Thorsten Polleit über den Währungswettbewerb
„Die Welt leidet unter Fiat-Geld“
Aktualisiert am 04.09.2018 - 16:28 Uhr
Thorsten Polleit ist Chefvolkswirt der Degussa Goldhandel Foto: Degussa Goldhandel
Schon heute ist das Fiat-Geld ein Verlustgeschäft für die, die ihm ihre Ersparnisse anvertrauen, und die Verluste werden ganz sicher zunehmen, wenn der Währungswettbewerb an Fahrt gewinnt.
Wie Sie alle wissen, wurde der Euro 1999 durch den Zusammenschluss, durch ein Verschmelzen, von nationalen Fiat-Währungen geschaffen: Aus vielen einzelnen Fiat-Währungen wurde eine große Fiat-Währung gemacht.
Folgen des Fiat-Euro
Dass dem Fiat-Euro damit natürlich alle Defekte anhaften, unter denen jede Fiat-Währung leidet, ist unmittelbar einsichtig. Ich will nun einige Folgen des Fiat-Euro illustrieren.
Seit seiner Einführung hat der Euro (soweit er unverzinslich gehalten wurde) fast 30 Prozent seiner Kaufkraft verloren (gemessen an den Konsumentenpreisen). Es ist also eine Illusion, ein falsches Versprechen, der Euro könne den Bürgern zur Wertaufbewahrung dienen. Legt man die...
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Wie Sie alle wissen, wurde der Euro 1999 durch den Zusammenschluss, durch ein Verschmelzen, von nationalen Fiat-Währungen geschaffen: Aus vielen einzelnen Fiat-Währungen wurde eine große Fiat-Währung gemacht.
Folgen des Fiat-Euro
Dass dem Fiat-Euro damit natürlich alle Defekte anhaften, unter denen jede Fiat-Währung leidet, ist unmittelbar einsichtig. Ich will nun einige Folgen des Fiat-Euro illustrieren.
Seit seiner Einführung hat der Euro (soweit er unverzinslich gehalten wurde) fast 30 Prozent seiner Kaufkraft verloren (gemessen an den Konsumentenpreisen). Es ist also eine Illusion, ein falsches Versprechen, der Euro könne den Bürgern zur Wertaufbewahrung dienen. Legt man die Häuserpreise zugrunde, beträgt die Kaufkraft-Entwertung des Euro 44 Prozent.
Der öffentliche Schuldenstand im Euroraum betrug 1999 70,6 Prozent des BIPs im Euroraum, heute sind es knapp 87 Prozent – und liegt damit deutlich über der ursprünglich anvisierten Höchstgrenze des Maastricht-Vertrages von 60-Prozent. Der Euro hat die Verschuldung also weiter ansteigen lassen.
In der Zeit von 1999 bis Anfang 2018 hat die reale Wirtschaftsleistung um 30,5 Prozent zugelegt, die Geldmenge ist hingegen um 168 Prozent gestiegen (also fünfeinhalb Mal so stark!).
Die Bilanz des Euro-Bankenapparates wurde durch die EZB-Geldpolitik von 14,7 Billionen Euro auf 30,8 Billionen Euro aufgebläht – das entspricht etwa 268 Prozent des Euroraum-Bruttoinlandsproduktes.
Die faulen Kredite der Euro-Banken werden aktuell auf knapp 760 Milliarden Euro geschätzt – und belaufen sich damit auf ungefähr 30 Prozent des bilanzierten Eigenkapitals der Euro-Banken.
Doch die unheilvollen Effekte des Fiat-Euro zeigen sich nicht nur in harten Zahlen. Sie treten auch in wachsenden Unstimmigkeiten, in Zwist und Zank zwischen den Euro-Teilnehmerländern zutage.
Viele Menschen bemerken, dass die Dinge sich für sie nicht so entwickeln, wie sie es ihnen vor der Euro-Einführung versprochen wurde; sie realisieren, dass sie abgehängt werden.
Beispielsweise beklagt man in Italien sich lauthals über das strangulierende Diktat aus Brüssel, Paris und Berlin. In Deutschland fühlen sich hingegen viele als Melkkühe. Im kleinen Griechenland scheint man hingegen aufgehört zu haben mit dem Aufbegehren.
