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Was Vermittler bei gewerblichen Wohngebäudepolicen falsch machen

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90 Prozent der Versicherungssummen für gewerbliche Gebäudeversicherungen sind falsch. Mindestens, würde jetzt mein ehemaliger Senior-Underwriter ergänzen. Auch in meiner Praxis als Sachverständiger habe ich bisher keine richtig ermittelte Versicherungssumme antreffen können.
Die Ursachen dieses unterschätzten Problems sind vielfältig. Zum einen ist es das fehlende Know-how bei den Vermittlern. Z...
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90 Prozent der Versicherungssummen für gewerbliche Gebäudeversicherungen sind falsch. Mindestens, würde jetzt mein ehemaliger Senior-Underwriter ergänzen. Auch in meiner Praxis als Sachverständiger habe ich bisher keine richtig ermittelte Versicherungssumme antreffen können.
Die Ursachen dieses unterschätzten Problems sind vielfältig. Zum einen ist es das fehlende Know-how bei den Vermittlern. Zum anderen liegt es an der Methodik. Und immer ist es die Verknüpfung von beidem. Die gute Nachricht ist: Bei Einfamilienhäusern spielt es keine Rolle, da hier eine Versicherung nach Ausstattungsmerkmalen erfolgt und die Versicherungssumme keine Höchsthaftungsgrenze darstellt.
Versicherungssumme – das unterschätzte Problem
Zunächst: Als Versicherungssumme wird rechtlich der Betrag bezeichnet, der durch eine Versicherungspolice im Höchstfall gedeckt ist. Sie ist der zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer vereinbarte Betrag, der dem Versicherungswert entsprechen soll. Die Versicherungssumme ist also keine objektiv feststehende Größe, sondern sie wird – meist entsprechend dem Antrag des Versicherungsnehmers – frei vereinbart.
Allerdings sind Kunden mit der Aufgabe, den Wert der versicherten Sachen mit ihrem Versicherer quasi auszuhandeln, vollkommen überfordert. Sie müssten zunächst wissen und verstehen, was „versicherte Sachen“ sind. Tatsächlich kennen Versicherungsnehmer in der Regel nicht alle mitversicherten Gebäude- und Grundstücksbestandteile, ihnen fehlt schlicht die Expertise. Mit den Versicherern sollte man nicht rechnen. Diese üben sich hier sehr stark in Zurückhaltung, da sie sich nicht der Haftung hierfür aussetzen wollen.
Makler übernehmen die Haftung
Somit haben Kunden, die einen Makler haben, eigentlich Glück. Denn nur dieser haftet nach einem bekannten Sachwalterurteil des Bundesgerichtshofs für die richtige Bemessung der Versicherungssumme. Und wie wichtig das ist, wird klar, wenn man sich vor Augen führt, dass der ermittelte Versicherungswert die benötigte Versicherungssumme in der Praxis schnell mal um eine Million Euro unterschreitet.
Wie man mit Vergleichszahlen aus 1914 den Gebäudewert ermittelt
Aber wie geht der Makler normalerweise vor? In manchen Fällen gibt der Versicherer die Wertermittlungsmethode vor. Ansonsten ist es an dem Makler, die Vorgehensweise zu bestimmen. Eine Möglichkeit: Der Versicherungsnehmer schaut in seine Einnahme-Überschuss-Rechnung oder Bilanz, was der Neubau gekostet hat. Der Vermittler rechnet dann auf den sogenannten „Wert 1914“ zurück.
Der „Gebäudeversicherungswert 1914“ ist ein fiktiver Wert. Er beschreibt den Wert, den ein Haus im Jahr 1914 gehabt hätte. In diesem Jahr waren die Immobilienpreise in Deutschland letztmals stabil und die Währung war goldgedeckt. Der „Wert 1914“ gibt den Wert der betreffenden Immobilie in sogenannter Goldmark an.
