Von der Ohnmacht zur Obsoleszenz
Die ungewisse Zukunft der WTO

Martin Braml (links) ist Doktorand am Ifo-Zentrum für Außenwirtschaft und Gabriel Felbermayr ist Leiter des Ifo-Zentrums für Außenwirtschaft und Professor für Volkswirtschaftslehre, insb. Außenwirtschaft, an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Foto: Ifo Institut
Die angekündigten und zum Teil bereits eingeleiteten Maßnahmen der USA zum Schutz ihrer Wirtschaft, nicht zuletzt die Einführung von Zusatzzöllen, haben fatale Folgen für das globale Handelssystem. Die USA sind auf dem Weg, die bisherigen Regeln der Weltwirtschaft außer Kraft zu setzen und einen Handelskrieg zu beginnen. Zudem entziehen die USA faktisch der Welthandelsorganisation WTO die Unterstützung. Steht die WTO vor ihrem Ende?
Auf die Drohung folgt Verhandlung
Es gibt zwei Lesarten der US-amerikanischen Drohung, die WTO-Mitgliedschaft aufzukündigen. Die eine ist, dass die Trump-Administration tatsächlich die WTO über den Haufen werfen will und sich mehr verspricht, in Zukunft ausschließlich bilateral zu verhandeln. Die andere ist, dass die USA eine Änderungskündigung forcieren. Ohne Verhandlungsmacht innerhalb der WTO kann es spieltheoretisch sinnvoll sein, zu kündigen, um Änderungen zu erwirken, solange die übrigen Teilnehmer ein Interesse daran haben, dass der potenzielle Ausscheider weiterhin dabeibleibt. Diese kalkulierte Eskalation bewirkte nämlich, dass die übrigen Teilnehmer den...
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Auf die Drohung folgt Verhandlung
Es gibt zwei Lesarten der US-amerikanischen Drohung, die WTO-Mitgliedschaft aufzukündigen. Die eine ist, dass die Trump-Administration tatsächlich die WTO über den Haufen werfen will und sich mehr verspricht, in Zukunft ausschließlich bilateral zu verhandeln. Die andere ist, dass die USA eine Änderungskündigung forcieren. Ohne Verhandlungsmacht innerhalb der WTO kann es spieltheoretisch sinnvoll sein, zu kündigen, um Änderungen zu erwirken, solange die übrigen Teilnehmer ein Interesse daran haben, dass der potenzielle Ausscheider weiterhin dabeibleibt. Diese kalkulierte Eskalation bewirkte nämlich, dass die übrigen Teilnehmer den USA mehr entgegenkommen müssten als bisher, um sie zum weiteren Mitmachen zu bewegen, dass also der participation constraint für die Vereinigten Staaten wieder erfüllt wird. Diese Verhandlungsstrategie birgt zweifelsfrei das Risiko des Scheiterns – David Cameron kann ein Lied davon singen –, doch es besteht guter Grund zur Hoffnung, dass die USA weiterhin am regelbasierten Welthandel interessiert sind.
Es spricht nämlich einiges dafür, dass der selbsternannte »Deal-Maker« Donald Trump auch hier zockt. Mit Blick auf den Nordkoreakonflikt scheint sich diese Strategie bereits bewährt zu haben, auf die beiderseitige verbale Eskalationsspirale folgen die ernsthaftesten Friedensgespräche der beiden Koreas seit Bestehen der Teilung. Ein vormals unmöglich geglaubtes Treffen eines US-Präsidenten mit einem nordkoreanischen Führer sowie Verhandlungen über die vollständige Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel wurden vielleicht erst durch die vorherige Eskalation möglich.
Spieltheorie at its best! Die US-Regierung kann kein Interesse am Kollaps der WTO haben, genauso wie sie kein Interesse an einem Krieg gegen Nordkorea hatte. Vermutlich will sie durch Drohgebärden Raum für Verhandlungen schaffen und dieser sollte genutzt werden. Ungeachtet persönlicher Antipathien für die politischen Führer anderer Länder könnte die EU die Rolle des Mediators einnehmen, der sich bemüht, die Schwellenländer zu Zollzugeständnissen und die Chinesen zur Marktöffnung zu bewegen, um die Amerikaner an Bord zu halten. Beides liegt im ureigensten Interesse der EU als Ganzes und Deutschlands im Besonderen. Selbstredend muss sich auch die EU bei fragwürdigen Agrarzöllen und Antidumping-Praktiken bewegen, aber das überragende Interesse muss sein, die USA weiter im Verbund der WTO zu halten. Ihre Interessen sind mit unseren zwar nicht deckungsgleich, aber doch bei weitem am besten kompatibel.
Die Rolle des geistigen Eigentums
Die US-amerikanische Motivlage für die Gründung der WTO basierte freilich nicht auf reiner Barmherzigkeit. Die Amerikaner setzten beispielsweise durch, dass der Schutz geistigen Eigentums in WTO-Recht verankert wurde und sich die Mitgliedstaaten zur Einhaltung von Mindeststandards verpflichten. Das Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS-Abkommen) definiert dabei Mindeststandards für nationale Gesetzgebungen mit Blick auf Patentschutz, Urheberrechte, Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und weitere Gebiete des Immaterialgüterrechts. Außerdem sieht es ein Diskriminierungsverbot vor (Inländerbehandlung, Meistbegünstigungsklausel).
Es liegt in der Natur der Sache, dass von diesem Schutz nur jene profitieren können, die auch substanziell über volkswirtschaftlich nutzbares Know-how verfügen. Dieser Schutz des geistigen Eigentums war also für die USA die Garantie dafür, dass sie durch den neuen Welthandel nicht doppelt übervorteilt werden: nämlich zuerst ihre Märkte zu öffnen, die dann günstig aus dem Ausland mit »gestohlenem« Know-how bedient würden. Was also vergleichsweise hohe Zölle zum Schutz der eigenen Volkswirtschaft für die Schwellenländer bedeuteten, war der internationale Patentschutz für die Vereinigten Staaten. So lässt sich das Verhandlungsgleichgewicht der Uruguay- Runde zutreffend beschreiben.
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