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Votum fordert zweijährigen Stopp der ESG-Abfragepflicht

Unternehmen sollen mehr Zeit erhalten, sich auf die geplante Nachhaltigkeitsberichterstattung einzustellen. Das EU-Parlament hat am 3. April einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission („Omnibus-Paket“) zugestimmt. Damit verschiebt sich für die meisten Unternehmen innerhalb der EU die Frist, die europäische CSRD-Richtlinie umzusetzen, um zwei Jahre. Gleichzeitig soll auch die Richtlinie über Sorgfaltspflichten in Lieferketten (CSDDD) ein Jahr später in Kraft treten.
Das Zurückrudern bei der Nachhaltigkeits-Regulatorik für Unternehmen hat nun den Vermittlerverband Votum auf den Plan gerufen. Dort fordert man: Auch der Finanzvertrieb solle Erleichterungen erhalten.
Pflicht zur Frage nach ESG-Vorlieben von Finanzkunden aussetzen
Votum verweist auf die vielerorts als lästig empfundene Pflicht zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen: Seit August 2022 müssen Finanzberater ihre Kunden verpflichtend auch nach deren Vorlieben mit Blick auf nachhaltige Geldanlage fragen. Die Abfragepflicht kommt on top zu diversen anderen Anforderungen, die der EU-Gesetzgeber zuvor schon an Finanzberatungsgespräche gestellt hatte. Der Beraterverband Votum fordert nun: Die Abfragepflicht solle ebenfalls für zwei Jahre ausgesetzt werden.
Im Finanzvertrieb herrscht quasi Konsens, dass die Nachfrage bei Kunden nach deren ESG-Präferenzen (ökologisch, sozial, gute Unternehmensführung) vor allem viel Zeit verschlinge und kaum etwas bringe. Denn zunächst müssen Finanzberater ihren Kunden überhaupt erst einmal den komplizierten Nachhaltigkeitsbegriff der EU erklären (nachhaltig gemäß Taxonomie, gemäß Offenlegungsverordnung oder mit Blick auf nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren, sogenannte PAIs).
Für die Kunden sei das unverständlich, wird allseits moniert. Zudem gebe es für viele Nachhaltigkeitsbedürfnisse gar keine entsprechenden Produkte.
Die Nachhaltigkeitsabfrage sei bereits bei ihrer Einführung fehlerhaft gewesen, kritisiert nun Votum. Sie sei eingeführt worden, noch bevor Unternehmen Auskunft geben mussten, ob und inwiefern sie nachhaltig wirtschaften. „Hier wurde der zweite Schritt vor dem ersten gemacht“, betont Martin Klein, geschäftführender Verbandsvorstand. „Wenn Berater Empfehlungen geben sollen, brauchen sie eine verlässliche Datenbasis. Diese fehlt derzeit – und das führt zu Unsicherheit bei Kunden und einem kaum tragfähigen Haftungsrisiko für Berater.“
Die komplexen EU-Vorschriften bei der Nachhaltigkeitsabfrage führten letztendlich sogar dazu, dass Kunden diesen Aspekt bei der Geldanlage eher ablehnen würden. In der Praxis verständigen sich Berater und Kunden häufig darauf, auf Nachhaltigkeitsaspekte lieber zu verzichten, jedenfalls formal.
Votum fordert vor diesem Hintergrund: Die Nachhaltigkeitsabfrage solle zwei Jahre lang ausgesetzt werden, um in dieser Zeit zunächst „brancheneigene, markttaugliche und verbraucherorientierte Lösungen“ zu entwickeln.
Warum Finanzberater das Nachsehen haben könnten
Mit seiner Forderung liegt Votum durchaus im Zeitgeist. Denn auf EU-Ebene ist man für die Probleme einer überbordenden Bürokratie durchaus sensibel geworden. Im Finanzbereich standen kürzlich auch das Projekt Open Finance und die europäische Fida-Verordnung kurzzeitig zur Disposition. Letztendlich soll dieses Regulatorik-Vorhaben aber weiterverfolgt werden.
Ob Votum mit seinem Vorschlag Gehör findet, ist jedoch schon deshalb fraglich, weil es sich bei der Nachhaltigkeitsabfrage um Regeln handelt, die bereits gelten. Diese noch einmal auszusetzen, dürfte schwieriger werden, als Regeln in die Zukunft zu verschieben, die noch gar nicht wirksam sind.
Sicher ist indessen: Würde die Abfragepflicht tatsächlich fallen, würde ein Seufzer der Erleichterung durch die Finanzberatungsbranche gehen.