„Versicherungsversteher“ Christian Schulz weiß, dass bei gewerblichen Wohngebäudepolicen die Versicherungssumme fast immer falsch berechnet wird. Eine echte Stolperfalle für Makler. Der Sachverständige erklärt in seinem Gastbeitrag, woran es bei den bestehenden Methoden hapert und was Versicherungskunden tun können.
Seit 2021 ist Christian Schulz ISO-zertifizierter Sachverständiger für Versicherungen. Als „Versicherungsversteher“ hat er sich auf Risikobewertungen und Gutachten für Gewerbekunden spezialisiert.| Foto: privat
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90 Prozent der Versicherungssummen für gewerbliche Gebäudeversicherungen sind falsch. Mindestens, würde jetzt mein ehemaliger Senior-Underwriter ergänzen. Auch in meiner Praxis als Sachverständiger habe ich bisher keine richtig ermittelte Versicherungssumme antreffen können.
Die Ursachen dieses unterschätzten Problems sind vielfältig. Zum einen ist es das fehlende Know-how bei den Vermittlern. Zum anderen liegt es an der Methodik. Und immer ist es die Verknüpfung von beidem. Die gute Nachricht ist: Bei Einfamilienhäusern spielt es keine Rolle, da hier eine Versicherung nach Ausstattungsmerkmalen erfolgt und die Versicherungssumme keine Höchsthaftungsgrenze darstellt.
Versicherungssumme – das unterschätzte Problem
Zunächst: Als Versicherungssumme wird rechtlich der Betrag bezeichnet, der durch eine Versicherungspolice im Höchstfall gedeckt ist. Sie ist der zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbarte Betrag, der dem Versicherungswert entsprechen soll. Die Versicherungssumme ist also keine objektiv feststehende Größe, sondern sie wird – meist entsprechend dem Antrag des Versicherungsnehmers – frei vereinbart.
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90 Prozent der Versicherungssummen für gewerbliche Gebäudeversicherungen sind falsch. Mindestens, würde jetzt mein ehemaliger Senior-Underwriter ergänzen. Auch in meiner Praxis als Sachverständiger habe ich bisher keine richtig ermittelte Versicherungssumme antreffen können.
Die Ursachen dieses unterschätzten Problems sind vielfältig. Zum einen ist es das fehlende Know-how bei den Vermittlern. Zum anderen liegt es an der Methodik. Und immer ist es die Verknüpfung von beidem. Die gute Nachricht ist: Bei Einfamilienhäusern spielt es keine Rolle, da hier eine Versicherung nach Ausstattungsmerkmalen erfolgt und die Versicherungssumme keine Höchsthaftungsgrenze darstellt.
Versicherungssumme – das unterschätzte Problem
Zunächst: Als Versicherungssumme wird rechtlich der Betrag bezeichnet, der durch eine Versicherungspolice im Höchstfall gedeckt ist. Sie ist der zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbarte Betrag, der dem Versicherungswert entsprechen soll. Die Versicherungssumme ist also keine objektiv feststehende Größe, sondern sie wird – meist entsprechend dem Antrag des Versicherungsnehmers – frei vereinbart.
Allerdings sind Kunden mit der Aufgabe, den Wert der versicherten Sachen mit ihrem Versicherer quasi auszuhandeln, vollkommen überfordert. Sie müssten zunächst wissen und verstehen, was „versicherte Sachen“ sind. Tatsächlich kennen Versicherungsnehmer in der Regel nicht alle mitversicherten Gebäude- und Grundstücksbestandteile, ihnen fehlt schlicht die Expertise. Mit den Versicherern sollte man nicht rechnen. Diese üben sich hier sehr stark in Zurückhaltung, da sie sich nicht der Haftung hierfür aussetzen wollen.
Makler übernehmen die Haftung
Somit haben Kunden, die einen Makler haben, eigentlich Glück. Denn nur dieser haftet nach einem bekannten Sachwalterurteil des Bundesgerichtshofs für die richtige Bemessung der Versicherungssumme. Und wie wichtig das ist, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass der ermittelte Versicherungswert die benötigte Versicherungssumme in der Praxis schnell mal um eine Million Euro unterschreitet.
