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Aktualisiert am 08.09.2017 - 12:39 Uhrin MärkteLesedauer: 3 Minuten

Wachtendorf-Kolumne Kaldemorgen, Huber und das anscheinend Unmögliche

Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS
Egon Wachtendorf, Chefredakteur DER FONDS

Das Undenkbare denken – diese auf ein Gedicht des österreichischen Schriftstellers Franz Grillparzer zurückgehende Aufforderung hat in Zeitungs-Schlagzeilen seit Jahren Konjunktur. Ganz egal, ob es dabei um die Reaktor-Katastrophe von Fukushima, um Parallelen zwischen der Euro-Krise und dem Ersten Weltkrieg oder ganz aktuell um den nicht enden wollenden Flüchtlingsstrom nach Europa geht. Jeder, der sich mit wirtschaftlichen Themen beschäftigt, tut spätestens seit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers ebenfalls gut daran, in seine Gedankenspiele bislang unbekanntes Terrain einzubeziehen. Wer hat sich vor 2014 schon vorstellen können, dass es in der Finanzwelt einmal dauerhaft Negativzinsen geben würde?

In dieser Woche kam – zumindest scheinbar – ein weiteres Ding anscheinender Unmöglichkeit hinzu: Die Nachrichtenagentur Bloomberg schockte rund um den Globus Anleger mit der Meldung, dass in den USA erstmals eine Raffinerie für die Abnahme von Rohöl zur weiteren Verarbeitung Geld verlange. Für die qualitativ minderwertige Ölsorte North Dakota Sour kam dies einem Negativpreis von 0,50 US-Dollar gleich. Wenig später dann das Dementi der Raffinerie: Die Angabe sei ein Versehen gewesen, korrekt sei ein Preis von 1,50 Dollar. 1,50 Dollar positiv, wohlgemerkt.

Die Aufregung ist durchaus verständlich. Denn ähnlich wie es für einen Anleger keine entscheidende Rolle spielt, ob von ihm geparktes Geld auf der Bank nun mit einem Negativzins von 0,1 Prozent belastet wird oder ob er 0,025 Prozent dafür gutgeschrieben erhält, machen auch 0,50 Negativ-Dollar oder 1,50 Positiv-Dollar für den betroffenen Produzenten keinen großen Unterschied: Er schreibt rote Zahlen, so oder so. Und da speziell in Nordamerika ein großer Teil der Ölindustrie auf Pump aufgebaut ist, scheint es nur eine Frage der Zeit, bis die finanzierenden Banken den Kredithahn zudrehen. Oder selbst von der Welle uneinbringlicher Forderungen fortgespült werden. Wer da an Lehman denkt, ist beileibe kein Querdenker, sondern philosophiert längst mit dem Mainstream.

Ob das von manchen Beobachtern befürchtete Schreckens-Szenario eintritt oder ob am Ende nicht doch jene Recht behalten, die den niedrigen Ölpreis jahrzehntelang gültigen Lehrbuchweisheiten gemäß als Segen für die Weltwirtschaft ansehen, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr schwer abschätzen. Deshalb dürften die entsprechenden Argumente in den kommenden Monaten nicht nur immer wieder als Begründung für auf den ersten Blick unerklärliche Börsenbewegungen herhalten müssen, sondern auch für so manchen Zündstoff auf Podiums-Diskussionen und anderen Experten-Treffen sorgen.

Letzteres gilt sicherlich auch für den in der kommenden Woche anstehenden Sauren-Fondsmanager-Gipfel auf dem Fonds-Kongress in Mannheim. Dort trifft unter anderem mit DWS-Urgestein Klaus Kaldemorgen ein Vertreter der „Niedrige Ölpreise sind ein systemisches Risiko“-These auf den nicht minder renommierten Kollegen Peter E. Huber, der mit seiner Meinung nach zu Unrecht unter Druck geratenen Hochzinsanleihen aus dem Öl-Sektor die eigene Performance aufbessern will. Eine spannende Konstellation, die ich als Vertreter eines von den Veranstaltern ausgeschlossenen Mediums zwar nicht direkt vor Ort verfolgen kann, mir aber dank moderner Livestream-Technik dennoch nicht entgehen lassen werde. Noch so ein Ding, das ich mir vor gar nicht so langer Zeit kaum hätte vorstellen können.

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