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Aktualisiert am 08.09.2017 - 12:06 Uhrin Wachtendorf-KommentarLesedauer: 3 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Euro-Rentenfonds: Die Haftungsfrage für 105 Milliarden Euro

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS | Foto: Axel Baumhöfner

Die Mail, die ein Leser Anfang dieser Woche an die Redaktion richtete, ließ Schlimmes erahnen. „Leider muss ich vermelden, dass im Rahmen meiner Kapitalanlage ein Rentenfonds abgestürzt ist“, hieß es da. Was konnte passiert sein? Toxische Wertpapiere wie in der Finanzkrise? Wilde Spekulationen mit Türkischer Lira oder Britischem Pfund?

Nichts von alledem, wie sich bei näherer Betrachtung des Falles schnell herausstellt. Es handelt sich schlicht um einen Euro-Rentenfonds, dessen Anteilspreis Anfang März etwa 4 Prozent niedriger notiert als noch im Spätsommer 2016. Der Leser – so die Information im anschließenden Telefonat – hält ihn schon seit vielen Jahren, weil sein damaliger Bankberater ihm diese Anlage beim Eintritt in den Ruhestand als Sparbuch-Ersatz empfohlen hat.

Letztlich gehe es doch um etwas mehr als um 4 Prozent Verlust in sechs Monaten, macht der Leser im zweiten Schritt deutlich. Aufgeschreckt durch diesen Befund habe er nämlich seine Depot-Unterlagen durchgeblättert und dabei festgestellt, dass sich der Anteilspreis in all den Jahren seit dem Kauf kaum verändert habe. Die Kaufkosten hinzugerechnet, läge er mittlerweile sogar im Minus, und das dürfe ja wohl nicht sein.

Auch der Grund für diese etwas verzerrte Wahrnehmung kommt schnell ans Licht. Weil es sich um ausschüttende, in einem Bankdepot gehaltene Fondsanteile handelt, sind die Ausschüttungen all die Jahre aufs Girokonto gewandert und von dort in den Konsum oder in andere Sparprodukte. Tatsächlich war der anfangs der Vermögensvernichtung verdächtigte Fonds alles in allem keine so schlechte Anlage, wie der ausschüttungsbereinigte Chart zeigt: Auf Fünf-Jahres-Sicht erzielte er – vor Kosten – einen Wertzuwachs von 25 Prozent, über zehn Jahre gerechnet waren es mehr als 40 Prozent.

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Bis hierhin also Entwarnung. Ein solches Gespräch ohne den Hinweis auf die im Vergleich zu 2007 oder 2012 grundlegend andere Situation an den Rentenmärkten zu beenden, wäre jedoch grob fahrlässig. Der gerade erst besänftigte Leser hört sich das alles in Ruhe an und stellt anschließend nur zwei Fragen. Die erste: Wie soll ein Rentenfonds in diesem neuen Umfeld nach Kosten noch Geld verdienen? Und die zweite: Warum hat der neue Kundenberater der Bank, der vor einigen Jahren den bisherigen ersetzte, ihn darauf noch nicht angesprochen?

Beides sind berechtigte Fragen, die künftig noch für viel Zündstoff sorgen dürften – möglicherweise auch juristisch. Laut BVI-Statistik waren bei den Mitgliedsgesellschaften Ende 2016 knapp 105 Milliarden Euro in reinen Euro-Rentenfonds investiert. Davon entfielen 49 Milliarden Euro auf Fonds, die auf Anleihen mit mittlerer oder langer Restlaufzeit spezialisiert sind. Gerade diese Papiere geraten unter Druck, wenn sich die Zinsen irgendwann wieder von der Nulllinie weg Richtung Norden bewegen. Allein ein Anstieg der Umlaufrendite auf ein Prozent würde zehnjährigen Anleihen Verluste bescheren, die gut und gerne doppelt so hoch sind wie die eingangs vom Leser beklagten 4 Prozent.

Sicher, viele Berater suchen in diesen Wochen und Monaten das Gespräch mit ihren Kunden, um auf diese Zusammenhänge hinzuweisen. Ob dabei in jedem Einzelfall die optimale Lösung herauskommt, sei einmal dahingestellt. Fakt bleibt: Für risikoscheue Anleger gibt es derzeit kaum ein zu ihrem Profil passendes Segment, das ein ungünstigeres Chance-Risiko-Verhältnis aufweist als die BVI-Kategorie „Rentenfonds Euro“. Wenn sich ihr Volumen bis Ende 2017 nicht mindestens halbiert, ist in punkto Anlageberatung in Deutschland – wieder einmal – etwas gründlich schief gelaufen.

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