GDV müsste Präzisierungen liefern
Auf seiner Grundlage kann man später den aktuellen Neubauwert eines Gebäudes errechnen. Allerdings ist nicht definiert, in welcher Höhe einzelne Baukostenbestandteile in der Wertermittlung und der Umrechnung auf den „Wert 1914“ berücksichtigt werden, obwohl sie Kosten verursachen und mitversichert sind. Das gilt beispielsweise für Außenanlagen, Balkone oder unterschiedliche Deckenhöhen. Nach meinem Eindruck fehlt dem GDV hier schlicht das Problembewusstsein, eine bessere Methodik zu entwickeln. Eigentlich wäre das die Aufgabe des Verbands.
Auch Berechnungen nach Quadrat- oder Kubikmetern sind fehleranfällig
Weitere und in der Praxis verbreiterte Methoden sind, die Versicherungssumme nach Quadratmeter oder Kubikmeter zu berechnen. Angeblich sollen in diesen alle Baukosten und deren Gewichtung enthalten sein. In der Realität stellen wir allerdings fest, dass es regionale Unterschiede bei den allgemeinen Baukosten gibt. Hinzu treten besondere objektspezifische Besonderheiten wie zum Beispiel eine Pfahlgründung für die Fundamente usw. Insofern ist die Aussage vollkommen realitätsfern.
Schauen wir uns ein Beispiel aus der Praxis für ein Wohn- und Geschäftshaus Baujahr zirka 1911 ohne besondere Ausstattungsmerkmale an. Hierbei möchte ich zum einen die Wertermittlung nach Quadratmetern und zum anderen nach Kubikmetern durchführen. Zu erwarten wäre ein annähernd gleiches Ergebnis.
Starke Abweichungen, je nach Methode
In unserem Beispiel geht es um ein Wohn- und Geschäftshaus mit einer Fläche von 1.300 Quadratmetern und einem Rauminhalt von 5.000 Kubikmetern:
a) 130 Mark gemäß Wertermittlungsbogen x 1.300 = 169.000 Mark („Wert 1914“)
b) 27 Mark gemäß Wertermittlungsbogen x 5.000 = 135.000 Mark („Wert 1914“)
Hier sehen wir bereits starke Abweichungen. Die Auswirkungen für den Kunden wären dramatisch, denn die Höchstentschädigung ergibt aus der „Versicherungssumme 1914“ multipliziert mit dem aktuellen Baupreisindex:
a) 1961,4 x 169.000/100 = 3.138.240 Euro
b) 1961,4 x 135.000/100 = 2.647.890 Euro
Und schon haben wir halbe eine Million Euro Differenz bei der Versicherungssumme und damit bei der Entschädigung und immer noch keine Regionalität und objektspezifische Eigenschaften eingepreist.
Zum besseren Verständnis der Komplexität der Berechnung nachfolgend ein Auszug aus einem Summenermittlungsbogen:

Auch digitale Tools helfen bei Wertermittlung kaum
Aufgrund der unzureichenden und nicht ausreichend individuellen Methodik können beide Werte nicht korrekt sein. Einige Kollegen versuchen sich zu retten, indem sie ein Online-Tool nutzen und mit diesem den „Wert 1914“ bestimmen. Ich halte hiervon nichts. Es findet zwar eine Anpassung durch einen Regionalfaktor statt, jedoch ohne Benennung der Quelle.
Im Falle eines Haftungsprozesses ist nicht nachvollziehbar, wie die Versicherungssumme zustande kam. Zudem ist die Bedienung komplex und erfordert erweitertes Fachwissen, das erheblich über das Abprüfen der in den Wertermittlungsbögen benannten Positionen hinausgeht.
Außerdem stützt sich das Tool auf Bilder aus Google Maps. Hierbei ist nicht immer der aktuelle Stand abgebildet und natürlich kann kein Satellit in ein Gebäude schauen und dort weitere mitversicherte und werterhöhende Bauteile erkennen.
