Von der Ohnmacht zur Obsoleszenz
Die ungewisse Zukunft der WTO

Martin Braml (links) ist Doktorand am Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft und Gabriel Felbermayr ist Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre, insb. Außenwirtschaft, an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Foto: Ifo Institut
Die angekündigten und zum Teil bereits eingeleiteten Maßnahmen der USA zum Schutz ihrer Wirtschaft, nicht zuletzt die Einführung von Zusatzzöllen, haben fatale Folgen für das globale Handelssystem. Die USA sind auf dem Weg, die bisherigen Regeln der Weltwirtschaft außer Kraft zu setzen und einen Handelskrieg zu beginnen. Zudem entziehen die USA faktisch der Welthandelsorganisation WTO die Unterstützung. Steht die WTO vor ihrem Ende?
Wenn überhaupt, gibt es für Antidumping-Zölle nur eine Rechtfertigung: Man will verhindern, dass ein Anbieter eine Monopolstellung dadurch erreicht, dass er alle anderen Anbieter durch ruinösen Wettbewerb (Verkauf unter Herstellungskosten) aus dem Markt drängt. In Zukunft könnte dieser dann eine globale Monopolrente einfahren. All diejenigen, die andere vermeintliche Gründe anführen, warum Antidumping-Zölle sinnhaft wären, bleiben den Nachweis schuldig, wie eine Volkswirtschaft dadurch verlieren könne, von einer anderen Güter unterhalb der Herstellungspreise zu beziehen. Dies setzt nämlich eigene Ressourcen frei und kann nur gesamtwohlfahrtsfördernd sein, da die Konsumenten dabei mehr gewinnen,...
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Wenn überhaupt, gibt es für Antidumping-Zölle nur eine Rechtfertigung: Man will verhindern, dass ein Anbieter eine Monopolstellung dadurch erreicht, dass er alle anderen Anbieter durch ruinösen Wettbewerb (Verkauf unter Herstellungskosten) aus dem Markt drängt. In Zukunft könnte dieser dann eine globale Monopolrente einfahren. All diejenigen, die andere vermeintliche Gründe anführen, warum Antidumping-Zölle sinnhaft wären, bleiben den Nachweis schuldig, wie eine Volkswirtschaft dadurch verlieren könne, von einer anderen Güter unterhalb der Herstellungspreise zu beziehen. Dies setzt nämlich eigene Ressourcen frei und kann nur gesamtwohlfahrtsfördernd sein, da die Konsumenten dabei mehr gewinnen, als die Produzenten verlieren.
Zudem ist fraglich, in welchen Bereichen überhaupt eine globale Monopolstellung durchsetzbar ist; dies kann allenfalls dann eintreten, wenn der Markteintritt extrem kostenintensiv (Hochtechnologieprodukte) oder gar nicht möglich ist aufgrund von vorgelagerten Monopolen bei den verwendeten Rohstoffen. Im letzteren Fall sind Antidumping-Zölle gänzlich nutzlos, weil es keine inländischen Substitutionsmöglichkeiten gibt und damit die Importnachfragekurve ziemlich preisunelastisch ist.
Der Blick auf die Liste der Güter, auf die die EU Antidumping-Zölle erhebt, offenbart aber auf geradezu erschreckende Weise, dass das einzig berechtigte Argument (teurer Markteintritt) auf die vorwiegende Anzahl der Antidumping-Produkte nicht zutrifft:4 Es werden beispielsweise Fahrräder und Fahrradteile aus China, Indonesien, Kambodscha, Malaysia, Pakistan, den Philippinen, Sri Lanka und Tunesien mit Antidumping- Zöllen belegt.
Dass zur selben Zeit viele Hersteller aus vielen Ländern mit Zöllen belegt werden, beweist ja gerade das Gegenteil, nämlich dass keine Gefahr durch ein globales Monopol besteht. Genauso ist Betonstabstahl aus China und Weißrussland sicher kein Produkt, das im Zweifelsfall nicht leicht ersetzbar ist – vielleicht sogar durch chinesischen Dumping-Stahl? Die genannte Antidumping-Liste ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten, was eindrucksvoll zeigt, dass Antidumping-Maßnahmen nur Industriezwecken dienen und als Produkt erfolgreicher Lobby-Arbeit angesehen werden müssen.
Es bleibt also zu konstatieren, dass die WTO jenseits der US-Amerikanischen Anfeindungen und der kompromisslosen Haltung Chinas zu Fragen der Marktöffnung auch seitens der EU nicht über bloße Lippenbekenntnisse hinausgehende Unterstützung erfährt. Die Besuche des französischen Präsidenten und der deutschen Kanzlerin in Washington just vor Ablauf der Zollausnahmen am 1. Mai 2018 sprechen jedenfalls eine andere Sprache. Offenbar blieben diese Treffen aber insoweit folgenlos, als dass sie die tatsächliche Einführung der Stahl- und Aluminiumzölle lediglich um vier Wochen verzögerten. Ebenso wird verbreitet, dass die NAFTA-Staaten vor dem Abschluss eines überarbeiteten Abkommens stehen. Die Aufhebung der Zollausnahmen für Kanada und Mexiko widersprechen dem nur scheinbar. Es besteht die Möglichkeit, dass die USA mit Blick auf den Verhandlungsabschluss lediglich den Druck erhöhen wollen. Neben dem genannten Deal mit Südkorea reiste auch Shinzo Abe im April 2018 in die Vereinigten Staaten, um Ausnahmen bei den Stahlzöllen für Japan zu erwirken. All diese Geschehnisse wird die US-Administration als Bestätigung ihrer Handelspolitik werten: Divide et impera – teile und herrsche!
4 Es gibt kaum vollständige und aktuelle Übersichten über die
Antidumping-Verfahren der EU. Die Wirtschaftskammer Österreich
bietet einen Überblick (Bundesministerium für Digitalisierung und
Wirtschaftsstandort (2018).
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- Seite 5 − Radikale Lösungen vonnöten
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