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Aktualisiert am 08.09.2017 - 12:13 Uhrin Wachtendorf-KommentarLesedauer: 3 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Facebook, Amazon & Co.: Wiedervorlage am 18. November 2036

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS

Was für eine Punktlandung: Am Nachmittag des 17. November 2016 notierte die Aktie der Deutschen Telekom kurzzeitig bei 14,57 Euro. Also exakt zu jenem Kurs, zu dem sie 20 Jahre zuvor – am 18. November 1996 – mit viel Tam-Tam an die Börse gekommen war. Nachbörslich bröckelten die Notierungen etwas; bei Handelsschluss fehlten dann zum ursprünglichen Ausgabepreis 2 Cent.

Kein Nullsummenspiel, wie es auf den ersten Blick den Eindruck macht. Denn schließlich zahlte das ehemalige Staatsunternehmen in 18 von 20 Geschäftsjahren eine Dividende, zusammengerechnet mehr als 11 Euro. Verglichen mit dem Dax oder anderen gängigen Indizes, die sich in dieser Zeit vervielfachten, ist das Ergebnis dennoch ziemlich mau. Hinzu kommt, dass die meisten Telekom-Aktionäre der ersten Stunde später zu deutlich teureren Kursen nachgekauft haben dürften, teilweise auf einem Niveau von 80 Euro und mehr pro Aktie.

Ich kann mich gut an die Börsen-Premiere der Telekom erinnern. An diesem Tag war ich in Boston mit Vertretern der damals noch eigenständigen Fondsgesellschaft Pioneer unterwegs. Abends gab es ein Festdinner zum unmittelbar bevorstehenden 100. Geburtstag des als Ehrengast geladenen Pioneer-Gründers Phil Carret. Natürlich ging es in den Gesprächen mit den Sitznachbarn am Tisch – größtenteils dem von Carret begründeten Stil des Basic Value verpflichtete Pioneer-Manager – auch um die Chancen der T-Aktie. Das Urteil war einhellig: Finger weg, Verbrennungsgefahr.

Am Ende darf man wohl sagen: Meine Gesprächspartner hatten Recht. Allerdings mussten sie sehr lange warten, bis ihre Prognose eintraf. Und jeder, der ihnen glaubte, dürfte sich zwischenzeitlich ziemlich dumm vorgekommen sein.

Nicht viel anders erging es bis vor kurzem all jenen, die schon vor Jahren auf unterbewertete Märkte wie die Schwellenländer setzten oder eine Zinswende an den Rentenmärkten heraufziehen sahen. Immer wieder hagelte es Enttäuschungen, reihte sich auf dem Papier ein Verlust an den nächsten, während andere sich mit Facebook, Amazon, Netflix und Google – kurz FANG – eine goldene Nase verdienten. Ob die heutigen Verfechter eines stoischen Basic Value am Ende Recht behalten? Man sollte durchaus damit rechnen.

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Mitunter dauert es nicht nur quälend lange, bis sich Fehlbewertungen an den Kapitalmärkten zu korrigieren beginnen. Es braucht auch seine Zeit, bis die Mehrheit der auf ein anderes Szenario gepolten Anleger bereit ist, eine solche Trendwende gedanklich zu akzeptieren. Sonst hätten im Sommer und Herbst 2000 nicht so viele Telekom-Aktionäre die ersten scharfen Kursrückgänge als vermeintliche Nachkauf-Chance gesehen.

Übertragen auf die heutige Zeit: Die Widerstände gegen den Glauben an eine Renaissance des Value-Stils und langfristig wieder höhere Zinsen werden in vielen Köpfen noch eine ganze Weile lang groß bleiben. Davon sollte sich aber niemand beirren lassen. Wer an unterbewerteten Aktien und Ländern konsequent festhält und gleichzeitig die grotesk überteuerten Rentenmärkte short geht, der sollte in den nächsten 20 Jahren keinen schlechten Schnitt machen. Wiedervorlage dann am 18. November 2036.

Als kleine Ermunterung vielleicht noch eine kurze Passage aus einem Interview, das ich am 20. November 1996 – also zwei Tage nach dem Börsengang der Telekom – mit Pioneer-Gründer Phil Carret führen durfte: „Ich erinnere mich, dass ich am Ende der Großen Depression eine Vorzugsaktie für 5 Cent gekauft habe. Die habe ich wenig später für 7 Cent verkauft und glaubte, das sei großartig. Zwei Jahre später war die Aktie einen Dollar wert. Das hat mich gelehrt, geduldig zu sein. Anleger, die interessante Titel kaufen und sofort wieder aus dem Markt herausgehen, wenn der Wind sich dreht, sterben nur selten reich.“

Phil Carret ist ziemlich reich gestorben, am 28. Mai 1998.

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