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Wachtendorf-Kolumne Drei Lehren aus einem völlig verrückten Halbjahr

Von in Kommentare der RedaktionLesedauer: 3 Minuten
Prophezeit Bauchlandung für Daytrader: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf
Prophezeit Bauchlandung für Daytrader: DAS-INVESTMENT-Kolumnist Egon Wachtendorf | Foto: Johannes Arlt

Erleben wir erneut die Goldenen Zwanziger?“, „Womit Sparer in der nächsten Dekade rechnen müssen“, „Aufschwung, Crash oder Ketchup-Effekt?“ – an Prognosen für das vor uns liegende Jahrzehnt hat es 2019 wahrlich nicht gemangelt. Vieles von dem, was die Börsen in den vergangenen Monaten in Atem hielt, spielte dort freilich nicht einmal am Rande eine Rolle. Was nicht per se gegen Prognosen spricht. Wohl aber dafür, als Anleger stets mit unerwarteten Ereignissen zu rechnen. Um dann nach entsprechender Analyse und Einordnung angemessen auf die neuen Herausforderungen zu reagieren.

Auf die Bedrohung durch das Covid-19-Virus war eine Vielzahl von Reaktionen möglich. Die nächstliegende, das eigene Depot auf Corona-Anfälligkeit zu prüfen und Unternehmen aus stark gefährdeten Branchen wie Luftfahrt, Tourismus oder Energiewirtschaft auszusortieren, konnte – zügig und konsequent vollzogen – den Mitte Februar einsetzenden Absturz schon deutlich mildern. Die verbliebenen Bausteine vorübergehend mit Derivaten vor der um sich greifenden Panik zu schützen, hat sich rückblickend ebenfalls bezahlt gemacht und gerade im beliebten Segment der vermögensverwaltenden Mischfonds manch strahlenden Gewinner hervorgebracht. Wer auch Mitte März noch brachial absicherte oder gar aktiv auf weiter fallende Kurse wettete, sah sich dagegen auf komplett falschem Fuß erwischt.

Eine Beobachtung, die direkt zur ersten Lehre dieses so verrückt beginnenden Jahrzehnts führt: Der vielzitierte Leitspruch „Don’t fight the Fed“ ist auch im Zeitalter von Corona unverändert gültig. Wenn Notenbanken die Märkte derart massiv mit Liquidität fluten wie in den vergangenen Monaten, darf man besorgt sein. Sehr besorgt sogar. Sich dagegen stemmen sollte man jedoch tunlichst nicht.

Kommen wir direkt zum zweiten herausragenden Ereignis des ersten Halbjahrs, dem Wirecard-Skandal. Dass mit dem einstigen, seit September 2018 im Dax notierten Vorzeige-Unternehmen etwas nicht stimmt, pfeift die „Financial Times“ seit Anfang 2019 von den Dächern. Wie Wirtschaftsprüfer, Finanzaufseher und auch viele Fondsmanager in diesem Börsen-Krimi teils grob fahrlässig sämtliche Alarmsignale missachteten und sich nach Strich und Faden blamierten, dürfte noch über Monate hinweg Schlagzeilen produzieren.

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Sicher, Häme scheint wenig angebracht. Wer kann bei aller Skepsis im Vorfeld schon für sich reklamieren, das Ausmaß dieses Sumpfes vollständig überblickt zu haben? Trotzdem bleibt manchem zuvor mit den allerhöchsten Rating-Weihen versehenen Fondsmanager gegenüber ein ungutes Gefühl zurück. Die Lehre daraus: Letztlich kochen auch die Profis nur mit Wasser – auf eigene Rechnung ihren „Top-Picks“ zu folgen, kann ziemlich böse enden.

Womöglich endgültig entzaubert haben sich im ersten Halbjahr 2020 all jene Crash-Propheten, die bereits für diesen Sommer eine galoppierende Hyperinflation und den kompletten Zusammenbruch des globalen Finanzsystems als „alternativlos“ an die Wand malten – mögen sie vielleicht auch mit der Prognose recht behalten, dass Gold-Investments und andere Sachwerte für den Rest der Dekade durchaus eine sinnvolle Alternative zu Schuldpapieren darstellen. Merke: Auch das dümmste Geschwätz enthält mitunter ein Körnchen Wahrheit.

Ob man dieses Körnchen Wahrheit eines Tages auch in den Blog-Beiträgen jener derzeit schwer angesagten Daytrader findet, die sich nach dreimonatigem Segeln im Fed-Wind für den besseren Warren Buffett halten? Dieser Hype wird sich im weiteren Verlauf der 20er Jahre ebenfalls von selbst erledigen, da bin ich mir ziemlich sicher. Den meist jugendlichen Anlegern, die ihre Vermögensbildung auf derartigen Luftnummern aufbauen, droht dann ein ähnlich schmerzhaftes Erwachen wie heute den Wirecard-Aktionären.

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