die Erneuerung von Infrastruktur, der Ausbau der Bildung, der Fortgang von Forschung und Innovationen und damit das Wachstum nicht abreißen.
Die Aufgabe der Geldpolitik in dieser Politikwelt sieht ganz anders aus als bisher: Nur mit Hilfe der Notenbanken ist der Staat in der Lage, eine solche Defizitpolitik über viele Jahre hinweg umzusetzen. Die Notenbank muss dem Staat letzten Endes die notwendigen Mittel kreditieren, auf welchem Wege auch immer, ob durch Käufe von Staatsanleihen oder Helikoptergeld.
Ganz so heftig muss es nicht gleich kommen, zumal diese Überlegungen außerhalb des Weißen Hauses selbst von den meisten Politikern abgelehnt werden. Aber auch in den Notenbanken macht man sich Gedanken, wie man den Glauben an eine positive Inflationsrate weiterhin aufrechterhalten kann. Hier arbeitet man eher an Konzepten, wie man die bisherige Kommunikation langfristiger gestalten kann.
Man kann etwa ankündigen, das Inflationsziel nur noch langfristig, etwa über eine Zeitspanne einer Dekade erreichen zu wollen. In die gleiche Richtung zielt die Bereitschaft, eine Überschreitung des Inflationsziels für eine gewisse Weise zu tolerieren, um eine langjährige Unterschreitung auszugleichen.
Wie man es auch dreht und wendet: Alle diese Vorschläge zielen auf einen weiterhin maximalen Expansionsgrad von Geldpolitik hin. Ein Gegenentwurf würde etwa darin bestehen, die geldpolitischen Instrumente etwas weniger einzuspannen und dafür ein Absinken der Inflation in den leicht negativen Bereich hinzunehmen.
Ein solcher Gegenentwurf hat jedoch in der jetzigen Debatte mit dem Hinweis auf eine weitere Japanisierung keine Chance. Für Risikoassets eröffnen sich bei dieser geldpolitischen Ausrichtung langfristig weitere Aufwärtsperspektiven.
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