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Wachtendorf-Kolumne Das Rätsel der Börse nur scheinbar entschlüsselt

in Wachtendorf-KommentarLesedauer: 4 Minuten
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS | Foto: Axel Baumhöfner

Stockpicking – also die gezielte Auswahl einzelner, als aussichtsreich eingestufter Aktien – lohnt sich nicht. Den Beweis für diese These hat ganz offensichtlich Hendrik Bessembinder erbracht. Der Finanzwissenschaftler an der Arizona State University hat in einer aktuellen Studie die „lebenslange“ Wertentwicklung von knapp 26.000 US-Aktien zwischen 1926 und 2015 nachgerechnet und ermittelt, dass Anleger nur mit rund 1.000 von ihnen eine Mehrrendite gegenüber risikolosen Treasury Bills erzielen konnten. Dabei geht die Hälfte dieser Mehrrendite auf das Konto von gerade einmal 86 Titeln. Einen oder gar mehrere dieser Überflieger zu erwischen, grenzt folglich an Lotteriespiel.

Trotzdem war es Bessembinders Berechnungen zufolge für die Rendite entscheidend, zwischen 1926 und 2015 in Aktien investiert zu sein. Legte doch der marktbreite S&P-500-Index in diesem Zeitraum um mehr als 13.000 Prozent zu. Ein Ergebnis, das keine andere Anlageklasse auch nur annähernd erreicht. „Wissenschaftler löst Vier-Prozent-Rätsel der Börse“ jubilierte Welt Online unmittelbar nach Veröffentlichung der Studie im Februar – wobei sich die Vier auf das Verhältnis von 1.000 zu 26.000 bezieht.

Die genannten Zahlen und Zusammenhänge sind Wasser auf die Mühlen der Verfechter indexorientierten Investments. Wozu sich die Mühe machen, aus zehntausenden von Aktien die Apple, Altria oder Amgen von morgen herausfiltern zu wollen? Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern führt in aller Regel auch in die Irre. Dann doch lieber gleich einen ETF auf den S&P 500 oder – wegen der breiteren Streuung noch besser – auf den Weltaktienindex MSCI World. Eine Empfehlung, die gerade junge Anleger in Börsen-Foren wie Young-Money-Blog nahezu täglich zu hören bekommen.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Denn im Grunde genommen kann man die Bessembinder-Studie auch für die exakt gegenteilige Argumentation heranziehen. Natürlich lohnt sich Stockpicking, es ist sogar das A und O der Performance. Nur wer die richtigen Papiere im Depot hat, kann den risikolosen Geldmarkt und mit etwas Geschick auch den breiten Aktienmarkt schlagen.

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Dabei dürfte zumindest das erstgenannte Ziel nicht ganz so schwer zu erreichen sein wie es zunächst den Anschein hat. Denn Bessembinder unterstellt in seinen Berechnungen keinerlei Managementleistung. Er untersucht lediglich, welche Ergebnisse eine Aktie von ihrer Erstnotiz bis zum letzten verfügbaren Stichtag erzielt hat – oder alternativ bis zu ihrem Verschwinden vom Kurszettel. Und da seit 1926 jede Menge US-Aktien den Weg alles Irdischen genommen haben, liegt es auf der Hand, dass deren in der Regel katastrophale Vermögensbilanz das Gesamtergebnis ein gehöriges Stück weit nach unten zieht.

Was mit einer guten Managementleistung sehr langfristig aus dem US-Aktienmarkt herauszuholen war, zeigt exemplarisch der 1928 aufgelegte Pioneer Fund. Aus 1.000 US-Dollar, von Beginn an dort investiert, wurden bis Ende März 2017 sagenhafte 18,1 Millionen Dollar. Zum Vergleich: Beim S&P 500 endet der Zähler bei 4,2 Millionen Dollar.

Nein, diese Ausführungen stellen keine Aufforderung dar, den in Deutschland zum Vertrieb zugelassenen Klon des Pioneer Fund zu kaufen. Sie sollen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass in den vergangenen Jahrzehnten viele vergleichbare Fonds auf der Strecke geblieben sind und dass der Pioneer Fund weder in den vergangenen 10 noch 20 noch 30 Jahren in der Lage war, den S&P 500 zu schlagen.

Wozu sie allerdings ermuntern sollen ist, die Ergebnisse akademischer Studien grundsätzlich zu hinterfragen. Und gleichzeitig darüber nachzudenken, inwieweit diese sich in die Zukunft fortschreiben lassen – insbesondere dann, wenn alle Marktteilnehmer über Jahre oder Jahrzehnte hinweg das Gleiche tun.

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