

Auch digitale Tools helfen bei Wertermittlung kaum
Aufgrund der unzureichenden und nicht ausreichend individuellen Methodik können beide Werte nicht korrekt sein. Einige Kollegen versuchen sich zu retten, indem sie ein Online-Tool nutzen und mit diesem den „Wert 1914“ bestimmen. Ich halte hiervon nichts. Es findet zwar eine Anpassung durch einen Regionalfaktor statt, jedoch ohne Benennung der Qu...
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Auch digitale Tools helfen bei Wertermittlung kaum
Aufgrund der unzureichenden und nicht ausreichend individuellen Methodik können beide Werte nicht korrekt sein. Einige Kollegen versuchen sich zu retten, indem sie ein Online-Tool nutzen und mit diesem den „Wert 1914“ bestimmen. Ich halte hiervon nichts. Es findet zwar eine Anpassung durch einen Regionalfaktor statt, jedoch ohne Benennung der Quelle.
Im Falle eines Haftungsprozesses ist nicht nachvollziehbar, wie die Versicherungssumme zustande kam. Zudem ist die Bedienung komplex und erfordert erweitertes Fachwissen, das erheblich über das Abprüfen der in den Wertermittlungsbögen benannten Positionen hinausgeht.
Außerdem stützt sich das Tool auf Bilder aus Google Maps. Hierbei ist nicht immer der aktuelle Stand abgebildet und natürlich kann kein Satellit in ein Gebäude schauen und dort weitere mitversicherte und werterhöhende Bauteile erkennen.
Vergleichswertverfahren keine Lösung
Häufig werden die Werte im Vergleichsverfahren zur Umgebung ermittelt. Für eine Verkehrswertermittlung mag das richtig und zielführend sein. Um eine Versicherungssumme zu ermitteln, ist dieses Verfahren untauglich. Im Vergleichswertverfahren bleiben kostenintensive bauliche Besonderheiten nahezu unberücksichtigt.
Bei Betrieben, die größere Außengelände haben, werden die Pflasterflächen, Löschteiche, Einfriedungen überhaupt nicht individuell berücksichtigt, sondern pauschal mit einem Anteil von X-Prozent eingepreist. Das kann nicht gutgehen, da diese Außenanlagen mitversichert sind und ebenso individuell berücksichtigt werden müssen bei der Bildung der Versicherungssumme.
Versicherer profitieren von den ungenauen Verfahren
Durch das Online-Tool werden meist höhere Summen generiert als durch Übernahme der Werte von alten Versicherungsscheinen. Immerhin sind dann schon mal Anbauten mit großer Sicherheit dabei. Höhere Summe bedeuten höhere Prämien und dies führt zu einer höheren Rentabilität auf Seiten der Versicherer. Kein Wunder also, dass Produktgeber hierfür Unterversicherungsverzicht gewähren.
Falsche Sicherheit bei Unterversicherungsverzicht
Der Großteil der Schäden sind kleinere Leitungswasserschäden. Wenn es im seltenen Fall zu einem Totalschaden kommt, wird die Lücke zu der nach den genannten Methoden falsch ermittelten Versicherungssumme festgestellt. Aber Halt, haben wir denn keinen Unterversicherungsverzicht vereinbart? Doch, nur bedeutet das niemals, dass die Summe ausreichend bemessen ist für Großschäden. Die Sicherheit für den Kunden besteht darin, dass nur bei kleineren Schäden eine – auch bestehende – Unterversicherung nicht angerechnet wird.
Warum Vorab-Gutachten die bessere Lösung sind
Erst bei Großschäden werden Sachverständige wie ich beauftragt, die Versicherungssumme zu ermitteln. Eigentlich zu spät, da es vor dem Schaden natürlich cleverer wäre und ein Wertermittlungsgutachten eines zertifizierten Sachverständigen die Schadenbearbeitung verkürzen kann. Der Versicherer wird dann wohl nicht die Versicherungssumme prüfen und somit mehr Zeit benötigen.
Als Gutachten taugen die Wertermittlungen mittels Prüfbogen nicht, auch nicht jene aus einem Online-Tool. Die Maßstäbe der Rechtsprechung an ein Gutachten sind hier fordernd. Diese haben in der Praxis gerne 30 bis 40 Seiten Umfang haben. Es muss in allererster Linie individuell und plausibel bezüglich der Wertermittlung sein. Das hat das OLG Köln (Az. 9 U 75/14) im Jahr 2015 klar entschieden.
Gutachten vor einem Schadenfall nutzen dem Kunden durch eine individuelle Wertermittlung seines Gebäudes, die eine ausreichende Versicherungssumme bietet. Der Makler profitiert durch eine höhere Courtage und er minimiert sein Haftungsrisiko. Die Prämie spielt mit einem Gutachten in der Hand nur eine untergeordnete Rolle. Die Kosten für so ein Gutachten, durchschnittlich im vierstelligen Bereich, sind bei den regelmäßig entstehenden Nachteilen für Kunden durch falsche Wertermittlungen, aber aus meiner Sicht gut investiertes Geld.
Über den Autor:
Christian Schulz wurde 1966 in Berlin geboren. Der studierte Betriebswert und Soziologe arbeitete 23 Jahre bei der Ergo, unter anderem als Maklerbetreuer. Seit 2021 ist er ISO-zertifizierter Sachverständiger für Versicherungen. 2022 machte er sich als „Versicherunsgversteher“ selbstständig. Seit November dieses Jahres ist Schulz auch Dozent für die Ermittlung von Versicherungswerten an der Deutschen Versicherungsakademie.



