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VV-Fonds-Perspektiven „Bei der Bewertung müssen wir umdenken“

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Lassen Sie uns über die Emerging Markets reden. Diese haben angesichts der aktuellen Marktabschwünge in der Investorengunst stark verloren – wohl auch, weil viele private Anleger einmal mehr sehr spät eingestiegen waren …

Kultscher:
Hier war sicherlich viel Prozyklik im Spiel. Man hat sich das Wachstum in Brasilien, Russland, Indien und China angeschaut und die Möglichkeit für Rücksetzer nicht mit berücksichtigt. Doch es kann auch immer mal zwei, drei oder auch vier Jahre eine negative Entwicklung bei den Emerging Markets geben.

Wichtig ist aus meiner Sicht, dass man über ein gewisses Timing dann in den Emerging Markets investiert ist, wenn sie gut laufen. Wenn der Trend gegenläufig ist, muss man wieder verkaufen, um die Verluste zu begrenzen. So war unsere Systematik vor einiger Zeit für zwei oder drei Monate im indischen Aktienmarkt investiert, ist aktuell aber wieder ausgestiegen.

Tolle:
Gegenwärtig sind wir in den Emerging Markets taktisch nicht allokiert. Auch wir warten aber, wie der Kollege, auf den richtigen Zeitpunkt, um dort wieder einzusteigen. Man kann nicht sagen, dass das Thema Emerging Markets per se gut oder schlecht zu beurteilen ist, man muss in die einzelnen Länder genau hineinschauen. Bezüglich der Verschuldungsquoten und der demografischen Entwicklung sieht es da durchaus stabiler aus als etwa in vielen entwickelten Ländern.

von Wallwitz:
Aus meiner Sicht ist die Emerging-Markets-Story eher ein Marketing-Gag. Es gibt keinerlei Korrelation zwischen dem Wirtschaftswachstum und der Aktienmarktentwicklung. Es gibt auch etliche Studien zu diesem Phänomen – die von der Branche leider systematisch verschwiegen werden. Denn gäbe es diese Korrelation, müsste China in den letzten zehn, 15 Jahren am besten gelaufen sein. Das ist aber leider nicht so.

In Europa waren nach dem Krieg die Länder mit dem niedrigsten Wirtschaftswachstum natürlich die, die nicht zerstört waren, Schweiz und Schweden. Die hatten aber lustigerweise die am besten laufenden Aktienmärkte über die nächsten 40, 50, 60 Jahre – obwohl sie das niedrigste Wirtschaftswachstum aufwiesen.

Abgesehen davon gibt es natürlich auch Emerging-Markets-Qualitätsaktien. Die haben wir auch, aber sicherlich nicht, weil es Emerging-Markets-Aktien sind, sondern weil es sich um gute Unternehmen handelt, die man zu einem fairen Preis kaufen kann.

Barthels:
Wenn wir in den letzten Jahren in Schwellenländeranleihen investiert haben, waren diese tendenziell in den sogenannten Hard Currencies emittiert, also in Dollar, Euro, auch mal in Yen oder Australischem Dollar. Wer auf Einzelunternehmensbasis versucht, eine chinesische Aktie zu analysieren, und dabei nicht mal der chinesischen Sprache mächtig ist, dem würde ich sehr zur Vorsicht raten.

Wenn ich mich hingegen im Anleihenbereich eher makroökonomisch nähere und mir zum Beispiel die OECD-Daten über China anschaue, habe ich zumindest eine gewisse Vergleichbarkeit. Fakt ist auf alle Fälle, dass wir versuchen, Informationen in den Bereichen zu bekommen, die wir verstehen und auch verarbeiten können.

Schlumberger:
Wenn in der Presse zu einem Markt steht „Jetzt einsteigen“, dann ist es meistens schon zu spät. Ich denke, das gilt auch für die Emerging Markets. Und die Gründe für einen schwächelnden Markt sind dummerweise bei Schwellenländern immer heterogen, weil eben die Schwellenländer per se heterogen sind. Nehmen Sie die Bric-Staaten: Es gibt kaum vier Länder, die unterschiedlicher sind als diese.

Dass jene in der Regel allesamt mehr Wachstum haben als die Industrieländer, ist vielleicht die einzige Gemeinsamkeit. Für uns sind die Schwellenländer im Augenblick vor allem auf der Rentenseite interessant. Wir haben im April begonnen, Schwellenländeranleihen zu kaufen. Auch bewusst in lokaler Währung: nämlich vor dem Hintergrund, dass diese Währungen im vergangenen Jahr im Schnitt 20, 30 Prozent verloren haben.
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