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Aktualisiert am 08.09.2017 - 12:35 Uhrin AltersvorsorgeLesedauer: 3 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Dämliches Deutschland? Armes Deutschland …

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS

Das war abzusehen. Wer wie „Der Spiegel“ in seiner jüngsten Titelgeschichte ein ganzes Volk pauschal als „zu dämlich zum Sparen“ abstempelt, muss mit Gegenwind rechnen – nachzulesen in bislang 448 Forums-Beiträgen, in denen Bemerkungen wie „sehr dürftig“ oder „eines seriösen Journalisten unwürdig“ fast noch zur freundlichen Seite des Kommentar-Spektrums gehören.

Auch beim Rundumschlag gegen Anlageberater und Finanzvermittler hat es sich „Der Spiegel“ ziemlich einfach gemacht. Völlig zu Recht beklagt AfW-Vorstand Frank Rottenbacher Falsch-Informationen wie die angebliche Kontrolle freier Berater durch Gewerbeämter, die „von Finanzprodukten genauso viel Ahnung hätten wie von Atomphysik“. Oder zweifelhafte Recherche-Quellen wie eine Finanzmarktwächter-Studie, die allein die Kostenstruktur eines Produkts zum Kriterium für Qualität und Anlegernutzen heranzieht. Da wäre mehr drin gewesen.

Doch sonst? Kann man dem „Spiegel“ nur dankbar dafür sein, dass er sich des Themas in diesen bewegten Zeiten an so herausgehobener Stelle annimmt. Denn dem Fazit der Titelgeschichte lässt sich kaum ernsthaft widersprechen: Das Unvermögen der Bundesbürger, sich ein Vermögen aufzubauen, verschärft die sozialen Spannungen im Land und wird dazu führen, dass in einigen Jahren Millionen Senioren dem Staat auf der Tasche liegen, weil ihre Rente nicht reicht.

Und auch in punkto Ursachenforschung, woher dieses Unvermögen denn nun tatsächlich rührt, geht „Der Spiegel“ vielen richtigen Fährten nach. Zum Beispiel der Erkenntnis, dass staatliche Sparförderung bei jenen Bürgern, die sie am nötigsten haben, überhaupt nicht ankommt. Oder dem Stoßseufzer des ehemaligen SPD-Vorsitzenden Kurt Beck, nichts habe die Schieflage in der Vermögensverteilung der Republik mehr gefördert als die Herrschaft der Verbands-Beamten.

Derzeit scheint es so, als wolle die Politik den Eindruck, für die Misere maßgeblich mitverantwortlich zu sein, noch einmal bekräftigen. Anders lassen sich jüngste Überlegungen der Bundesregierung, die Veräußerungsgewinne von vor 2009 erworbenen Investmentfonds entgegen anderslautenden Versprechungen doch nicht mehr uneingeschränkt steuerfrei zu stellen, kaum interpretieren. Verlässlichkeit bei der Planung der privaten Altersvorsorge? Fehlanzeige.

Wenn die jüngste „Spiegel“-Titelgeschichte dazu beiträgt, die gerade erst entstehende Diskussion über dieses Thema voranzubringen, hat sie ihren Zweck allen Recherche-Schwächen zum Trotz erfüllt. Denn viele Deutsche mögen sich zwar im Umgang mit Geld etwas dämlich anstellen. Eine persönliche Schuld daran, dass ihnen im Alter Armut droht, trifft die meisten jedoch nicht. Es ist höchste Zeit, dagegen etwas zu unternehmen.

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