Vergleichswertverfahren keine Lösung
Häufig werden die Werte im Vergleichsverfahren zur Umgebung ermittelt. Für eine Verkehrswertermittlung mag das richtig und zielführend sein. Um eine Versicherungssumme zu ermitteln, ist dieses Verfahren untauglich. Im Vergleichswertverfahren bleiben kostenintensive bauliche Besonderheiten nahezu unberücksichtigt.
Bei Betrieben, die größere Außengelände haben, werden die Pflasterflächen, Löschteiche, Einfriedungen überhaupt nicht individuell berücksichtigt, sondern pauschal mit einem Anteil von X-Prozent eingepreist. Das kann nicht gutgehen, da diese Außenanlagen mitversichert sind und ebenso individuell berücksichtigt werden müssen bei der Bildung der Versicherungssumme.
Versicherer profitieren von den ungenauen Verfahren
Durch das Online-Tool werden meist höhere Summen generiert als durch Übernahme der Werte von alten Versicherungsscheinen. Immerhin sind dann schon mal Anbauten mit großer Sicherheit dabei. Höhere Summe bedeuten höhere Prämien und dies führt zu einer höheren Rentabilität auf Seiten der Versicherer. Kein Wunder also, dass Produktgeber hierfür Unterversicherungsverzicht gewähren.
Falsche Sicherheit bei Unterversicherungsverzicht
Der Großteil der Schäden sind kleinere Leitungswasserschäden. Wenn es im seltenen Fall zu einem Totalschaden kommt, wird die Lücke zu der nach den genannten Methoden falsch ermittelten Versicherungssumme festgestellt. Aber Halt, haben wir denn keinen Unterversicherungsverzicht vereinbart? Doch, nur bedeutet das niemals, dass die Summe ausreichend bemessen ist für Großschäden. Die Sicherheit für den Kunden besteht darin, dass nur bei kleineren Schäden eine – auch bestehende – Unterversicherung nicht angerechnet wird.
Warum Vorab-Gutachten die bessere Lösung sind
Erst bei Großschäden werden Sachverständige wie ich beauftragt, die Versicherungssumme zu ermitteln. Eigentlich zu spät, da es vor dem Schaden natürlich cleverer wäre und ein Wertermittlungsgutachten eines zertifizierten Sachverständigen die Schadenbearbeitung verkürzen kann. Der Versicherer wird dann wohl nicht die Versicherungssumme prüfen und somit mehr Zeit benötigen.
Als Gutachten taugen die Wertermittlungen mittels Prüfbogen nicht, auch nicht jene aus einem Online-Tool. Die Maßstäbe der Rechtsprechung an ein Gutachten sind hier fordernd. Diese haben in der Praxis gerne 30 bis 40 Seiten Umfang haben. Es muss in allererster Linie individuell und plausibel bezüglich der Wertermittlung sein. Das hat das OLG Köln (Az. 9 U 75/14) im Jahr 2015 klar entschieden.
Gutachten vor einem Schadenfall nutzen dem Kunden durch eine individuelle Wertermittlung seines Gebäudes, die eine ausreichende Versicherungssumme bietet. Der Makler profitiert durch eine höhere Courtage und er minimiert sein Haftungsrisiko. Die Prämie spielt mit einem Gutachten in der Hand nur eine untergeordnete Rolle. Die Kosten für so ein Gutachten, durchschnittlich im vierstelligen Bereich, sind bei den regelmäßig entstehenden Nachteilen für Kunden durch falsche Wertermittlungen, aber aus meiner Sicht gut investiertes Geld.
Über den Autor:
Christian Schulz wurde 1966 in Berlin geboren. Der studierte Betriebswert und Soziologe arbeitete 23 Jahre bei der Ergo, unter anderem als Maklerbetreuer. Seit 2021 ist er ISO-zertifizierter Sachverständiger für Versicherungen. 2022 machte er sich als „Versicherunsgversteher“ selbstständig. Seit November dieses Jahres ist Schulz auch Dozent für die Ermittlung von Versicherungswerten an der Deutschen Versicherungsakademie.