Eine Fiat-Währung für viele Nationen, die unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Traditionen haben, ist ganz besonders problematisch. Die Konflikte, die sie hervorbringt, entstehen nicht nur innerhalb der teilnehmenden Nationen, sondern auch zwischen ihnen.
Den Fiat-Euro als friedenstiftend zu glorifizieren, ist eine ideologische Verbrämung, sie verkennt die geldtheoretischen und nationalökonomischen Erkenntnisse. Eine Fiat-Währung, die unterschiedlichen Nationen überstülpt wird, erweist sich vielmehr als ein Spaltpilz.
Zwangsumverteilung
Der Euro wäre – und das ist vermutlich nicht übertrieben zu sagen – längst gescheitert, hätte die EZB die Zinsen nicht auf beziehungsweise unter die Nulllinie gedrückt.
Es ist eine Mischung aus Zinsnarkose und Kredit- und Geldmengenvermehrung, mit der die EZB Staaten und Banken im Euroraum über Wasser hält.
Die supra-nationale EZB – fernab von jeder effektiven parlamentarischer Kontrolle – ist zur Machtzentrale im Euroraum aufgestiegen. Sie ist es, die über Wohl und Wehe von Staaten und Banken und damit auch über Produktions- und Beschäftigungsstruktur in den Volkswirtschaften maßgeblich mitentscheidet.
Sie hat zwar den „bescheidenen“ Auftrag, den Euro stabil zu halten. De facto betreibt sie jedoch eine Umverteilungspolitik.
Durch die künstliche Absenkung der Euro-Zinsen erschwert beziehungsweise verunmöglicht die EZB es den Sparern, für ihr Alter anzusparen. Und auch wenn die Sparer die Folgen noch nicht heute spüren, sie werden sie künftig noch schmerzlich zu spüren bekommen, wenn die Pensionen kleiner als erwartet ausfallen.
Begünstigt werden bei all dem Kreditnehmer: denn sie werden mit niedrigen Kreditkosten subventioniert. Die künstlich gesenkten Zinsen halten die wenig produktiven Unternehmen künstlich am Leben. Den besseren Anbietern wird es dadurch erschwert, Marktanteile hinzuzugewinnen. Die Auslesefunktion des Marktes wird gestört, und die künftige Wohlstandsmehrung leidet.
Kurzum: Mit der Nullzinspolitik entwertet die EZB die Zukunft zu Gunsten der Gegenwart.
All diese erzwungenen Umverteilungen spielen sich national wie grenzüberschreitend ab. Wer dabei was bekommt, und wem was genommen wird, lässt sich aus Sicht vieler vermutlich gar nicht genau beziffern.
Und wenn niemand so genau weiß, ob er zu den Geschädigten oder den Gewinnern des Umverteilungskarussells gehört, schwächt das natürlich auch den Widerstand in der Öffentlichkeit – und das erlaubt der EZB, ungeniert weiterzumachen.
Unübersehbar sind jedoch die berühmt-berüchtigten Target-2-Salden. Derzeit beläuft sich der deutsche Target-2-Saldo auf 956,2 Milliarden Euro – das sind fast 30 Prozent des deutschen BIPs – ein Betrag, der den deutschen Steuereinnahmen für 1,4 Jahre entspricht. Dieser Betrag steht im Feuer.
Hinter dem Target-2-Saldo verbirgt sich eine unbesicherte, unverzinsliche Kreditgewährung der Deutschen Bundesbank an andere Euro-Zentralbanken.
Der Target-2-Saldo repräsentiert nicht nur ein Kreditausfallrisiko, das die deutschen Steuerzahler zu tragen haben.
Er reflektiert auch eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen in einem gewaltigen Ausmaß. Denn die chronisch unausgeglichenen Target-2-Salden bewirken das Folgende:
Ländern, die noch verhältnismäßig gut dastehen, wird die Substanz entzogen, und sie wird an die Länder weitergereicht, die vergleichsweise schlecht dastehen. (Das schwört Erinnerungen zur früheren Sowjetunion herauf, die ebenfalls ihren wirtschaftlich in der Regel besser dastehenden Satellitenstaaten Tribute abverlangte und sie dadurch wirtschaftlich schwächte.)
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