Wie man mit Vergleichszahlen aus 1914 den Gebäudewert ermittelt
Aber wie geht der Makler normalerweise vor? In manchen Fällen gibt der Versicherer die Wertermittlungsmethode vor. Ansonsten ist es an dem Makler, die Vorgehensweise zu bestimmen. Eine Möglichkeit: Der Versicherungsnehmer schaut in seine Einnahme-Überschuss-Rechnung oder Bilanz, was der Neubau gekostet hat. Der Vermittler rechnet dann auf den sogenannten „Wert 1914“ zurück.
Der „Gebäudeversicherungswert 1914“ ist einfiktiver Wert. Er beschreibt denWert, den ein Haus im Jahr 1914 gehabt hätte. In diesem Jahr waren die Immobilienpreise in Deutschland letztmals stabil und die Währung war goldgedeckt. Der „Wert 1914“ gibt den Wert der betreffenden Immobilie in sogenannter Goldmark an.
Auf seiner Grundlage kann man später den aktuellen Neubauwert eines Gebäudes errechnen. Allerdings ist nicht definiert, in welcher Höhe einzelne Baukostenbestandteile in der Wertermittlung und der Umrechnung auf den „Wert 1914“ berücksichtigt werden, obwohl sie Kosten verursachen und mitversichert sind. Das gilt beispielsweise für Außenanlagen, Balkone oder unterschiedliche Deckenhöhen. Nach meinem Eindruck fehlt dem GDV hier schlicht das Problembewusstsein, eine bessere Methodik zu entwickeln. Eigentlich wäre das die Aufgabe des Verbands.
Auch Berechnungen nach Quadrat- oder Kubikmetern sind fehleranfällig
Weitere und in der Praxis verbreiterte Methoden sind, die Versicherungssumme nach Quadratmeter oder Kubikmeter zu berechnen. Angeblich sollen in diesen alle Baukosten und deren Gewichtung enthalten sein. In der Realität stellen wir allerdings fest, dass es regionale Unterschiede bei den allgemeinen Baukosten gibt. Hinzu treten besondere objektspezifische Besonderheiten wie zum Beispiel eine Pfahlgründung für die Fundamente usw. Insofern ist die Aussage vollkommen realitätsfern.
Schauen wir uns ein Beispiel aus der Praxis für ein Wohn- und Geschäftshaus Baujahr zirka 1911 ohne besondereAusstattungsmerkmale an. Hierbei möchte ich zum einen die Wertermittlung nach Quadratmetern und zum anderen nach Kubikmetern durchführen. Zu erwarten wäre ein annähernd gleiches Ergebnis.
Starke Abweichungen, je nach Methode
In unserem Beispiel geht es um ein Wohn- und Geschäftshaus mit einer Fläche von 1.300 Quadratmetern und einem Rauminhalt von 5.000 Kubikmetern:
a) 130 Mark gemäß Wertermittlungsbogen x 1.300 = 169.000 Mark („Wert 1914“) b) 27 Mark gemäß Wertermittlungsbogen x 5.000 = 135.000 Mark („Wert 1914“)
Hier sehen wir bereits starke Abweichungen. Die Auswirkungen für den Kunden wären dramatisch, denn die Höchstentschädigung ergibt aus der „Versicherungssumme 1914“ multipliziert mit dem aktuellen Baupreisindex:
a) 1961,4 x 169.000/100 = 3.138.240 Euro b) 1961,4 x 135.000/100 = 2.647.890 Euro
Und schon haben wir halbe eine Million Euro Differenz bei der Versicherungssumme und damit bei der Entschädigung und immer noch keine Regionalität und objektspezifische Eigenschaften eingepreist.
Zum besseren Verständnis der Komplexität der Berechnung nachfolgend ein Auszug aus einem Summenermittlungsbogen:
Aus Formular: Ermittlung der Versicherungssumme 1914 für Wohngebäude, Quelle: VOLKSWOHL BUND